Nachdem Heidis Eltern gestorben sind, wächst sie die ersten vier Jahre ihres Lebens bei ihrer Tante auf. Trotz dieses schweren Schicksals und der trostlosen Tage, die sie in der Kammer der Hausangestellten verbringt, ist Heidi ein fröhliches Kind, dem die Herzen der Menschen zufliegen. Als ihre Tante eine neue Stelle antritt, muss sie das Kind zu ihrem Opa bringen. Der Alm-Öhi ist ein grantiger, alter Mann, der seit vielen Jahren allein auf der Alm in einer Hütte lebt und kaum noch Kontakt zu den Menschen im Dorf hat. Doch Heidi lässt sich nicht unterkriegen. Sie begegnet dem Großvater in ihrer eigenen, herzlichen und unbefangenen Art und beginnt sofort, die Hütte des Alten aufzuräumen. Und fast wider Willen mag der alte Mann das Kind und wird von Jahr zu Jahr umgänglicher.
Doch dann wird ihm Heidi wieder weggenommen. Die Menschen im Tal und Heidis Tante befinden, dass das Kind eine Schule besuchen muss. Sie wird in einem mondänen Haushalt in Frankfurt untergebracht. Weit weg von ihrem Großvater, weit weg von ihren geliebten Schweizer Bergen, weit weg von jedem Menschen, den sie kennt. Sie soll der im Rollstuhl sitzenden Tochter des Hauses als Spielkameradin dienen und nebenbei Lesen und Schreiben lernen. Es fällt Heidi schwer, in der freudlosen Umgebung zurechtzukommen, zumal ihre Tante ihr versprochen hatte, dass sie sofort zu ihrem Großvater zurück kann, wenn sie es denn will.

1880 erschien erstmals Johanna Spyris Roman „Heidis Lehr- und Wanderjahre“. Er gehört zusammen mit dem zweiten Band „Heidi kann brauchen, was es gelernt hat“ zu den bekanntesten Kinderbüchern der Welt. Unzählige Male veröffentlicht, verfilmt, vertont und verfremdet, hat sich Peter Stamm dieses Stoffes angenommen und eine moderne, zeitgemäße Variante entwickelt. Der Text wurde behutsam auf eine leicht lesbare Form gebracht und stilistisch dem heutigen Leseverhalten angepasst.

Umgesetzt als siebzigminütiges Hörbuch wird der gekürzte Text von der Schauspielerin Marianne Sägebrecht vorgetragen. Das bayrische Multitalent („Out of Rosenheim“) erweist sich als Glücksfall für die Geschichte der Heidi. Mit viel Wärme und Anteilnahme, einem herben Charme und nur leichtem dialektalen Einschlag ist diese „Heidi“ für Kinder ab sechs Jahren ein wunderbares Lehrstück über die innere Stärke eines Menschen. Herrlich, wie ganz ohne erhobenen Zeigefinger oder vordergründige Erwachsenen-Botschaft, wie sie in vielen Kinderbüchern eingebracht ist, deutlich wird, wie sehr ein Mensch, der positiv denkt, offen ist und sich nicht unterkriegen lässt, sein Leben meistern kann. Und das gegen ein hartes und oft unfaires Schicksal.

Dabei ist dieses Hörbuch sowohl spannend als auch rührend, mitreißend und erheiternd. Kaum ein Kind oder ein Erwachsener wird nicht hellauf begeistert von dieser Geschichte und der Sprecherin Marianne Sägebrecht sein. Es ist zwar bedauerlich, dass nur ein Bild des Buchillustrators Hannes Binder seinen Weg in die Hörbuchproduktion gefunden hat, doch ist dafür der Hörgenuss umso größer, gibt doch neben der wundervoll akzentuierten Stimme der Vortragenden auch die Musik von Martin Finsterlin dieser Geschichte einen passenden Rahmen.

Johanna Spyris „Heidi“ ist auch nach fast einhundertdreißig Jahren immer noch eine meisterhafte Erzählung. Hier zwar in gekürzter und neu gefasster Version, aber Autor Peter Stamm, Sprecherin Marianne Sägebrecht und Komponist Martin Finsterlin sorgen für eine angemessene, sanfte und auch in der heutigen Zeit hörbare Version.