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Spätestens seit Paul Baltes hat sich in der Psychologie die Sichtweise etabliert, dass Entwicklung über die gesamte Lebensspanne, also auch im höheren Alter, stattfindet, wobei Entwicklung sowohl Verluste als auch Zugewinne bedeutet. Altern wirkt sich auf körperliche Funktionen und geistige Fähigkeiten aus, doch nicht alle Fähigkeiten unterliegen einem Abbau. Außerdem kann man einem möglichen Abbau gezielt entgegenwirken, denn sowohl für körperliche als auch geistige Funktionen gilt der englische Spruch: Use it or loose it (Benutze sie oder verliere sie).
Welche Möglichkeiten man im Alter hat, sich selbst zu fordern und zu fördern, wird in dem Buch „Graue Haare, kluger Kopf“ des Ehepaars Herschkowitz thematisiert. Zunächst werfen die Autoren einen Blick auf die menschliche Entwicklung insgesamt und sehen sich Kindheit, Adoleszenz, Erwachsenenalter und Alter mitsamt den jeweiligen Kompetenzen und Grenzen an. Schließlich wird auf die Individualität jedes Einzelnen eingegangen und darauf, welche Rolle Umwelt und Genetik auf Persönlichkeit und Verhalten haben. Die nächsten und letzten drei Kapitel schließlich informieren über die Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen hinsichtlich der körperlichen Ressourcen, des geistigen Potentials und des hohen Alters.
Norbert Herschkowitz ist Kinderarzt und Neurowissenschaftler, seine Frau Elinore Pädagogin. Gemeinsam haben sie ein Buch verfasst, das Mut machen will, das hohe Alter nicht nur als Lebensabschnitt zu betrachten, der von Abbau geprägt ist. Damit ist der Untertitel „Warum das Gehirn im Alter immer besser wird“ irreführend, denn auch wenn Informationen zum Alterungsprozess angeboten werden, handelt es sich doch in erster Linie um ein Ratgeberbuch. Zudem ist der Untertitel natürlich viel zu undifferenziert, wenn auch sicher verkaufsfördernd. Ja, auch das alte Gehirn hat das Potenzial, neue Verknüpfungen zu bilden und es gibt kognitive Fähigkeiten, die mit zunehmenden Alter besser und nicht schlechter werden, trotzdem ist der natürliche Alterungsprozess in erster Linie ein organischer Abbauprozess, wenn auch wesentlich gutmütiger und deutlich beeinflussbarer als lange Zeit angenommen. Von daher gibt es solche und solche Aspekte des Alterns, und dem modernen Entwicklungsbegriff entsprechend hat jedes Alter seine eigenen Verluste und Gewinne. Als Ratgeber ist es für alle interessant, die sich mit ihrem eigenen Alterungsprozess auseinandersetzen wollen. Es ist durchweg verständlich geschrieben und gibt immer wieder Tipps, wie man sein Leben und seinen Alltag auf die Anforderungen des Alters einstellen kann, zeigt auf, wie wichtig soziale Kontakte, Bewegung und Freude im Leben sind. Die speziellen Fähigkeiten des Alters heißt es zu nutzen und die Verluste zu kompensieren, dann steht einem produktiven Altern hoffentlich nichts mehr im Wege.
Für Freunde populärwissenschaftlicher Literatur, die sich - vom Untertitel angezogen - gerne über altersbedingte Veränderungen auf Verhaltens- und neuronaler Ebene informieren wollen, ist dieses Buch durch seinen Ratgebercharakter weniger geeignet. Zudem stellen die Autoren zwar auch Studienergebnisse vor, geben aber keinerlei Literaturhinweise oder Quellenangaben diesbezüglich. Lediglich am Ende des Buches werden dreizehn Literaturhinweise genannt, die sich aber nur bedingt mit dem Altern befassen.
Ein guter Ratgeber zum produktiven Altern, der keinerlei fachspezifisches Vorwissen erfordert, dessen Untertitel allerdings in die Irre führen kann.