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Das Wort „Kraut“ kommt aus dem Althochdeutschen und bedeutet zunächst einmal nichts anderes als
nutzbares Gewächs, dem das vermeintlich nicht nutzbare Gewächs, das Unkraut, gegenübersteht. Genutzt werden Kräuter vor allem in der Küche, der Heilkunst und in der Kosmetik. Ob jemand also eine Pflanze als Kraut oder Unkraut deklariert, hängt somit nicht nur davon ab, ob er einen Nutzen in ihr sieht, sondern auch davon, ob er überhaupt um ihren Nutzen weiß.
Wer beispielsweise verzweifelt versucht, den Giersch in seinem Garten loszuwerden, sollte die jungen Blätter mal als Spinatalternative betrachten und als Salat oder auch als gedünstetes Gemüse probieren. In Andrew Mikolajskis Buch „Kräuter für Genuss, Gesundheit und Küche“ werden dem Leser weitere nutzbare Gewächse vorgestellt. Insgesamt 69 von ihnen ist ein ausführlicheres Portrait gewidmet, weitere 46 erhalten jeweils einen kurzen Absatz. Nach eher kurzen Einführungen in Kräuter im Allgemeinen - mit Informationen zur Definition und zu historischen Bräuchen -, in die Anlage eines Kräutergartens, die Kultur in Töpfen, Vermehrung sowie grundlegende Verwendungsmöglichkeiten, vom Trocknen über Aufgüsse und Abkochungen bis zu Tinkturen, werden die Kräuter auf je einer Doppelseite vorgestellt. Der rechten Seite ist dabei eine Fotografie gewidmet, während man links die Informationen zu den Merkmalen der Pflanze und ihrer Verwendung findet. Der Portraitteil ist wiederum in drei Teile gegliedert: Küchen- und Gewürzkräuter, Duft- und Aromakräuter sowie Heil- und Arzneikräuter. Ein Glossar, Register und eine Liste mit Bezugsadressen schließen das Buch ab.
Die meisten Menschen verwenden Kräuter in der Küche, ob nun frisch aus dem Beet oder Topf, getrocknet oder tiefgekühlt. Kräuter gehören zum Kochen dazu und in einem Buch über "Kräuter für Genuss, Gesundheit und Küche" wird der durchschnittliche Leser wahrscheinlich weniger erwarten, neue Kräuter vorgestellt zu bekommen, als vielmehr seine Kenntnisse über Verwendungsmöglichkeiten bereits bekannter Kräuter und Möglichkeiten der Konservierung zu erweitern. Unter den Küchen- und Gewürzkräutern findet man dann auch vor allem alte Bekannte: Knoblauch, Dill, Kerbel, Lorbeer oder Rosmarin sind nur einige von ihnen. Auch unter den Duft- und Aromakräutern wird man nicht allzu viel Neues entdecken: Der Lavendel ist zum Beispiel dabei, die Indianernessel und die Zitronen-Verbene. Für nicht so bewanderte Kräuterkenner wird die Eberraute vielleicht eine Neuentdeckung sein oder auch die Italienische Strohblume. Auch die Heil- und Arzneikräuter beherbergen eher bekannte Pflanzen, allerdings wird deren Verwendung für viele Menschen sicher neu und ungewohnt sein. Hier findet der Leser dann beispielsweise Frauenmantel, Gänseblümchen und die Stängellose Primel.
Mehr als der Umfang der vorgestellten Kräuter interessieren aber, wie gesagt, die Informationen, die zu den Kräutern gegeben werden. Die Texte zu Beginn des Buches, über die Anlage eines Kräutergartens beispielsweise, sind weniger hilfreich, bleiben meist oberflächlich und selbstverständlich. Wirklich hilfreiche Tipps und Tricks sollte man hier eher nicht erwarten. Doch wie sieht es mit den Portraits der einzelnen Kräuter aus? Sind die informativer, hilfreicher? Leider nur teilweise. Zum einen erhält man hier Informationen zu gärtnerischen Aspekten wie Höhe, Umfang, Winterhärte, Vermehrung sowie notwendige Boden- und Lichtverhältnisse. Andererseits sind die interessanten Informationen, also vor allem die zur Verwendung, eher kurz und knapp und vor allem allgemein. Zur Minze beispielsweise steht geschrieben, dass frische Minzblätter als Würzkraut für süße, salzige und pikante Speisen und Gerichte verwendet würden, dass Minze das traditionelle Gewürz für Lammfleisch sei und dass man aus dem Aufguss der Blätter einen Kräutertee herstellen könne. Das heißt, konkrete Informationen und Rezepte beispielsweise für marokkanischen Tee, der kein reiner Minztee ist, in dem marokkanische Minze jedoch eine bedeutsame Rolle spielt, muss man sich selber suchen. Ebenso wenig findet man ein Rezept für die traditionelle Minzesoße zum Lammfleisch. Damit ist das Buch nicht mehr als ein reiner und ganz allgemein gehaltener Überblick, der dem Titel überhaupt nicht gerecht wird. Viele Fragen, die man als Leser hat, fehlen. Beispielsweise: Verändert sich das Aroma eines bestimmten Krauts durch die Blüte, muss ich also dieses Kraut vor der Blüte ernten? Oder was für Pflanzenkrankheiten kommen besonders häufig vor und was kann man dagegen tun?
Zudem ist die Struktur des Buches mehr als merkwürdig. Nach welchen Kriterien die einzelnen Pflanzen der ein oder anderen Überschrift zugeordnet worden sind, erschließt sich nicht immer. So kann man sich beispielsweise fragen, was das hochgiftige Maiglöckchen im Bereich der Heil- und Arzneikräuter macht. Das Gift des Maiglöckchens, das im Buch natürlich erwähnt wird, wird zwar in der Medizin, insbesondere bei der Behandlung von Herzinsuffizienz eingesetzt, sollte aber wohl kaum selbstdosiert zu Hause aus dem Garten eingenommen werden - was natürlich auch keine Empfehlung des Buches ist! Im Buch wird vorgeschlagen, die Blütenstängel zu trocknen und in Potpourris oder Trockenblumensträußen zu verwenden.
Wer ein Buch über Kräutern sucht, dabei Wert auf konkrete und vielfältige Verwendungsvorschläge wie beispielsweise Rezepte legt und dazu umfassende Informationen zu Anbau, Pflege und Ernte sucht, sollte eher auf ein anderes Buch zurückgreifen. Das hier vorliegende ist zwar wirklich schön aufgemacht - die Fotos von Deirdre Rooney sind toll -, kommt aber, was die Informationsausbeute betrifft, nicht über ein Coffee Table Book hinaus. Und wenn man auf der letzten Seite dann schließlich liest:
"Dieses Buch richtet sich an Gartenfreunde. Dementsprechend wurden die hier beschriebenen Kräuterpflanzen nach ihrem dekorativen Wert im Garten und/oder ihrer historischen Bedeutung ausgewählt", und dies in Beziehung zum Titel setzt, bleibt die Frage, welche Zielgruppe das Buch denn nun eigentlich anstrebt, ungeklärt. Schade.