Die Geschwister Gaia und Tal wachsen wohlbehütet auf einem hochgelegenen Felsplateau auf. Niemals verlässt das dort lebende Volk das Plateau und steigt hinab in die unteren Ebenen oder gar in die Städte des Reiches Assalay. Das Leben läuft zwar mehr schlecht als recht, seit die reichen Goldvorkommen von Arimaspea erschöpft sind, aber trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, das ungeschriebene Gesetz zu brechen und hinabzusteigen in die fremde und sicher feindselige Welt dort draußen.
Die Familie von Gaia und Tal ist arm; das Einzige, was Gaia besitzt, ist ein altes Amulett aus Elfenbein, das seit Generationen jeweils der ältesten Tochter der Familie vermacht wird. Angeblich soll es Wohlstand und Glück bringen, aber der Überlieferung nach nur, "wenn es am rechten Ort gelesen wird". Doch die seltsamen Schriftzeichen auf dem Amulett kann ohnehin niemand der Einwohner lesen, und so sieht die dreizehnjährige Gaia das Amulett als nettes, aber wohl wertloses Schmuckstück.
Dann aber wird die Aufmerksamkeit eines der obersten Monarchen auf Arimaspea gelenkt, und wenig später fallen Sklavenhändler auf dem Hochplateau ein und nehmen alle Kinder und Erwachsenen mit, unter ihnen auch Gaias und Tals Mutter Mai. Nun müssen Gaia und Tal zum ersten Mal ihre Heimat verlassen und sich in ungewisse Abenteuer in der Fremde stürzen. Werden sie ihre Mutter jemals wiedersehen? Und was hat es mit dem seltsamen Amulett auf sich?

"Das geheimnisvolle Amulett" ist der erste Teil der Assalay-Trilogie von Tracey Matthias. Die Geschichte an sich ist nicht wirklich neu und folgt bekannten Motiven aus Fantasy und Märchen: Zwei arme Kinder sind durch einen Schicksalsschlag auf sich gestellt, müssen viele gefährliche Abenteuer meistern und erfahren schließlich, dass ihr Schicksal eng mit der Geschichte von Assalay verknüpft ist, was sich durch ein altes Amulett offenbart. Zwar schreibt Matthias durchaus ansprechend und liebevoll, aber insgesamt ist es doch schade, dass die Autorin hauptsächlich auf Altbewährtes gesetzt hat. Einige Ideen sind originell, werden aber nicht wirklich weiter verfolgt - etwa die interessante Tatsache, dass die Bewohner Assalays eng mit dem Mond verbunden sind und ihre Kraft aus dem Mondlicht schöpfen. So hat der Mond in Assalay in jedem Monat einen anderen Namen und die Menschen halten sich nie in Räumen ohne Fenster auf, damit sie nicht die Verbindung zum Mond verlieren. Auch die Drachen, die am Anfang auftauchen, wären bestimmt eine spannende Sache gewesen, aber nach dem Einstieg hört man nie wieder etwas von ihnen.
Ansonsten setzt Tracey Matthias auf eine Handlung, die man so oder ähnlich schon häufig gelesen hat. Schade ist auch, dass die beiden Kinder Gaia und Tal, die sich ja zum ersten Mal in die weite Welt hinausbegeben, sich gar nicht so verhalten. Alles läuft ziemlich glatt für die beiden, Schwierigkeiten lösen sich rasch in Wohlgefallen auf, denn fast immer gibt es freundliche und wohl gesonnene Helfer, die zufällig in die Handlung verwickelt werden. Etwa ab der Hälfte wird es dann doch noch merklich spannender, aber manchmal wirken Gaia und Tal einfach ein wenig gefühlsarm - zum Beispiel denken sie kaum an ihre Mutter, während sie sich durch fremde Wälder und Städte schlagen, und auch das Wiedersehen fällt relativ kurz und nicht besonders emotional aus. Hier hätte man noch weit mehr aus den Charakteren herausholen können.
Aufgewertet wird die wenig überraschende Geschichte aber immerhin durch die Lesung von Thorsten Michaelis, der einfach eine perfekte Geschichtenerzählerstimme hat und dafür sorgt, dass man bis zum Ende durchhält und hören will, was es mit der Geschichte von Gaia und Tal auf sich hat.

"Assalay - Das geheimnisvolle Amulett" ist schön geschriebene Fantasykost für zwischendurch, die insgesamt altbewährten Strickmustern folgt und daher leider nur mäßig spannend ist, Kindern aber durchaus gefallen wird. Die tolle Lesung von Thorsten Michaelis kann auf jeden Fall überzeugen!