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 Cursed Mountain

Verlag: Koch Media

Cover
Gesamt +++--
Action
Anspruch
Aufmachung
Bedienung
Bildqualität
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Konsequenter als je zuvor versucht Nintendo sein Image als braver, familienorientierter Spielehersteller zu relativieren und Entwicklerstudios für Ego-Shooter, Kriegsspiele und Splatter-Games an Bord zu holen, um auch Core-Gamern die Wii schmackhaft zu machen. Dies gilt auch für die Survival-Horror-Sparte, wo nun die Entwickler von Deep Silver gehörig mitzumischen gedenken. Ihr Rezept: Das Himalaya-Gebirge als Setting, einen kräftigen Schuss buddhistische Mythologie, dazu noch eine Prise tibetische Dämonologie, das Ganze auf kleiner Horror-Flamme köcheln lassen und voilà: „Cursed Mountain“ ist angerichtet. Doch Vorsicht: Wer einen neuen Meilenstein für Nintendo Wii zu wittern glaubt, der verbrennt sich schnell den Mund!

Der Spieler übernimmt die Kontrolle über den erfahrenen Bergsteiger Eric Simmons, der von dem undurchsichtigen Expeditionsorganisator Edward Alexander Bennett angeheuert wird, um den gefährlichen Chomolonzo, den heiligen Berg der abergläubischen Sherpas, zu erklimmen – ein Unterfangen, das noch jeder Bergsteiger mit dem Leben bezahlt hat. Bennett vermutet auf dem Gipfel des Berges das Terma, ein uraltes Artefakt aus der buddhistischen Mythologie, das ewiges Leben verspricht. Eric lehnt zunächst ab, doch Bennett eröffnet ihm, dass er zuvor schon Erics jüngeren Bruder Frank angeworben hat; dieser sah in der Besteigung des Chomolonzo die Möglichkeit, aus dem Schatten seines älteren und erfolgreicheren Bruders hervorzutreten, doch gilt er nun als vermisst. Auf dem Weg zum Gipfel durchquert Eric verlassene Klöster und wie ausgestorben wirkende Bergdörfer und wird schon bald mit dem Grund hierfür konfrontiert: Geister und dämonischen Gestalten suchen die Bergwelt heim und trachten Eric nach dem Leben. Hat sein Bruder Frank den Zorn des heiligen Bergs heraufbeschworen?

Die Entwicklung des Spiels war noch nicht abgeschlossen, doch sämtliche Spieleportale und einschlägigen Magazine waren sich längst einig: Mit „Cursed Mountain“ bringt Deep Silver den Wii-Titel des Jahres heraus! Allein das Setting versprach eine außerordentliche Bereicherung für das Genre des Survival Horrors: Ein einsamer Bergsteiger trotzt auf der Suche nach seinem Bruder Schnee und Kälte und verfängt sich mit jedem Schritt Richtung Gipfel tiefer in einem Netz buddhistischer Schamanie und tibetischen Aberglaubens. Die Entwickler haben die Chöd-Tradition – eine schamanistische Lehre innerhalb des tibetischen Buddhismus, die das Ego als Ursache des weltlichen Leidens sieht – und das Tibetische Totenbuch als spirituellen Hintergrund für das Game herangezogen und sich ausgiebig damit beschäftigt, um eine mythologisch-religiös dichte Atmosphäre zu garantieren. Die ersten Schritte auf dem virtuellen Berg scheinen die Hoffnungen zu bestätigen; doch mit jedem Höhenmeter, den der Couch-Bergsteiger mit seinem Wiimote-Eispickel zurücklegt, entpuppen sich die schillernden Lobeshymnen als durch Sauerstoffmangel hervorgerufene Halluzinationen.

Spannung ist das große Schlagwort, das in „Cursed Mountain“ hochgehoben wird. Schon in den ersten Levels wird eine unglaublich dichte Atmosphäre aufgebaut, die den Spieler schnell alles um ihn herum vergessen lässt: Man steuert Eric Simmons durch die leeren verwinkelten Gassen eines Bergdorfes, die Fahnen flattern unruhig im Wind, das Wasser eines Kanals rauscht gleichmäßig am erfahrenen Bergsteiger vorbei, doch weit und breit keine Menschenseele in Sicht. Eric biegt in die nächste Gasse ein und plötzlich verändert sich das Szenario: Die Kamera neigt sich leicht zur Seite, das Bild wechselt in ein körniges Zwielicht, ein Mark und Bein durchdringendes Wispern schleicht sich scheinbar von allen Seiten an den Bergsteiger heran. Einige Meter weiter endet der Spuk wieder so schnell, wie er begonnen hatte. Bloße Einbildung? Die Antwort folgt einige Gassen weiter, wenn eine durchsichtige Gestalt auftaucht und Eric ans Mieder respektive an die Daunenjacke geht. Nichts weiter als der Auftakt zu einem Horrortrip mit Gänsehaut-Prädikat: Geister tauchen ohne Vorwarnung hinter Eric auf, ganze Horden an Phantomen umzingeln den Bergsteiger und geflügelte Dämonen entführen einen in eine Welt jenseits von Licht und Schatten, wo man ums nackte Überleben kämpfen muss. Dazwischen wird man immer wieder von scheinbar zusammenhangslosen Visionen regelrecht überfallen, die in Standbildern erzählt werden und die erst mit jedem weiteren zurückgelegten Höhenmeter ihren tieferen Sinn offenbaren. Der Score untermalt die düstere Stimmung, die sich im Himalaya immer weiter aufbaut; er schwingt stets im Hintergrund mit, ohne auch nur ein einziges Mal aufdringlich zu wirken.

Natürlich steht man dem Feind nicht hilflos gegenüber: Sehr früh im Spiel erhält Eric den Eispickel seines verschollenen Bruders, der in einem Ritual gesegnet worden ist. Mit ihm ist es möglich, den Geistern und Ungeheuern Schaden zuzufügen. Hierbei bleibt es dem Spieler überlassen, ob er die Spukgestalten in einem Ritual erlösen oder sie einfach ohne Umwege zum Teufel – oder was auch immer die Chöd-Lehre an seiner Stelle kennt – jagen will. Bei ersterem schwächt man den Gegner zuerst, um danach eine eingeblendete Folge von Gesten mit Wiimote und Nunchuk nachzuahmen; unterlaufen dem Spieler keine Fehler, wird der Dämon von dieser Welt entbunden und seine Lebensenergie geht auf Eric über. Ist man also nach einem Bosskampf schwer angeschlagen, lohnt es sich, die darauf folgenden Kämpfe mit Ritualen zu bestreiten. Im weiteren Spielverlauf erhält Eric magische Aufsätze für seinen geweihten Eispickel, die Energieblitze und dergleichen werfen können.

Gerade in den Ritualen offenbart sich die größte Schwäche von „Cursed Mountain“: Die Steuerung ist überaus träge und die Bewegungserkennung ist bedauerlicherweise alles andere als reibungslos. Allzu oft werden die Gesten nicht erkannt, so dass man ein Ritual von neuem beginnen kann; nach einigen Fehlschlägen und eingebüßter Lebensenergie hat man einfach genug und schlägt mit der Wii-FB missgestimmt auf den Geist ein. Die Steuerung als Ganzes erinnert stark an jene von „Resident Evil 4“ für Nintendo Wii: Mit dem Analogstick des Nunchuks steuert man Eric Simmons durch stimmungsvoll, aber linear gestaltete Levels, mit gedrücktem Z-Knopf bewegt er sich schneller, mittels C-Button kommt das „Dritte Auge“ zum Einsatz, mit dem man ins Zwischenreich blicken kann; die Plus-Taste öffnet das Inventar, der Minus-Button dient zum Überspringen von Zwischensequenzen. Trotz der exzellenten Bedienungsvorlage, die Capcoms Kultschocker liefert, wurde die Steuerung verpatzt: So kann man sich etwa nicht schnell um hundertachtzig Grad drehen, was in den Kämpfen besonders zum Nachteil gereicht. Auch agiert die Spielfigur hier und da träge, wenn man eine Combo von Eispickelschlägen setzen will, die entsprechenden Befehle aber im Spiel nur unzureichend und mit Verzögerung umgesetzt werden. Hinzu gesellt sich noch eine stellenweise übergenaue Kollisionsabfrage: Wenn man auf einem gepflasterten Weg in einem Kloster plötzlich auf der Stelle läuft, weil die Steinplatte vor der Spielfigur um fünf Millimeter höher ist als die anderen, dann nervt das gewaltig.

Zu der bereits angesprochenen atmosphärischen Dichte trägt neben dem gelungenen Soundtrack die vorbildliche Grafikengine bei, welche die Bergwelt detailliert ins Wohnzimmer bringt. Von einem ganz anderen Kaliber ist hingegen die Spielmechanik: Das Himalaya-Gebirge ist ein akutes Rätsel-Notstandsgebiet, die Handvoll Denkaufgaben gehen nicht über das Finde-Schlüssel-und-öffne-Tür-Schema oder die nicht minder einfallslose Besiege-Gegner-um-Siegel-im-Nebenraum-zu-brechen-Formel hinaus. Auch beschränkt sich das Spiel allein auf die Geisterjagd, die Bergsteiger-Einlagen gegen Ende des Spiels werden schnell monoton und strecken das Spiel unnötig. So fesselnd „Cursed Mountain“ dank der gelungenen Atmosphäre und der vortrefflich gesetzten Schockmomente auch ist, die letzten beiden Kapitel – inklusive Finale – haben nur wenig zu bieten und lassen den Spieler mit einem schalen Geschmack auf der Zunge zurück. Auch gibt es kein wirkliches Motivationspotential, um ein weiteres Mal auf Geisterjagd zu gehen; freischaltbare Zusatzinhalte sucht man vergeblich.

Der große Gipfelstürmer ist Deep Silver mit „Cursed Mountain“ nicht gelungen, dafür wurde einfach zu viel Potential in die Luft geschossen. Eine unheimlich dichte Atmosphäre und ein vortrefflich eingefangenes Ambiente retten das Spiel aber vor einem unsanften Sturz in die Gletscherspalte bedeutungsloser Wii-Titel. Wer mit den Mängeln in Steuerung und Gameplay leben kann, der erwirbt mit „Cursed Mountain“ einen leidlich kurzweiligen Himalaya-Schocker. Aber Vorsicht: Sauerstoffflaschen sind nicht im Preis inbegriffen!

Michael Höfel



Konsolenspiel | Erschienen: 21. August 2009 | FSK: 16 | Originaltitel: Cursed Mountain | Wii | Preis: 48,95 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch | Verfügbare Sprachen: Deutsch

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