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Bis sie selbst vor ein paar Jahren von einem Werwolf angegriffen und in eine Werwölfin verwandelt wurde, wusste Anna nicht, dass es solch mystische Wesen wie Gestaltwandler, Vampire und Hexen überhaupt gibt. Und eigentlich wünscht sie sich, niemals von ihnen erfahren zu haben. Im Rudel, dem sie angehört, nimmt sie nämlich den untersten Rang ein: Die anderen Wölfe dominieren und missbrauchen sie.
Da sie schwächer ist jedes andere Mitglied des Rudels, fügt sie sich in ihr Schicksal. Bis sie in der Zeitung von einem jungen Mann liest, der spurlos verschwunden ist. Anna weiß, dass ihr Rudel den Fremden zum Werwolf gemacht und anschließend verkauft hat. Das ist der Punkt, an dem sie all ihren Mut zusammen nimmt und den Marrok kontaktiert, den Anführer aller Werwölfe in Amerika, der weit entfernt tief in den Wäldern von Montana bei einem anderen Rudel lebt. Der Marrok versichert ihr, dass sie mit ihrem Anruf richtig gehandelt hat und schickt seinen eigenen Sohn Charles zu ihr, damit er die Vorgänger in ihrem Rudel genauer unter die Lupe nimmt.
Als Charles bei Anna eintrifft, ist er entsetzt. Ihm ist klar, dass ihr Rudel die junge Werwölfin niemals so hätte unterdrücken und misshandeln dürfen. Außerdem fühlt er sich gleich von ihr angezogen. Er erkennt, dass Anna eine jener seltenen Omega-Wölfinnen ist, die außerhalb der Rangordnung eines Rudels stehen und deren besondere Fähigkeit es ist, beruhigend auf andere Wölfe zu wirken. Auch Anna ist sofort von Charles fasziniert, der zwar ebenfalls ein dominanter Alpha-Werwolf ist, sie gleichzeitig aber mit einem Respekt behandelt, den sie nicht gewohnt ist. Gemeinsam machen sie sich zunächst daran, herauszufinden, was in Annas Rudel schief läuft - und weshalb …
Patricia Briggs siedelt “Schatten des Wolfes” in der gleichen Welt an wie ihre Bestseller-Reihe um die Gestaltwandlerin Mercedes Thompson. Diese bekommt zwar im vorliegenden Roman keinen Auftritt zugedacht, dafür begegnen Fans jedoch einige anderen Figuren, die man bereits im Verlauf von Briggs Urban Fantasy-Reihe kennengelernt hat. Gekonnt achtet die Autorin darauf, den Auftakt ihrer neuen Serie deutlich genug auf eigene Beine zu stellen, die Vorkenntnisse aus den Mercy-Romanen nicht erforderlich macht, die für sich stehen kann, ohne wie ein liebloser Abklatsch zu wirken – und die dennoch viele neue Details aus der Welt von Mercy vermittelt, damit Fans Gefallen daran finden. Besonders gut gefällt die Entscheidung des Verlags, im Buch auch die Novelle “Alpha & Omega” zu veröffentlichen, die in den USA eigentlich in einer separaten Anthologie erschienen war, die aber erzählt, wie sich die Serienhelden Charles und Anna kennengelernt haben. Ohne diese wäre es zwar nicht unmöglich, aber schwierig, dem Roman selbst zu folgen.
Insgesamt geben Anna und Charles ein nettes Paar ab. Und dieser Punkt an der Geschichte scheint auch Patricia Briggs Hauptaugenmerk gewesen zu sein, als sie die “Alpha & Omega”-Reihe entwickelt hat. “Schatten des Wolfes” geht wesentlich stärker in die Richtung Liebesroman als “Ruf des Mondes” und dessen Nachfolger. Die sich langsam aufbauende Beziehung der beiden Protagonisten steht eindeutig im Mittelpunkt. Wer als Urban Fantasy-Leser zum Buch greift, wird gerade in der ersten Hälfte das Gefühl haben, seine Geduld würde gar strapaziert werden. So interessant es ist, mehr über das Rudelverhalten und die Regeln eines Werwolf-Packs zu erfahren, Briggs zieht ihre Geschichte eine ganze Weile, bis sie ins Rollen kommt. Im Roman selbst geht es nämlich eigentlich darum, dass sich Anna und Charles, nachdem sie in dessen Heimatdorf Aspen Creek angekommen sind, gemeinsam in den winterlichen Wäldern Montanas auf die Jagd nach einem abtrünnigen Werwolf begeben – und es mit der Macht einer gefährlichen schwarzen Hexe zu tun bekommen. Diese Passagen, sobald Anna und Charles auf die Antagonistin des Buches treffen, lesen sich dann wieder gewohnt spannend und machen Lust darauf, mehr aus der Welt der Hexen zu erfahren.
“Schatten des Wolfes” wurde von Regina Winter übersetzt, die bereits die ersten Mercy Thompson-Bücher ins Deutsche übertragen hat. Die Kontinuität innerhalb der Bücher bleibt also gewahrt, überraschenderweise hakt Winters sonst so beeindruckende Übersetzung diesmal aber ein bisschen. Das fällt gerade in der Novelle auf, gibt sich dann im Verlauf des Romans beziehungsweise gewöhnt man sich daran: schade, aber noch verschmerzbar.
Insgesamt stellt das neue Briggs-Buch eine sich langsam entwickelnde Liebesgeschichte dar, die mit Mystery-Elementen garniert ist. Ein Roman also für Liebhaber dieses Genres – und natürlich für Fans der Autorin.