Es gibt Städtenamen, die bis heute von der Aura des Geheimnisvollen umweht werden; Städte, deren Geschichten bis in unsere Tage erzählt werden und die unsere Geistesgeschichte nachhaltig geprägt haben: Theben und Babylon gehören dazu, Jerusalem und Athen, Alexandria, Rom und Konstantinopel, und auch das chinesische Ch'ang-an. Es sind die Metropolen der Antike und des Mittelalters, die viel besungen wurden, verehrt und verflucht, und auf deren Spuren sich noch heute so mancher Archäologe begibt. Denn ihre letzten Geheimnisse haben diese alten Städte noch immer nicht preisgegeben ...

Ein hübscher Sammelband aus dem Insel-Verlag ermöglicht es nun, sich selbst auf Spurensuche zu begeben. Namhafte Historiker haben hier versucht, in kompakten Kapiteln die Essenz jener Städte mit den klangvollen Namen zusammenzufassen und ihre Faszination zu erklären.
So schreibt Günter Burkard über das hunderttorige Theben, dessen Pyramiden schon in der Antike als "zeitlos" galten und bis heute Touristen anziehen. Er zeichnet den Aufstieg und Fall der ägyptischen Hochkultur nach, dessen Zentrum immer und stets Theben war, und zeigt, wie sehr allein die Imagination jener Stadt ganze Völker prägte.

Walther Sallaberger hingegen schreibt über die "Hure Babylon", die nicht minder einflussreich war, die in die Bibel als Sinnbild alles Sündhaften und Heidnischen eingegangen ist und bis in die Zeit Saddam Husseins als machtvoller ideeller Bezugspunkt überdauerte.
Der Sinologe Hans van Ess wiederum berichtet von der chinesischen Stadt Ch'ang-an, der Wiege der Shang-Dynastie, die jahrhundertelang die Hauptstadt Chinas war und mit ihrer berühmten Hochschule die Bildung des gesamten Reichs prägte - bis sie dann später von Peking abgelöst wurde und zur einer unbedeutenden Provinzstadt wurde. Doch ihr Zauber wirkt bis zum heutigen Tag, und ihren Name spricht jeder Chinese mit Ehrfurcht aus.

Auch die restlichen Kapitel entfalten die historische Dimension der entsprechenden Stadt, denn stets haben es die Autoren verstanden, ihre Bedeutung in großem Rahmen zu erfassen und für den Leser verständlich zu präsentieren. Im Zentrum stehen dabei immer die Geistesgeschichte und die Frage, inwieweit sie durch diese Metropolen geprägt wurde. Dabei spannt sich ein großer Bogen vom Orient zum Okzident und lässt den Leser erahnen, wie sehr auch unsere Geschichte von den Vorvätern mitgeprägt ist. Ein ergreifendes, kluges Buch, das einer kontemplativen Reise zu den Stätten der Antike und des Mittelalters gleicht.