Gesamt |
|
Aufmachung | |
Gefühl | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Heiligabend. Vincent verlässt eine Kneipe, weil die um 19 Uhr schließt. Da er keine Lust hat, mit anderen einsamen Zeitgenossen in irgendeiner Spelunke, die am Heiligen Abend offen ist, vor sich hinzudämmern, beschließt er, nach Hause zu gehen. Dort erwartet ihn eine junge Einbrecherin, mit der er sich anfreundet.
Ekki ist fünfzig und zwangspensionierter Lateinlehrer. Die Kneipe, die Vincent gerade verlassen hat, ist seine Stammkneipe. Bevor sich Ekki auch auf den Heimweg macht, erzählt er der Kellnerin Mini noch eine Geschichte aus dem Römischen Reich.
Julia verlässt an Heiligabend ihren Mann Uwe König. In einem Hotelzimmer schläft er aufgrund der Ereignisse erst frühmorgens ein.
Mit diesen drei kurzen Weihnachtsgeschichten startet Helmut Krausser in seinen Roman über das Leben im Großstadtdschungel, der in kurzen Episoden Zufälligkeiten einfängt. Neben Vincent, Ekki und den Königs trifft man beispielsweise auf Dr. Stern, seine Sekretärin, die auch seine Geliebte ist, und seine Frau, die von seiner Geliebten weiß. Oder auch auf Swentja, die ein verlockendes Angebot von Mahmud erhält und ernsthaft überlegt, ihren "Jesus-liebt-mich-Johnny" zu hintergehen. Und so stehen scheinbar zusammenhanglose Geschichten nebeneinander. Hin und wieder jedoch knüpft Krausser Verbindungen, seien sie auch noch so klein, wie der zufällig zeitgleiche Besuch derselben Kneipe. In einzelnen, kurzen Episoden werden die Figuren und ihre Geschichten vorgestellt und in späteren Kapiteln erneut aufgegriffen. Sehr unterhaltsam und ziemlich rasant führt Krausser den Leser so auf eine Reise durch die verschiedenen Gesellschaftsschichten Berlins: Migranten, Doktoren, Callboys, strenggläubige Protestanten, Ex-Balletttänzerinnen, Kellnerinnen und Lateinlehrer ... Sie alle sind mit ihren Alltagsproblemen und -problemchen im Buch verewigt. Doch nicht nur das, Krausser flicht geschickt die Verknüpfungen ein, wirft einen Blick von oben auf das scheinbare Wirrwarr menschlicher Beziehungen, schafft so eine gewisse Ordnung, aber nicht zu sehr, und lässt Hoffnungsvolles neben Traurigem, Groteskes neben Alltäglichem und Ernsthaftes neben Lächerlichem stehen und zeigt so die individuellen Parameter des menschlichen Alltags, gänzlich unbewertet und unkommentiert. Das ist schön, und das ist unterhaltsam.