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München im Jahr 1319: Das Geschäft der Flößer ist ein hartes, das weiß Jakob Krenner, der schon viele Jahre die Isar Richtung München befährt. Dass dieses Geschäft auch ein gefährliches ist, weiß er ebenso – er kann jedoch nicht ahnen, wie gefährlich. Erst wird er bei einer Lieferung für die Kaufmannsfamilie Pütrich niedergeschlagen und der Ware und des Floßes beraubt und muss sich als Mitschuldiger vor dem Gericht verantworten, obwohl er halbtot ist. Kurze Zeit später findet man seine Leiche in einem Fass, treibend an der Lände, wo die Flöße anlegen. Ein Strick um seinen Hals kündet von Selbstmord.
Der junge Peter Barth, der als Landpfleger arbeitet, und sein bester Freund, der väterliche Paul, glauben aber nicht so recht daran, dass Jakob sich selbst umbrachte. Der ruhige, in sich gekehrte Flößer hatte Frau und Kinder, auf ihn war stets Verlass und er machte den Eindruck eines ehrlichen Burschen. Warum sollte er erst den Kaufmann Pütrich um seine Ware betrügen, wo er doch gutes Geld auf ehrlichem Wege damit verdient hätte, und sich dann erhängen? Schnell finden die beiden Freunde heraus, dass es Mord war. Seltsame Zettel bei Jakobs Leiche legen den Verdacht nahe, dass hier böse Kräfte am Werk sind. Ein Psalm sowie ein Zauberspruch bei einem Toten, das kann nur Unheil bedeuten.
Peter macht sich mit der Hilfe Pauls daran, diesem Rätsel auf die Spur zu kommen. Aber noch während der junge Mann Jakobs Witwe von dem Verlust berichtet, geschieht ein weiterer Mord im beschaulichen München …
Den "Wachsmann“ mit Umberto Ecos Meisterwerk „Der Name der Rose“ zu vergleichen, wie es eine Pressestimme auf der Buchrückseite tut, mag zwar etwas zu viel des Guten sein; dennoch kann man dem historischen Roman von Richard Rötzer so einige Eigenschaften zugute halten, die auch auf Ecos Bestseller zutreffen. Und tatsächlich zeigt sich „Der Wachsmann“ sogar ein bisschen zugänglicher als William von Baskervilles Abenteuer in der Benediktinerabtei – vergleichen sollte man beide dennoch nicht.
Zeit und Ort nehmen den Leser nach einem Prolog, der den historischen Kontext kurz beschreibt und eine sehr geheimnisvolle Szene beinhaltet, recht schnell gefangen. Es dauert nicht lange, und man fühlt sich vollkommen in die damalige Zeit versetzt. Dass Rötzer seinen Charakteren eine gewisse Umgangssprache angedeihen lässt, verstärkt dieses Gefühl und baut eine packende Atmosphäre auf. Hinzu kommt die Einbindung realer existierender historischer Persönlichkeiten oder deren leichte Abwandlung, um sie in die Geschichte zu integrieren. Damit wird „Der Wachsmann“ ist wesentlich anspruchsvoller zu lesen als so mancher romantisch-naiver historische Roman, kann gleichzeitig aber auch das Geschehen wesentlich authentischer wiedergeben.
Obwohl das Thema um Glaube und Aberglaube ein ernstes ist und die Morde nicht gerade appetitlich geschildert werden, versäumt es der Autor nicht, immer wieder leisen, zumeist hintergründigen Humor einfließen zu lassen, der das Geschehen auflockert und gut unterhält. Zudem wachsen einem die Charaktere schnell ans Herz, sind sie doch glaubwürdig und lebendig gezeichnet. Vor allem Protagonist Peter fesselt den Leser an sich, und man fiebert mit jedem seiner Schritte auf der Suche nach dem Täter – oder den Tätern? – mit.
Worauf man sich in jedem Falle einstellen sollte: Der Roman ist in der alten Rechtschreibung geschrieben. Obwohl es eine gewisse Umstellung beim Lesen erfordert, passt das Schriftbild der alten Rechtschreibung gut zu einem historischen Roman.
Wer historische Romane mit viel Atmosphäre, lebendigem Zeitgeist und anspruchsvoller Sprache mag, ist bei „Der Wachsmann“ genau richtig. Sympathische, glaubwürdige Charaktere, ein lebendiges München des 14. Jahrhunderts und ein spannender Kriminalfall geben Richard Rötzers Roman die richtige Würze und heben ihn wohltuend von den zahlreichen verkitschten historischen Romanen ab, die man zuhauf auf dem Markt findet.