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London, 1912: Ein Vierteljahrhundert ist vergangen seit den grauenhaften Ereignissen, die den jungen Anwalt Jonathan Harker, seine Verlobte und spätere Frau Mina und viele weitere Menschen in einen Strudel aus Horror und Verderben rissen. Ursache des Übels war Graf Dracula, der legendäre „Pfähler“, mit dem Mina eine unheilvolle Verbindung einging. Mit vereinten Kräften war es schließlich einer Gruppe tapferer Männer um Jonathan Harker gelungen, den Untoten zu besiegen und Mina ihrem furchtbaren Schicksal zu entreißen.
25 Jahre ist dies nun her und Quincey, der Sohn von Jonathan und Mina Harker, ist inzwischen selbst ein junger Mann. Er ahnt nichts von der düsteren Vergangenheit seiner Eltern und weiß nicht, dass sein so strenger und konservativer Vater einst einen mutigen Kampf mit dem Fürst der Finsternis ausfocht.
Doch plötzlich häufen sich in London merkwürdige Begebenheiten und es werden grauenhaft verstümmelte Leichen gefunden. Diejenigen, die vor vielen Jahren gegen Dracula fochten, sind bis auf Quincey Morris noch am Leben und werden nun erneut in den Kampf hineingezogen. Ist ihr alter Widersacher wieder da und treibt erneut sein Unwesen? Mina tut alles, damit ihr Sohn nicht ebenfalls in den Sog der Ereignisse gerät – doch vergeblich …
„Dracula – Die Wiederkehr“ trägt einen großen Namen: Gemeinsam mit Ian Holt hat kein anderer als Dacre Stoker, der Großneffe von Bram Stoker, den Roman verfasst, der eine Art offizielle Fortsetzung des bekanntesten Vampirromans der Welt darstellen soll. Tatsächlich tauchen auch alle Namen, die einem aus Bram Stokers Erzählung geläufig sind, auf: Zwar ließ Quincey Morris im letzten Kampf bekanntlich sein Leben, die anderen alten "Streiter für das Licht" - Abraham van Helsing, Arthur Holmwood und Dr. Jack Seward - werden jedoch immer noch auf unterschiedliche Art und Weise von den längst vergangenen Ereignissen geplagt, ebenso wie Jonathan und Mina Harker, deren Ehe schon lange nicht mehr glücklich ist.
Diese Fortführung mit dem inzwischen erwachsenen Sohn der Harkers, die 25 Jahre nach den Geschehnissen aus „Dracula“ einsetzt, ist eine interessante Idee, doch leider hält der Roman keineswegs, was der Name „Stoker“ verspricht. Eigentlich ist es eine Mogelpackung, die dem Leser hier präsentiert wird, denn ein Großteil der Handlung handelt nicht von Dracula, sondern von der legendären „Blutgräfin“ Erzsébet Báthory, der die beiden Autoren viel, viel Platz und viele blutige Auftritte eingeräumt haben. Und als der legendäre Graf dann endlich in Erscheinung treten darf, ist man mehr als enttäuscht, weil so gar keine angemessen schaurige oder erhabene Stimmung aufkommen will. Der Roman krankt daran, dass ihm der Zauber des Originals gänzlich fehlt; sprachlich wirkt die Geschichte sehr platt, es kommen eigentlich zu keiner Zeit echte Atmosphäre oder gar Spannung auf. Sogar wenn geschildert wird, wie beispielsweise die Báthory ein junges Mädchen foltert und tötet, wirkt das seltsam unbeholfen und unbeteiligt beschrieben. Zwischendurch stolpert noch der plumpe, aber scharfsinnige Inspektor Cotford durch die Kapitel, er ist nämlich überzeugt, in den Leichen die Handschrift von Jack the Ripper zu erkennen (womit ja dann einige der bekanntesten Gruselgestalten der letzten Jahrhunderte zwischen den Buchdeckeln versammelt wären). Die Handlung selbst besitzt trotz einiger unvorhergesehener Wendungen in keiner Weise die Eleganz und Vielschichtigkeit des Originals, sie taugt eigentlich weder als Fortführung noch als Hommage an den bekannten Genrevertreter. Ein netter Einfall ist immerhin, dass Bram Stoker selbst mit einigen autobiografischen Details in die Geschichte eingearbeitet wurde.
Fazit: „Dracula – Die Wiederkehr“ hat einerseits schon allein dadurch einen kleinen Pluspunkt verdient, dass sich der Roman thematisch von der derzeitigen Welle romantischer Teenie-Vampir-Literatur abhebt. Der Versuch, einen würdigen Nachfolger für Bram Stokers Werk zu verfassen, ist allerdings ziemlich kläglich gescheitert. Die Story ist durchschnittlich, ideenlos und wird durch den platten und dem Original überhaupt nicht angemessenen Stil noch mal ein Stück nach unten gezogen. Also Vorsicht – wo Stoker draufsteht, muss nicht unbedingt auch Stoker drin sein. Schade, wie die Figuren aus dem Original hier verheizt wurden, immerhin ist dies das erste Sequel, das von einem Mitglied der Stoker-Familie verfasst wurde.