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 Hiobs Brüder


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
England im Jahr 1147: Die Zeiten sind geprägt von Unruhen, Bürgerkrieg und dem zunehmenden Verfall der Herrschaft der königlichen Familie. Dies alles interessiert jedoch eine kleine Gruppe von Menschen, die auf einer Inselfestung vor der Küste Yorkshires eingesperrt sind, nur wenig. Sie alle sind Verstoßene der Gesellschaft und wurden deshalb auf die karge, verfallene Festung verbannt. Simon hat die Fallsucht, was ihn trotz seiner herrschaftlichen Herkunft zu einem Sonderling gemacht hat, den man aufgrund seiner vermeintlichen Besessenheit loswerden wollte. Losian, wie sie ihn auf der Insel nennen, hat sein Gedächtnis verloren – er weiß weder, wer er wirklich ist, noch woher er kommt, seit er vor drei Jahren aus einem Fieber erwachte, gekleidet in den Mantel eines Kreuzfahrers. Godric und Wulfric sind siamesische Zwillinge, die an der Hüfte zusammengewachsen sind und schon allein aus diesem Grund in den Augen der „Normalen“ keine Kinder Gottes. Luke glaubt, dass eine Schlange in seinem Bauch wohnt, die ihn von innen her auffrisst. Edmund hält sich für einen toten Märtyrerkönig, und Regy ist ein hochgefährlicher Kinderschänder und Mörder – so gefährlich, dass die anderen ihn stets an einer Kette halten. Sie alle sind durch ihr Äußeres oder ihre Krankheiten von der Gesellschaft verstoßen, eine Zweckgemeinschaft – "Hiobs Brüder" eben, denn auch Hiob wurde in der Bibel von Satan schwer geprüft und von Schicksalsschlägen, Krankheiten und anderen Katastrophen gepeinigt.

Durch eine Laune des Schicksals eröffnet sich der seltsamen und so ungleichen Gruppe eines Tages der lange ersehnte Weg in die Freiheit. Gemeinsam machen sie sich unter der Führung Losians auf eine beschwerliche Reise zurück nach Hause, doch müssen sie erfahren, dass die Welt sich geändert hat und dass sie in ihr nicht willkommen sind. Vor allem Losian beginnt bald zu merken, dass seine Vergangenheit und sein Schicksal eng mit der Geschichte Englands verknüpft sind. Ist er, ohne es zu wissen, dafür verantwortlich, dass England unter einem grauenvollen Krieg leidet?

„Hiobs Brüder“ ist das neueste Werk der erfolgreichen Autorin Rebecca Gablé. Erneut hat sie als Zeitrahmen England im Hochmittelalter gewählt. Der Einstieg in diese spannende und sehr detailliert geschilderte Geschichte ist unwiderstehlich und zieht den Hörer sofort in den Bann: Auf einer verlassenen Inselfestung haust ein ungleiches Grüppchen von Ausgestoßenen. Obwohl die Erzählung mit der Ankunft des unglücklichen Simon beginnt, ist es der erinnerungslose Losian, der sich bald als Protagonist und geborener Anführer erweist. Nach einer beschwerlichen Reise findet er endlich heraus, wer er ist – und muss sich bald eingestehen, dass sein altes Ich eine unsympathische Person war, mit der er sich nicht identifizieren kann. Zu allem Unglück war er aber in seinem alten Leben eine einflussreiche und berüchtigte Persönlichkeit. Bald muss er erkennen, dass er die Verantwortung für sich und andere übernehmen und sich seinem Schicksal stellen muss.
Besonders reizvoll an diesem Roman von Gablé ist der Teil, der von den unterschiedlichen Gefährten und ihrer Flucht berichtet; hier mutet die Geschichte wie ein mittelalterliches Road-Movie an. Wie man es von Gablés Romanen gewohnt ist, erzählt sie einerseits mit Leichtigkeit und ungeheuer fesselnd, aber eben auch mit sehr sorgfältig recherchierten historischen Details und Hintergrundwissen zu den damaligen politischen Verstrickungen – Henry Plantagenet, Kaiserin Mathilde (hier im Hörbuch Maud), Stephen de Blois - diese und viele weitere auftauchende Personen sind Gablé-Lesern und Kennern englischer Geschichte mit Sicherheit bekannt. Gablés Mammutwerk umfasst stolze 912 Seiten, und so verwundert es nicht, dass das bei Lübbe Audio erschienene Hörbuch immerhin zwölf CDs für sich beansprucht und 881 Minuten Unterhaltung bietet. Zum Glück wurden verhältnismäßig viele Tracks gesetzt, so dass man auch bei einer längeren Unterbrechung bequem wieder einsteigen kann.

Als Sprecher wurde Detlef Bierstedt – unter anderem als die sonore Synchronstimme von George Clooney bekannt – verpflichtet, und man hätte eigentlich keine bessere Wahl treffen können. Bierstedt liest lebendig und in typischer Geschichtenerzähler-Manier, durch subtile Änderungen seiner Stimme schafft er es, jedem der so ungleichen Gefährten ein eigenes Gesicht zu geben: Losian ist seiner Rolle gemäß von einer natürlichen Autorität erfüllt, aber auch von Zweifeln geplagt, Edmund, der sich ja für einen wiederauferstandenen Heiligen hält, spricht im Brustton gütiger Überzeugung, und Regys Stimme ist stets voller Wahnsinn und teuflischer Verführung. Die Lesung ist stellenweise dezent mit passenden Geräuschen unterlegt – etwa Wellenplätschern oder Regenrauschen – und wird zudem von stimmungsvoller mittelalterlicher Musik begleitet. Auch die Aufmachung lässt keine Wünsche offen; die zwölf CDs sind in zwei stabilen Klappcovern aus Pappe untergebracht, die in einem Pappschuber stecken. Die hochwertigen Klappcover sind zudem mit mittelalterlichen Motiven, Zitaten aus dem Roman und ein paar Erläuterungen illustriert.

„Hiobs Brüder“ ist genau das Richtige für Fans von Rebecca Gablé: spannend, unterhaltsam, authentisch und durch die sehr ausdrucksstarke Lesung von Detlef Bierstedt auch noch sehr atmosphärisch. Dieser historische Roman bietet über 14 Stunden angenehme Unterhaltung, die direkt ins englische Hochmittelalter entführt und ein lebhaftes Bild der damaligen Zeit und der politischen Umstände zeichnet.

Christina Liebeck



CD | CD-Anzahl: 12 | Erschienen: 9. Oktober 2009 | ISBN: 9783785741825 | Laufzeit: 881 Minuten | Preis: 29,99 Euro | Sprache: Deutsch

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