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Der große Oscar Feldman ist tot und hat zwei Familien hinterlassen: Zum einen die Ehefrau mit autistischem Sohn und seine Schwester, zum anderen seine langjährige Geliebte mit den Zwillingstöchtern und ihrer besten Freundin, die selbst heimlich in den großen Mann, wie ihn alle nennen, verliebt war.
Oscar Feldman war ein Künstler, ein Mann, der darauf spezialisiert war, weibliche Akte zu malen. Er erfasste die Frauen in ihrer wahren Gestalt und brachte sie detailgetreu, ehrlich und wunderschön auf die Leinwand. Viele seiner Models waren ihm nicht nur beruflich verbunden, sondern hatten auch Affären mit ihm. Doch die beiden dauerhaften Frauen in seinem Leben – die vernünftige Ehefrau und die sinnliche Geliebte – waren immer unangefochten.
Nun, einige Jahre nach seinem Tod, schreiben gleich zwei junge Schriftsteller an seiner Biografie. Zum ersten Mal setzen sich die Frauen aus Oscars Leben an einen Tisch und vereinbaren, nur das Beste von ihm zu erzählen, den Sockel, auf dem er steht, nicht anzutasten und vor allem das große Geheimnis um sein Werk zu bewahren. Doch es kommt anders: Das Geheimnis, nämlich dass ein Teil seines berühmtesten Bildes gar nicht von ihm gemalt wurde, sondern als Bestandteil einer Wette von seiner Schwester, kommt ans Licht. Im Folgenden nutzen die Frauen jede Gelegenheit, um für sich selbst – und in der Öffentlichkeit – endlich aufzuräumen mit dem Mythos um den großen Feldman und seine Rolle in ihrem Leben frei von romantischen Verklärungen zu betrachten.
Die Geschichte, die sich um vier Frauen spinnt, die von einem Mann verbunden werden, ist großartig. Dabei geht es gar nicht so sehr um die Handlung an sich, sondern um die starken und unterschiedlichen Frauencharaktere, die dargestellt werden. Verschiedene Lebensentwürfe, verschiedene Vorlieben, Charaktereigenschaften, Eigenheiten, Träume, Ängste und Wünsche werden von der Autorin mit Worten gemalt. Jede der Frauen, sogar die Zwillingstöchter, die sonst kaum in Erscheinung treten, erhält zumindest eine Szene, in der ihre Sicht offengelegt wird. Wie es ist, immer nur die Geliebte zu sein, den Vater der Töchter nicht anrufen zu können, wenn sie auf die Welt kommen. Wie es ist, dem Ehemann nicht geben zu können, was er braucht, ihn aber dennoch abgöttisch zu lieben. Wie es ist, im Schatten des Bruders zu stehen, von ihm nicht anerkannt zu werden. Wie es ist, als Kind zwischen einer beschützenden Mutter und einem Vater, der selten da ist, aufzuwachsen. Diese Szenen machen das Buch aus, da sie eine unglaubliche Intensität besitzen und den Leser so schnell nicht loslassen.
Doch die Handlung dreht sich nicht um die Vergangenheit, auch die Gegenwart mit der Angst vor dem Altern und einer neuen Liebe in späten Jahren wird aufgegriffen, auch wenn meist die Sehnsucht nach der Jugend in allen Worten greifbar ist.
Kunstfans kommen ebenfalls auf ihre Kosten, immerhin wird anhand der unterschiedlichen Persönlichkeiten von Oscar und seiner Schwester – einer sehr realitätsnah, die andere äußerst abstrakt zeichnend – gezeigt, wie sich die Kunstszene in New York entwickelt hat.
Ein wunderbar poetisches Buch, das den Leser mitnimmt in ein fremdes New York und in das Leben von vier bemerkenswerten Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.