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Begibt man sich auf die Suche nach Büchern, die sich mit den wirtschaftlichen Verhältnissen und der politischen Situation einzelner Länder beschäftigen, in die Buchhandlungen, findet man in der Regel eine ganz manierliche Auswahl. Im Bereich der Gegenwart und jüngeren Geschichte sind die Spitzenreiter schnell benannt: Es handelt sich hierbei um Russland und die Vereinigten Staaten von Amerika. Aber auch zu anderen Nationen gibt es eine passable Auswahl. Ist man jedoch auf der Suche nach einem Buch, das sich mit dem Balkan auseinandersetzt, hierbei das gesamte Territorium des ehemaligen Jugoslawiens umschließt und sich nicht nur auf die Zeit nach 1990 beschränkt, sieht es eher dürftig aus. Mit „Minenfeld Balkan: Der unruhige Hinterhof Europas“, veröffentlichen die beiden Autoren Olaf Ihlau und Walter Mayr ein Buch, das genau in dieses Profil passt.
Das siebzehn Kapitel umfassende Buch beginnt zunächst mit einer angemessen kurzen Einleitung, in der die Autoren die wechselvolle Geschichte des Balkans anreißen. Die folgenden Kapitel beschäftigen sich im Wesentlichen mit den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, aber auch die Situation in angrenzenden Ländern wie Albanien wird beleuchtet. Weiterführend werden Ereignisse und Personen von zentralem Interesse in den Mittelpunkt der überschaubaren Kapitel gerückt. Hierbei gehen die Autoren jedoch nicht streng chronologisch vor, die thematisch passende Gliederung steht im Vordergrund. So beschäftigen sich Ihlau und Mayr zum Beispiel eben noch mit der Geschichte Serbiens („Serbien: Gefangen im Volksmythos“), um dann die Unabhängigkeit des Kosovos noch einmal intensiver zu betrachten („Europas Sündenfall: Die Unabhängigkeit des Kosovo“).
Der Leser erhält mit dem vorliegenden Buch ein kompaktes und zugleich sehr umfangreiches Buch über die Hintergründe, Entwicklungen und die gegenwärtige Situation Ex-Jugoslawiens. Anhand von aktuellen Zahlen, Statistiken und sehr bildlichen Vergleichen, die natürlich nur eine Momentaufnahme darstellen können, vermeiden es die Autoren voreilige Schlüsse zu ziehen und geben dem Leser die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild zu machen. Hierbei sind insbesondere die Folgen des gegenseitiges Hasses, die bestehenden ethnischen Spannungen (um nicht zu sagen tief verwurzelte Feindschaften), von zentraler Bedeutung. Die Autoren gehen jedoch auch auf die Folgen der möglichen EU-Beitritte und (teilweise schon vollzogenen) Nato-Mitgliedschaften einzelner Länder des ehemaligen Jugoslawiens ein. Aber auch die Clan-Strukturen und die damit verbundenen Auswüchse der organisierten Kriminalität und Korruption werden thematisiert.
Bemerkenswert ist, dass die historischen Hintergründe solide recherchiert sind und das Buch gleichermaßen topaktuell ist. Denn, das wird schnell deutlich, auf dem Balkan findet eine rasante Entwicklung statt. Wenngleich die wechselvolle Geschichte des Balkans gut dokumentiert ist, gelingt es den Autoren, mit ihrem Buch neue Sichtweisen auf die Verhältnisse dieser Region zu öffnen. Die farbigen Karten, das ausführliche Quellenverzeichnis und die Zeittafel runden das Gebotene ab und tragen zu dem sehr guten Gesamteindruck bei.
Mit dem vorliegenden Buch gelingt es den Autoren, den interessierten Leser zu packen, ihn mit einem soliden Hintergrundwissen auszustatten und über eine Region in Kenntnis zu setzen, die nur wenige Flugstunden vom Herzen Europas entfernt ist und mit ihrem Schmelztiegel der Ethnien und Kulturen nach wie vor ein Pulverfass darstellt. Wer das Engagement der westlichen Industrienationen auf dem Balkan verstehen und nachvollziehen will, der findet mit „Minenfeld Balkan“ einen gut aufbereiteten und verständlichen Einstieg – auch wenn einige Fakten bisweilen etwas trocken präsentiert werden.