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 Das philosophische Atelier

Das interaktive Buch zum Selber-Philosophieren und kreativen Ausgestalten


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Wenn man von Philosophie spricht, scheint sich meist das Schwierige und das Unpraktische zu verbinden. Andererseits natürlich mögen sich die Feuilletons gar nicht genug die Mäuler zerreißen über die Doofheit im Allgemeinen, die Doofheit im Besonderen und über all die, die auf doofe Weise die Doofheit anprangern. Kulturelle Verdummung also hüben, und Schwierig-Unpraktisches drüben. Da hat man ja die Wahl, gelle?
Die drei Autorinnen wollen hier einen anderen Weg gehen. Zunächst grenzen sie in der Einleitung die Philosophie vom Philosophieren ab. Während die Philosophie eine Wissenschaft sei und teilweise sehr abstrakt, entspringe das Philosophieren dem gesunden Menschenverstand. Dem entsprechend wird der Nutzen des Philosophierens auch im Alltag gesehen. Es trage zur 'Selbstbemeisterung' bei.
Diese in der Einleitung dargelegten Gedanken werden von kreativen Techniken ergänzt. Die Wörter seien Ausdruck des alltäglichen Philosophierens. Dazu kommen aber auch das Zeichnen, Töpfern, Stricken und Kochen als alltägliche philosophische Praxis. Schließlich wird dem Leser das Führen eines kreativen philosophischen Journals ans Herz gelegt. Dieses geht auf die kreativen Techniken von Lutz von Werder zurück.
Nach dieser Einleitung wird in drei Abschnitten das Konzept des philosophischen Ateliers erläutert. Im ersten Abschnitt werden philosophische Hilfsmittel vorgestellt, während im zweiten Abschnitt stark an kreative Schreibtechniken angelehnte Vorschläge zum Selber-Philosophieren gegeben werden. Im abschließenden, dritten Abschnitt werden Formen des philosophischen Treffens dargelegt (also solche, aus denen auch dieses Buch entstanden ist) und das Führen eines philosophischen Journals (wie bereits von Lutz von Werder andernorts beschrieben). Eine der Autorinnen, Hannelore Wollert, stellt ganz zum Schluss sieben Themenbereiche des Philosophierens vor.

Dass die Eule der Minerva bei Nacht fliegt, wussten die Philosophen schon lange. Neu dagegen dürfte sein, dass sie aus Makramee geknüpft ist. Genau dies zu beweisen scheint das Buch angetreten. Doch was kann man auch von einem Buch erwarten, das im Untertitel 'Das interaktive [sic!] Buch zum Selber-Philosophieren und kreativen Ausgestalten' heißt?
Schon der Gedanke, Philosophie sei eine Wissenschaft wie jede andere, muss bei einem philosophisch versierten Leser auf Unverständnis stoßen. Wo immer man hinblickt, ob auf Leibniz oder auf Sloterdijk, findet man die Integration verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Was man von den einzelnen philosophischen Ansätzen auch halten mag, so kann man insgesamt deutlich nicht von der Philosophie als einer Disziplin neben allen anderen sprechen. Sie ist immer auch Integration von Disziplinen.
Man kann eine Menge solcher kruden Aussagen aus diesem Buch auflisten. So findet sich im ersten Abschnitt die Technik der 'philosophischen Leiter', in der das Staunen mit dem Abstrakten, der Alltagstest philosophischer Gedanken mit dem Besonderen gleichgesetzt wird. Diese Leiter klettere man, so die Autorinnen, über das Antworten, Zweifeln und Fragen als Zwischenschritte hoch und runter. Das mag sich zunächst irgendwie klug anhören, weil es gleichzeitig so erstaunlich klingt. Tatsächlich besagt dieses Schema aber gar nichts. Dann wird noch die Induktion und Deduktion draufgepackt, zwei Formen des Schlussfolgerns. Wer hier mehr als eine Mischung aus hübschen und beeindruckenden Worten erwartet, wird rasch eines besseren belehrt. Ein kurzer Blick - um nur ein Beispiel zu nennen - in Hegels Logik zeigt, dass alles, was in diesem Text dazu gesagt wird, purer Unfug ist.
Das Buch beschwört zudem ständig den Alltag und das Alltagspraktische. Die Aussage, es gäbe eine praktische Philosophie, die Ethik (eigentlich: die Lehre vom guten Zusammenleben), wird durch weitere Aussagen innerhalb des Buches konterkariert. Ebenso findet man die Ästhetik (eigentlich: die Lehre von der Wahrnehmung) und die Poetik (eigentlich: die Lehre vom 'guten' Schaffen) als 'praktische' Aspekte der Philosophie. Die Lehre von der Erkenntnis (Epistemologie), die die Philosophie so enorm beschäftigt, scheint dagegen keine Relevanz zu haben. Die Logik, als Lehre von dem 'guten', dem 'wissenschaftlichen' Denken, sei dagegen 'abstrakt' und weise 'wenig Bezug zum "richtigen" Leben' auf. Sofern dieses Buch das "richtige Leben" ist, ist das sogar wahr. Der Logik wurde von diesen schriftstellernden Parsen längst der Lebensfaden abgetrennt.
Ebenso können die Autorinnen dem gesunden Menschenverstand viel Gutes abgewinnen. Da nützen zweihundert Jahre Vernunftkritik wenig.
Wie das Alltagspraktische aussehen mag, sagt uns zum Beispiel Hannelore Wollert am Ende des Buches, wenn es um den Themenbereich Ethik geht. Ethisch sei unter anderem, dass man Bilder auch mal schief hängen lassen darf, wenn es denn einen glücklich macht. Mit schiefen Argumenten funktioniert das, so führt uns Frau Wollert drastisch vor Augen, noch viel besser, nämlich immer.
In den Autorinnen findet man - so denkt man sich - die Kompetenzen einer studierten Volkswirtin, einer studierten Pädagogin und einer studierten Philosophin vereint. Man hätte einiges erwarten können, eine spannende, tiefgreifende Auseinandersetzung, die didaktisch klug aufgebaut ist und den ungebildeten Umtrieben einen Schubs in die richtige Richtung gibt. Statt dessen wird dem üblichen Kulturquark ein neues Betätigungsfeld erschlossen: die Couch von Tante Sofie. Die letzten Bastionen abendländischer Kultur werden wohl von drei raisonnierenden Häkeldeckchen geschliffen.
Fazit: Finger weg!

Frederik Weitz



Taschenbuch | Erschienen: 30. September 2005 | ISBN: 9783937895086 | Preis: 13,50 Euro | 198 Seiten | Sprache: Deutsch

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