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Sie können kein Blut sehen? Dann Hände weg von "Dragon Age: Origins", Biowares jüngstem Streich auf dem Markt der Computerrollenspiele, das als Rollenspielhighlight des Jahres angekündigt und mit Vorschusslorbeeren überhäuft wurde. Denn in diesem Spiel wird so großzügig mit dem roten Lebenssaft umgegangen, dass "Braindead" dagegen wie ein Kindergeburtstag wirkt. Hier sind die Kämpfe blutig, und die Gefässe sprudeln wie heisse Quellen. Einen starken Magen braucht man also auf jeden Fall, wenn man "Dragon Age: Origins" spielen will. Aber ist das Game wirklich so gut, wie im Vorfeld behauptet, und steckt unter der Blutkruste tatsächlich ein gutes Rollenspiel?
Die Welt, in die uns der Blutstrom spült, wurde vor einiger Zeit von der Dunklen Brut heimgesucht, die durch ein paar megalomanische Magier erweckt wurde. Allein der Orden der Grauen Wächter, ein Zusammenschluss der Besten aller Völker (also der Menschen, Elfen und Zwerge) vermochte es damals, die Welt vor diesen blutgierigen Monstern zu befreien. Fragt sich nur, wielange. Sie ahnen es schon - die Dunkle Brut ist wieder auf dem Vormarsch, und der Spieler (alsbald selbst Teil des Ordens) muss sie aufhalten. Dazu erstellt er sich einen Charakter und kann dabei auf die genannten Fantasyvölker zurückgreifen und sich einer der drei Klassen (Magier, Schurke, Krieger) anschließen. Je nach Wahl variiert die Ausgangsposition und Startgeschichte; sechs unterschiedliche "Origin"-Geschichten geleiten einen ins Spiel. Und diese prologähnlichen Szenen sind mit das Beste, was man seit langer Zeit auf dem PC-Bildschirm gesehen hat: von epischer Wucht, mit unglaublich vielfältig gezeichneten Nebenfiguren, tollen Dialogen und glaubhaften, erwachsenen Reaktionen der jeweiligen Figuren. Diese schließen sich übrigens dem Haupthelden alsbald an; bis zu vier Mitglieder kann die Party umfassen, darunter auch exotische wie einen Kampfhund. Gelenkt wird die Truppe über die WASD-Tasten oder mit der Maus. Mit dem Scrollrad kann man entweder den Helden über die Schulter spähen oder in die Vogelperspektive hinauszoomen. Für jedes Partymitglied lassen sich übrigens Taktikeinstellungen vornehmen - wann greift er in einen Kampf ein, welche Waffen oder Tränke bevorzugt er, wen beschützt und wen heilt er? Natürlich lassen sich auch während der Kämpfe individuelle Befehle erteilen - ein Druck auf die Leertaste hält den Kampf an und ermöglicht taktische Winkelzüge.
Auch ansonsten steuert sich das Spiel komfortabel und intuitiv. Gespräche werden über Auswahllisten geführt (wobei, ein kleines Manko, die Passagen des Haupthelds unvertont bleiben), mit den Maustasten werden Gegenstände untersucht und angewählt. Ein Questlog und Lexikon sowie eine Automap erleichtern das Zurechtfinden, das Inventar lässt sich hervorragend bedienen, alle nötigen Informationen werden über Mouseover eingeblendet. So kann man sich nach kürzester Zeit voll und ganz auf die Geschichte konzentrieren, die - wie man oben vielleicht erkennen kann - an sich nicht originell ist, aber überzeugend und episch erzählt wird. Statt durch eine Sandbox-Welt zu taumeln, wird man eng am blutroten Faden geführt und begegnet dabei immer wieder interessanten Figuren, erledigt kleine und grosse Quests, trifft weitreichende Entscheidungen und nimmt den Kampf gegen die Dunkle Brut auf. Und zu jeder Zeit konzentriert sich die Geschichte ganz auf die Heldenparty, auf ihre Sorgen und Nöte, ihre Beziehungen untereinander und zu den Nebenfiguren. Hier können die "Baldur's Gate"-Macher wieder einmal ihre Stärken ausspielen und stecken dabei locker die gesamte Konkurrenz in die Tasche.
In Sachen Grafik herrscht hingegen Ernüchterung. "Dragon Age: Origins" sieht zwar nicht schlecht aus, hinkt dem aktuellen Standard aber deutlich hinterher. Das liegt vor allem an der manchmal etwas lieblosen Architektur und Gestaltung der Welt. Burgen, Schlösser, Wälder und Schluchten wirken bisweilen etwas leb- und einfallslos, die Texturen sind matschig und trist. Das versucht das Spiel mit allerlei Blooming- und Unschärfefiltern zu übertünchen ... und hat damit Erfolg. Denn da sich die Handlung ohnehin mehr auf die Personen konzentriert, nimmt man die grafische Unterdurchschnittlichkeit der Umgebung kaum wahr. Zumal die Gesichteranimationen zum Besten gehören, das man im Rollenspielbereich beobachten kann. Von jungen, naiven Schönlingen bis zu alten, verbrauchten Greisen, verschlagenen Schurken bis zu ätherischen Elfinnen - die Figuren leben auch optisch, ihre Gefühle und Regungen sind exzellent eingefangen. Das gilt übrigens auch für den Haupthelden, den man schon zu Spielbeginn mit allen möglichen Kinn-, Nasen- und Augenformen, individuellen Haarschnitten und Tätowierungen ausstatten kann. Dass sich ein Grafikteam so einseitig auf einen Aspekt des Spiels konzentriert hat, ist ungewöhnlich, trägt aber zur Dichte von "Dragon Age: Origins" bei. Sehr gut sind übrigens auch Soundtrack, (deutsche) Sprachausgabe und akkustische Effekte, die die epische Handlung stets unterstützen.
Ist "Dragon Age: Origins" also nun tatsächlich DAS Rollenspiel 2009? Ja, ja und nochmals ja. Selten wurde ein Rollenspiel so gut erzählt und ist so mitreißend zu spielen. Von der ersten Sekunde an fesselt "Dragon Age: Origins" und lässt einen bis zum Ende der Handlung nicht los (und das kann viele, viele Stunden dauern). Es motiviert nicht unbedingt durch die Quests, sondern durch die Interaktion der Figuren, die man einfach überleben sehen und zu Helden stählen möchte. Wer sich darauf einlässt (und nichts gegen blutverschmierte Rüstungen und rotbeträufelte Gesichter hat), wird es keinesfalls bereuen. Rollenspieler kommen an diesem Highlight einfach nicht vorbei.
Eine kleine Randbemerkung sei zum Kopierschutz gestattet. "Dragon Age: Origins" verzichtet dankenswerterweise auf SecuRom, DRM und sonstige Gängelungsmethoden, sondern sichert das Spiel ganz klassisch mit der DVD-Abfrage und einer Seriennummer. Damit werden Gelgenheitsraubkopierer abgefangen (gegen Profis und Torrentloader hilft DRM ohnehin nichts) und ehrliche Käufer nicht bestraft. Als "Ausgleich" stellt der Publisher Electronic Arts jede Menge zusätzlichen Download-Content für das Spiel bereit, teilweise umsonst nach einer Registrierung, teilweise kostenpflichtig. Brauchen tut man nichts davon, es ist eher eine Zusatzleistung für Fans. Das Modell wird einem in Zukunft wohl häufiger begegnen ...
Fazit: Eine epische, wuchtige Schlachtplatte und schlichtweg das besterzählte Rollenspiel 2009. "Dragon Age: Origins" erfüllt die hohen Erwartungen und kitzelt aus einer konventionellen Geschichte das Maximum heraus - das ideale Spiel für die kalten und blutarmen Wintertage.