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 American Youth

Autoren: Phil LaMarche
Übersetzer: Malte Krutzsch
Verlag: Beltz & Gelberg

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Es ist ein langweiliges Vorstadtleben, das Ted führt. Mit seinem Freund Terry schmeißt er zum Spaß Molotov-Cocktails in einem abgelegenen Baugebiet, die Stadt ist wie ausgestorben, seit die Wirtschaftslage schlechter wird und die Väter zum Arbeiten die Stadt verlassen. Die Mütter warten nur noch auf die Rückkehr ihrer Männer, ziehen nebenher ihre Kinder groß. Außer dem Fernseher gibt es wenig Ablenkung und Beschäftigung. Also kein Wunder, dass die Kinder auf dumme Ideen kommen - wie auch Ted, Bobby und Kevin: Die Brüder Kevin und Bobby sind zu Besuch bei Ted, alles ist langweilig. Die einzige Aufregung bietet die Waffe, die im Wohnzimmer versteckt ist. Ted kann mit ihr umgehen, der Vater hat ihm schon früh das korrekte Verhalten beigebracht, zum Beispiel, dass man nie auf Menschen zielt, auch nicht zum Spaß. Kevin weiß dies nicht: Als Ted für einen Moment das Zimmer verlässt, erschießt er seinen Bruder versehentlich. Während für Bobby das Leben schlagartig endet, ändert es sich für Ted grundlegend. Niemandem darf er verraten, dass er die Waffe geladen hat, dass er zumindest Teilschuld an Bobbys Tod hat.
In der Schule will ab diesem Zeitpunkt keiner wirklich etwas mit ihm zu tun haben, die wenigen Freunde, die er hatte, verliert er. So ist er ein leichtes Opfer, als eine Gruppe rechter Jugendlicher entscheidet, dass er gut in ihre Reihen passen würde. „American Youth“ nennen sie sich und sprechen sich für ein „sauberes“ Amerika aus: ohne Drogen, Alkohol, Sex, Fremde und Andersdenkende. Ted ist nicht ganz ihrer Meinung, aber sie sind die einzigen, die ihn um sich haben wollen. Doch lange kann er nicht stillhalten: Er beginnt, eigene Entscheidungen zu treffen, die seine persönliche Lage aber nur noch verschlimmern.

Dieser Roman macht betroffen, auch wenn er den Leser immer auf Distanz hält. Ted wird fast durchgehend nur „der Junge“ genannt, seine Gefühle bleiben versteckt hinter seinem Gesicht. Nur ganz selten gelingt es dem Leser, einen Einblick zu erhaschen. Dieser Spalt wird aber schnell wieder dicht gemacht und wieder fragt man sich, was in diesem Protagonisten vorgeht. Das ist zum einen spannend, da man so hin und wieder überrascht wird, allerdings hält es einen auch auf Distanz, man erhält keinen Zugang und kann gar nicht versuchen, die Handlungen nachzuvollziehen.

In der Geschichte geht es um eine Menge: Arbeitslosigkeit, die schlechte Wirtschaftslage, zerrüttete und gescheiterte Ehen, kaputte Familien, Lügen, Schuld, Schweigen, Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit … viel Bedrückendes kommt zusammen, es ist klar, dass aus dieser Situation heraus nur Katastrophen entstehen können. Da überrascht das fast versöhnliche Ende ein wenig, auch wenn es ein langer Prozess bis dahin ist.

Leider sind die Charaktere sehr schwarz-weiß gezeichnet. Phil LaMarche hält sich nicht viel mit Grautönen auf, auch wenn zumindest Ted hin und wieder die Farbe wechselt. Alle anderen sind seltsam leer, handeln so, wie man es von Stereotypen erwartet und bieten so keine Überraschungen. Auch die „American Youth“ ist wenig überraschend: Rechte Jugendbewegungen, die zum größten Teil von ihrem Hass auf sich selbst angetrieben werden, der sich irgendwo niederschlagen muss, kennt man bereits.
Das Einzige, was der Leser nicht bereits in anderer Form gelesen hat, ist vielleicht das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und der Beklemmung, das einen Jungen befällt, der Schuld am Tod eines anderen wird, diese Schuld aber nirgendwo zugeben und so sein Gewissen etwas erleichtern darf. Zu viel würden sonst die Eltern erleiden müssen, zu stark wäre der Bruch innerhalb der Familie, zwischen Sohn und Eltern.

Die Geschichte lohnt sich durchaus zu lesen. Allerdings wird es wohl beim einmaligen Überfliegen bleiben. Die Charaktere bieten einfach nicht genug Anhaltspunkte, um tiefer einzusteigen und mitzufühlen. So liest man hier einen Bericht der Ereignisse, bleibt aber selbst unbeteiligt und weit weg. Für eine Geschichte, die in einer durchschnittlichen Gegend mit durchschnittlichen Menschen spielt, ist das schade. Hier wäre sehr viel mehr Potenzial gewesen, die Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit in jedem Einzelnen aufzuzeigen.

Anja Thiemé



Taschenbuch | Erschienen: 14. September 2009 | ISBN: 9783407741707 | Originaltitel: American Youth | Preis: 7,95 Euro | 233 Seiten | Sprache: Deutsch

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