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Als 2008 das von Spielern sehnsüchtig erwartete „Grand Theft Auto IV“ erschien, brach es alle Rekorde - wortwörtlich: Nie zuvor ging ein Videospiel im Zeitraum von 24 Stunden so oft über die globalen Ladentheken. Die Presse überschlug sich mit Spitzenwertungen und Take 2 verkaufte bis 2009 über 13 Millionen Kopien des Gangster-Epos. An diesen Erfolg knüpfte das erste Add-on „The Lost and Damned“ nahtlos an: Das exklusiv für Xbox 360 erschienene Add-on gehört zu den erfolgreichsten Download-Titeln des Systems. Und das soll es noch nicht gewesen sein: Mit der zweiten, erneut Xbox 360-exklusiven „GTA IV“-Episode „The Ballad of Gay Tony“ geht es ein weiteres Mal zurück auf die Straßen von Liberty City. Gelingt Rockstar Games damit der Hattrick?
Wie „The Lost and Damned“ hat auch „The Ballad of Gay Tony“ keinen direkten Bezug zu „GTA IV“ – es handelt sich um eine komplett eigenständige Sidestory. Trotzdem kommt es im Spiel häufig zu geringfügigen Überschneidungen – neben Nico Bellic und Johnny Klebitz, den beiden bisherigen „GTA IV“-Protagonisten, tauchen zahlreiche andere Figuren aus dem Hauptspiel und ersten Add-on auf. Diese Begegnungen sind für die Handlung aber eher irrelevant. Deren Fokus liegt auf der schweren Zeit, die der Nachtclubbesitzer „Gay“ Tony Price gerade durchlebt. Die Geschäfte laufen nicht gut, Kredithaie sitzen ihm im Nacken und drohen mit der Schließung seiner beiden Clubs. Zusätzlich beschleunigt fortlaufender Drogenmissbrauch seinen Abstieg, ein Laster, das von seinem Lebensgefährten Evan Moss tatkräftig unterstützt wird. Der einzige, auf den sich Tony verlassen kann, ist seine rechte Hand, Luis Fernando Lopez. Doch dieser hat genug eigene Probleme ...
Als Luis Lopez muss der Spieler einmal mehr in dem Sumpf aus Korruption, Drogen und Bandenkriegen von Liberty City überleben. Das Spielprinzip von „Grand Theft Auto IV“ hat sich dabei nicht geändert: Man akzeptiert Missionen für alle möglichen Kontakte und erhält bei Ausführung Geld und Respekt. Da Luis‘ Aufgaben meist in Konflikt mit dem Gesetz stehen, macht einem, neben der lästigen Konkurrenz aus Liberty Citys High Society, feindlich gesinnten Banden und mächtigen Verbrechersyndikaten, die ihren Einfluss ausweiten möchten, auch jedermanns „Freund und Helfer“ das Leben schwer.
So erfolgreich „GTA IV“ auch gewesen sein mag - die Spielerschaft reagierte auf den Stilbruch, der mit dem offiziellen vierten Teil vollzogen wurde, äußerst gespalten. Waren alle „GTA“-Titel bis zu diesem Punkt eine einzige völlig überzeichnete Gangsterpersiflage, die durch ihren schwarzen Humor und einen Hauch von Sozialkritik zu überzeugen wusste, schlug „GTA IV“ einen neuen Pfad in Richtung harte Realität ein, ein Weg, den dieser Rezensent als Sackgasse bezeichnet, denn der plötzliche Sinneswandel der Entwickler gestaltet sich als exorbitanter Spielspaßkiller.
Dies betrifft in erster Linie die überarbeitete Steuerung. In Anlehnung an prominente Third Person-Shooter kann man in „GTA IV“ Deckung suchen und aus selbiger entweder blind oder gezielt das Feuer eröffnen. Klingt gut in der Theorie, die Umsetzung ist hingegen fragwürdig: Da die Gegner ebenfalls in Deckung gehen (und meist dort bleiben) wird die von „GTA“ gewohnt hohe Geschwindigkeit der Missionen sehr stark ausgebremst, da Schießereien mit zahlreichen Gegnern nun Zeit und Fingerspitzengefühl erfordern. Das neue Zielsystem der Waffen ist leider höchst unpräzise und schwammig – genau wie die „realistische“ Fahrphysik der Autos, die, insbesondere bei Regenwetter, zum Albtraum schlechthin verkommt. Sogar die eigene Spielfigur bewegt sich so hölzern und schwerfällig, dass die Erforschung Liberty Citys zu Fuß alles andere als angenehm ist. Zeit also, sich einen fahrbaren Untersatz zu klauen ... - oder auch nicht.
Die Polizei ist im „neuen“ Liberty City nämlich omnipräsent. Ein Cop steht an mindestens jeder zweiten Straßenecke. Es ist daher schwierig, auch nur ein Auto zu stehlen, ohne sofort von den Gesetzeshütern gejagt zu werden. Sicher haben hektische Verfolgungsjagten, von jeher ein elementarer Bestandteil jedes „GTA“-Titels, ihren Reiz, aber Rockstar hat es durch die übermäßige Polizeipräsenz eindeutig übertrieben. Spätestens, wenn zum wiederholten Mal aus irgendeiner „Lappalie“ ein Wanted-Level von drei oder mehr Sternen entsteht (eine harmlose Schlägerei mit anschließender Fahrerflucht und der eventuellen Tötung eines die Verfolgung aufnehmenden Polizisten reicht dazu in der Regel aus), möchte man die Konsole am liebsten abschalten. Überfährt man zum 20. Mal während einer Mission vor den Augen der Polizei versehentlich einen Passanten, der gerade dabei war, die Straße zu überqueren, die man mit viel zu hoher Geschwindigkeit entlang bretterte, und muss daraufhin erst den unbeabsichtigt entstandenen Wanted-Level reduzieren, ehe man sich wieder dem eigentlichen Auftragsziel widmen kann, stellt sich schnell Frust ein. Allerdings wird ja niemand gezwungen, eine kriminelle Laufbahn einzuschlagen. Hat der Spieler von Schießereien und Drogenschmuggel die Nase voll, kann er sich auch einfach abseits der Hauptstory vergnügen – mehr oder weniger. Wer möchte schon stundenlang Taxi fahren, in Clubs und Discos tanzen oder mit Luis‘ Freunden (die man allerdings auch nur gewinnt, wenn man Aufträge erfüllt) Liberty Citys Nachtleben unsicher machen?
Doch warum wird über „GTA IV“ berichtet, wenn es eigentlich um dessen neuestes Add-on geht?
Simpel: „The Ballad of Gay Tony“ übernimmt jede einzelne Schwäche des Hauptspiels. Nichts wurde seit „GTA IV“ verbessert oder benutzerfreundlicher gemacht, lediglich ein frisches Set aus Radiostationen, Charakteren und Missionen wird geboten. Die Geschichte rund um das bizarre Duo „Gay“ Tony und Luis Lopez hat durchaus Flair und regt zum Weiterspielen an, durch den eigenwilligen Einschlag von „dunkler Realität“ bleibt der Spaß leider die meiste Zeit über im Keller.
Der jüngste Ableger von Take 2s legendärer Crime-Saga ist und bleibt eine „Hate it or love it“-Angelegenheit: Wer den vierten Teil mochte, wird auch „The Ballad of Gay Tony“ lieben lernen, der Rest kann dem Add-on ebenso wenig wie dem Hauptspiel und „The Lost and Damned“ etwas abgewinnen. Fans von „GTA IV“ bekommen mehr von dem, was sie kennen und schätzen und sind mit einem Kauf also gut beraten. Alle anderen können nur warten und hoffen, dass Rockstar es bei „GTA V“ wieder besser macht.