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›Ein Mann wie Holm‹ ist der erste Teil einer Trilogie, die das Leben von Felix Holm beschreibt.
Holm lebt, nachdem er von seinen Eltern mehr oder weniger hinauskomplimentiert wurde, bei seiner Tante. Er hat mal Philosophie studiert, im Leben aber nichts erreicht und ist arbeitslos. Insgesamt ist er so schreckhaft wie zwanghaft.
Als seine Tante ihm einen Job in einem Zigarrenladen besorgt, ändert sich für Holm vieles. Plötzlich ist er nicht mehr nur von mütterlichen Frauen umgeben. Er muss lernen, flexibel auf Kundenwünsche einzugehen und sich seine Kleidung selbstständig auszusuchen. Die große Katastrophe bricht dann allerdings in der Gestalt von Ulrike in Holms Leben. Ulrike ist lebenslustig und hält Holms Zwanghaftigkeiten für gespielt und irre komisch. Holm seinerseits verliebt sich auch noch prompt in sie. Und so sähe alles nach einem Happy-End aus, wäre nicht Holm der, der er ist.
Einkäufe in den Supermarkt werden von ihm akribisch geplant und durchgeführt. Als er sich neue Hemden zulegen muss, kann er zunächst nichts mit dem Wort ›sportlich‹ und den ›sportlichen Hemden‹ anfangen. Intimkontakte, ja, der Hinweis darauf, dass er, Holm, überhaupt Intimbereiche habe, vermeidet er wie die Vampire das Sonnenlicht. Auch seine ersten Begegnungen mit Ulrike plant Holm wie eine militärische Geheimoperation in einem fremden Land.
Schon dieses erste Treffen zwischen den beiden ist recht bizarr. Bevor Ulrike in dem verabredeten Restaurant eintrifft, ordnet Holm erstmal die Salatbar in einer Weise, die dem Leser die Lachtränen in die Augen treibt. Dass dann die ganze Beziehung, die dort am Entstehen ist, beinahe an einem Salatblatt scheitert, ist zum Schreien grotesk.
Das Buch überrascht insgesamt. Der Humor ist meist irre komisch. Dabei wird Keidtel aber nie reißerisch oder vulgär, wie man es aus so genannten Comedy-Shows kennt. Vor allem das Thema Mann/Frau wird fernab von den üblichen Sprüchen äußerst sensibel gehandhabt und hat doch viele wundervolle Pointen. Man ist die ganze Zeit am Lachen und Schmunzeln. Keidtels Humor funktioniert auch ohne den Comedy-Unflat prächtig.
Auf der anderen Seite aber ist die Schreibweise so sinnlich und manchmal von einer psychologischen Präzision, dass man erstaunt innehält und denkt: ›Ja, genau so ist das. Besser kann man das nicht sagen.‹ Holms seltsame Betrachtungsweisen sind zwar schräg, zugleich lässt Keidtel darin aber Wahrheiten aufblitzen, die verblüffend weise sind, mitunter sogar tiefst philosophisch, ohne dass je philosophisches Vokabular beschworen wird.
Drittens entdeckt der Leser aber im Laufe des Romans eine Art Seelenbeschreibung der modernen Gesellschaft, ihre unbrauchbar gewordenen Regeln, ihre chaotischen Zustände, ihre verzweifelten Intimitäten und hohlen Höflichkeiten. Keidtel schickt Holm in dieses Durcheinander auf eine Entdeckungsreise. Ein Gesellschafts- und Bildungsroman ist der Holm also auch, wenngleich dieses Buch zuerst – und damit wirbt der Verlag zu Recht – in die Kategorie Humor gehört.
Es gibt also viel an diesem Roman zu loben: den unverbrauchten Witz und den genauen Blick, seine wunderbare Sinnlichkeit und eine alltägliche und doch so spannende Geschichte, die hervorragende Charakterisierung der Figuren, den liebevollen Umgang mit all diesen skurrilen Personen, und dass der Roman moralisch ist, aber ohne Zeigefinger daherkommt.
Gäbe es eine Kritik an diesem Roman, dann eventuell folgende: Man möchte den Autor aufklären, dass all die Leser, die diesen Roman lesen werden, ihn wie die üblichen humoristischen Bücher verschlingen werden. Sie werden lachen, ihn toll finden und über den tieferen Sinn hinweggleiten, ohne ihn wahrzunehmen. Der Autor hätte sich also gar nicht die Mühe machen müssen, so tiefsinnig zu sein oder gleich etwas ›Ernstes‹ schreiben sollen. Trotzdem wünscht man sich natürlich, dass Keidtel möglichst viele Leser findet, die genau diese Tiefe unter seinem Humor auch ausloten und wertschätzen können.
Fazit: In der Landschaft des deutschen Humors gibt es zum Glück einige einzigartige Stimmen. Matthias Keidtel gehört mit diesem unterhaltsamen und intelligenten Roman auf jeden Fall dazu.