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Der vermögende Konzern-Mogul Nerio Winch (Miki Manojlovic) wird in Hongkong ermordet. Infolgedessen bricht im Vorstand der Winch-Unternehmensgruppe ein Streit um seine Nachfolge aus – ein Streit, der rasch zu einem Ende gebracht werden muss: Die Finanzwelt reagiert auf den Tod des kinderlosen Milliardärs mit einem wankenden Aktienmarkt. Diesen macht sich der undurchsichtige Investor und Waffenhändler Korsky (Karel Roden) zunutze, um sich Stück für Stück des angeschlagenen Firmenkonglomerats zu bemächtigen. Doch Nerio hat ein solches Szenario vorausgesehen und entsprechende Vorkehrungen getroffen: 1981 hat er in einem jugoslawischen Waisenhaus einen Jungen adoptiert, der bei verschwiegenen Bekannten aufgewachsen ist. Der Tycoon weihte Largo in alle Regeln der intriganten und korrupten Finanzwelt ein mit dem Ziel, dass das Winch-Imperium seinen Gründer überleben möge. Mit Nerios Tod tritt nun der bislang unbekannte Adoptivsohn (Tomer Sisley) auf den Plan und übernimmt das Ruder des Konzerns – nicht gerade zur Freude der Führungsetage, die ihre eigenen Pläne in Gefahr sieht und an der Rechtmäßigkeit von Largos Anspruch zweifelt. Auf der Jagd nach dem Mörder seines Adoptivvaters verfängt sich Largo Winch in einem Netz aus Intrigen, Geld und Macht; aus vermeintlichen Freunden werden Feinde und schnell stellt sich die Frage, wem er noch trauen kann. Doch Nerio hat seinen Sohn gut vorbereitet …
Hierzulande sind die Romane und Comics um „Largo Winch“ nur einem engen Zirkel bekannt, während in Frankreich die Figur des jugoslawischen Waisenjungen, der eines der größten Vermögen der Welt erbt, beinahe Kultstatus genießt. Angesichts des kommerziellen Erfolgs der Comicreihe war es im Grunde genommen nur eine Frage der Zeit, bis Largo Winch nach einer TV-Serie und einem Videospiel-Ableger auch die Kinoleinwand erobern würde – was im Dezember 2008 schließlich auch geschah. Seit 20. November 2009 ist das jüngste Stück französischen Actionkinos auch hierzulande auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Viele Repräsentanten des modernen französischen Actionkinos zeichnen sich nicht selten durch die Gratwanderung aus, knallharte Action in Hollywood-Manier mit dem Flair des französischen Films zu verknüpfen und nebenbei auch noch mit einem ansehnlichen, aber sorgfältig ausgewählten Staraufgebot zu punkten; man denke etwa nur an die von Luc Besson produzierten Filme der „Taxi“-Reihe, an „Wasabi“ mit Jean Reno oder an „96 Hours“ mit Liam Neeson. Die Kinoadaption von Philippe Francqs Comicserie, für die der französische Regisseur Jérôme Salle verantwortlich zeichnet, schließt sich dieser Riege nahtlos an: „Largo Winch – Tödliches Erbe“ entfaltet von der ersten Filmminute an einen soliden Mix aus Action, Abenteuer und Thriller, der mit Schießereien, Kinnhaken, netten Stunts und wilden Verfolgungsjagden aufzuwarten weiß. Bereits zu Beginn bringt der Film mit dem Mord an Nerio Winch eine Dynamik ins Rollen, die in eine rasante Hetzjagd nach dem Mörder mündet. Was dem Film zugute kommt: Das Drehbuch achtet stets darauf, ein gewisses Maß an Action nicht zu überschreiten, damit der Film nicht in eine sinnfreie Aneinanderreihung beifallheischender Szenen verfällt. Die Kampfchoreografien präsentieren sich in bestem Hochglanz, ohne zum alles bestimmenden Mittel zu mutieren, die Stunts sind gut in Szene gesetzt, vermeiden es aber, zu einer nichtssagenden Essenz des Films zu verkommen. Mit seinen Darstellern, der eleganten Kameraführung und dem treffsicheren Soundtrack von Alexandre Desplat („Coco Chanel“, „Der seltsame Fall des Benjamin Button“) verpasst Salle seinem Film einen ganz eigenen Look, der „Largo Winch“ zu einem visuellen Leckerbissen fernab jeglichen aufdringlichen Hausierens macht: elegant wie ein maßgeschneiderter Anzug, attraktiv wie manches Playmate und teuer wie ein Rolls-Royce.
Getragen wird der Film nicht zuletzt von einer sorgfältig ausgewählten Besetzung: Der serbische Schauspieler Miki Manojlovic gibt dem erfahrenen und charismatischen Nerio Winch ein markantes Gesicht und Kristin Scott Thomas spielt die Rolle der kühlen und berechnenden Vorstandsvorsitzenden Ann Ferguson hervorragend. Karel Roden, der 2004 als Rasputin in „Hellboy“ mit Dämonen und Nazis paktiert hat, gibt einen passablen Gegenspieler ab und Mélanie Thierry („Babylon A.D.“) eine sinnlich-hübsche Intrigantin ohne überragende Schauspielkünste. Die Besetzung des Titelhelden entpuppt sich als zweischneidiges Schwert: Der hierzulande unbekannte Tomer Sisley, der sich vor Jahren schon für die TV-Serie „Largo Winch“ beworben hat, überzeugt als Frauenheld und mit allen Wassern gewaschener Abenteurer, wirkt über weite Strecken aber ein wenig blass. Von einer Fehlbesetzung kann keine Rede sein – dafür füllt er seine Rolle zu gut aus –, doch Hoffnungen auf einen Filmpreis braucht sich Sisley keine zu machen. Lobenswert ist die gelungene deutsche Synchro, die Stimmen sind gut ausgewählt worden.
Was „Largo Winch“ jedoch fehlt, ist das gewisse Etwas, welches aus einem handwerklich soliden Film ein erinnerungswürdiges Highlight des französischen Kinos macht. Nur um kein falsches Bild zu zeichnen: Der Film ist in sich stimmig und sorgt für 108 Minuten anspruchslose Unterhaltung, die man nicht bereut. Doch bei allen Vorzügen, mit denen „Largo Winch“ nicht hinterm Berg halten muss, fehlt ihm die Fähigkeit, den Zuschauer in das Winch-Universum zu entführen. Die Dynamik kommt nicht einmal ins Stocken, die Darsteller machen ihre Sache gut bis ausgezeichnet, die Action stimmt, die vortreffliche Arbeit des Kameramanns bringt die exotischen Schauplätze ansehnlich zur Geltung – dies alles kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Salle nicht so recht gelingen will, einen Sog zu entfachen, der das Publikum mitreißt. Die Jagd nach Nerios Mörder und die Ränkespiele im Hintergrund kommen gut rüber, doch richtiges packendes Mitfiebern will sich nicht so recht einstellen. Dieser Mangel wiegt schwerer als die Tatsache, dass der versierte Kinogänger die meisten falschen Fährten und Wendungen immer mit einem gewissen Vorsprung durchschaut.
Mit der Blu-ray-Version von „Largo Winch – Tödliches Erbe“ zeigt sich Sunfilm Entertainment von seiner Schokoladenseite – auch wenn diese zeitweilen bitter schmecken kann: Die Qualität des Bilds schwankt oftmals, hier hätte man mehr herausholen können. So präsentieren sich etwa die Skyline Hongkongs oder die graziöse Küstenlandschaft Maltas in einem sauberen Bild, während dunkle Szenen oft in einem nervtötenden körnigen Gewand daherkommen. Der klare Ton hingegen weiß zu überzeugen, der stimmungsvolle Score kommt hervorragend zur Geltung und bei Dialogen und Soundeffekten wurde gut abgemischt. In puncto Extras ließ man sich nicht lumpen: Neben der obligatorischen Trailershow wartet die Special Edition noch mit einem gut 50-minütigen Making-of auf, daneben erlauben weitere Featurettes Blicke hinter die Stunts und Kampfszenen von „Largo Winch“. Ein Interview mit Philippe Francq, dem Zeichner der Comics, ist für Kenner der Comicbände wie auch für Winch-Laien aufschlussreich und informativ, während die Gespräche mit Cast & Crew überwiegend der Selbstbeweihräucherung dienen. Ein Vergleich von Storyboard und Filmszenen sowie ein Wendecover runden das Ganze ab. Schade: Die Bonus-Disc ist keine Blu-ray, sondern eine DVD. Für Freunde von Bonusinhalten in High Definition eine Enttäuschung …
Fazit: Dynamisches Abenteuerkino aus französischer Schmiede, charmant und stilvoll, aber nicht makellos. In seiner Präsentation ist „Largo Winch – Tödliches Erbe“ jedenfalls vielen vergleichbaren Hollywood-Produktionen mehr als ebenbürtig. Auf die bereits bestätigte Fortsetzung darf man durchaus gespannt sein …