Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Glück | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Spielregel | |
Strategie | |
Wahrscheinlich gehen nicht mehr viele Spieler überhaupt noch in die Oper. Das musikalische Thema des neuen Strategiespiels „Opera“ hat nach eigener Aussage so manchen Hardcore-Zocker nicht wirklich angesprochen. Während jene sich also dem dreitausendsten Zugspiel hingeben, freut man sich, endlich mal wieder ein anspruchsvolles Strategiespiel vorzufinden, in dem es um die Welt der klassischen Musik geht. Nur lässt einen gleich der zweite Blick auf das Spielmaterial ein wenig stutzen, befindet sich unter den sechs Komponisten, deren Werke man kaufen und in den eigenen Opernhäusern europaweit vorführen muss, auch der Herr Beethoven, der der Musikgeschichte ein Ganzes dieser Musikspiele beisteuerte. Sollte sich „Opera“ etwa mit seinen bekannten Künstlern Beethoven, Mozart, Wagner, Verdi, Händel und Monteverdi nur an Kulturbanausen wenden wollen, die von echten Opernkomponisten noch nichts gehört haben? Warum wurde statt Beethoven nicht ein bedeutenderer Künstler gewählt, wie beispielsweise … äh …
„Opera“ spielt sich jedenfalls in neun Runden, die den Barock, die Klassik und die Romantik der Musikgeschichte umfassen. Jeder Spieler startet mit einem kleinen Opernhaus in Venedig und etwas Geld; Ziel ist es, die meisten Punkte zu machen. In jeder Runde bieten die Spieler dafür einen Geldbetrag, den sie in dieser Runde als ihr Budget anrechnen wollen. Dies legt einerseits die Spielreihenfolge fest und erlaubt es andererseits, die Funktionen verschiedener Charaktere zu nutzen, was ganz ähnlich wie im beliebten Strategiespiel „Puerto Rico“ geschieht. Wenn beispielsweise der aktuelle Spieler den
Architetto wählt, der es ihm erlaubt, neue Opernhäuser zu bauen, so zahlt er dafür einen bestimmten Betrag von seinem Budget für die Rolle und kauft sich dann von seinem restlichen Geld die neuen Opernsäle. Jeder andere Spieler darf es ihm danach gleichtun. Mit dem
Impresario kann man dann die noch leeren Theater mit Musikstücken füllen. Je nachdem, wie beliebt ein aktueller Komponist ist, kostet eins seiner Werke mehr oder weniger, bringt in den Wertungspunkten aber auch dementsprechend Punkte. Mit der
Signora kann man Stücke gegen Geld oder Punkte verkaufen, mit dem
Critico darf man einen Komponisten loben oder verreißen, was sich auf dessen Beliebtheit auswirkt, und mit dem
Esperto darf man in einer der sechs Städte eine Sonderwertung ausrufen.
Hat ein Spieler kein Budget oder keine Lust mehr, dann passt er. Haben alle gepasst, endet die Runde und es wird neues Geld in die Kassen gespült, je nachdem, wie gut die eigenen Opernhäuser mit Musikstücken ausgelastet sind. Am Anfang ist das Spülen freilich nur ein mickriges Tröpfeln, sodass im ersten Drittel des Spiels meist chronische Geldknappheit am Mann ist. Wohl dem, der dann den Maestro in der Stadt einer seiner Opern zu stehen hat, denn der verdoppelt dort mal eben das Einkommen.
Nach jeweils drei Runden findet dann eine Wertung statt. Nun sollte man möglichst die beliebtesten Komponisten in den Hauptsälen der eigenen Opern spielen, denn das bringt die meisten Punkte. Leere Säle dagegen schlagen sich negativ zu Buche. Und außerdem wurde zu Beginn des Spiels je ein Komponist des Jahrhunderts für jede Wertung festgelegt, für dessen Stücke man nochmals Extrapunkte erhält. Nach neun Spiel- und drei Wertungsrunden steht dann ein Sieger fest. Für eine Partie muss man je nach Spielerzahl 60 bis 120 Minuten einplanen. Mehr, wenn notorische Grübler am Tisch sitzen.
Vom Spielprinzip her erinnert „Opera“ dabei am ehesten an das bereits erwähnte „Puerto Rico“, bringt aber von den Mechanismen her noch ein paar Kniffe rein, die es eigenständig machen. Namentlich wäre das die Budgetleiste, in der die Spieler die mitunter entscheidende Zugreihenfolge durch ihre Finanzkraft entscheiden. Dabei bekommt man in einer Runde den Eindruck, als würde sich jener Effekt ergeben, dass diejenigen immer reicher werden, die ohnehin schon viel Geld haben. Nach dem schwierigen Start schwimmt man jedenfalls bald in Kohle und gibt es kaum mehr einen Grund, nicht das maximale Budget zu Beginn jeder Runde einzustellen. Ein uneinholbarer Vorsprung derjenigen, die zu Beginn bereits massig Geld gescheffelt haben, wurde bisher jedoch nicht beobachtet.
So klingt „Opera“ eigentlich nach einen rundum schönen Spiel, und man würde es mit seinen mitunter kniffligen Entscheidungen auch gerne mögen, wären da nicht zahlreiche kleine Ecken und Kanten, die den Spielspaß trüben. Die Anleitung etwa lässt einige Fragen offen und versteckt Details, die man erst bei genauerem Hinsehen bemerkt. Die Spieler werden beispielsweise mit der Frage alleine gelassen, ob denn nur derjenige, der den Architetto nimmt, die Siegpunkte für den Bau von Opernhäusern bekommt oder auch die anderen? Kann man den Esperto benutzen, auch wenn man schon gepasst hat? Kann man den Maestro in eine Stadt schicken, für die noch gar keine Opernhäuser gebaut werden dürfen? Die Anleitung schweigt sich aus. So viele Lücken darf ein modernes Strategiespiel nicht vorweisen!
Am meisten stört an „Opera“ jedoch das fehlende Gefühl einer Weiterentwicklung. Natürlich verdient man am Anfang wenig Geld und Punkte und nachher immer mehr, doch das Wachstum dient in erster Linie dem Geld und hat sich ungefähr ab der fünften Runde bereits erschöpft. Punkten kann man ja nur in den speziellen Hauptsälen, und da ist die Entwicklung nicht wirklich nennenswert. Sehr interessant sind dagegen die Runden kurz vor einer Wertung, da man hier die eigenen Züge sehr genau überlegen muss, will man nicht etwa durch die Charaktere Esperto oder Critico massiv zurückgeworfen werden.
„Opera“ ist symptomatisch für viele der Strategiespiele, die dieses Jahr zur Spielmesse in Essen erschienen sind. Die Mechanismen sind bekannt, das Spiel funktioniert gut und es hat eine wirklich gute Ausstattung und Grafik, doch der Begeisterungsfaktor und das Aha-Erlebnis fehlen. „Opera“ driftet jedoch deswegen in den guten Strategiespieldurchschnitt ab, weil es bei den Regeln zickt und eine Entwicklungskurve hat, die in keinem guten Verhältnis zur Anzahl der Runden steht – und eben nicht wegen des Themas. Obwohl … an Giacomo Puccini und Carl Maria von Weber hätte man doch auch noch denken können, oder?