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 Merrily Watkins, Band 2: Mittwinternacht

Serie: Merrily Watkins, Band 2
Autoren: Phil Rickman
Übersetzer: Karolina Fell
Verlag: Rowohlt Tb

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
"Mittwinternacht" ist der zweite Krimi in der Serie um die attraktive englische Pfarrerin Merrily Watkins, die, obwohl sie eine überschaubare ländliche Gemeinde betreut, immer wieder unfreiwillig in seltsame Verbrechen und sogar Morde verwickelt wird. Diesmal führt die Spur in Richtung Satanismus:
Merrily Watkins wurde vom Bischof von Herefordshire, einem eitlen, extrem von sich überzeugten jungen Mann, in ein Amt berufen, das es in sich hat. Als "Beauftragte für spirituelle Grenzfälle" soll sie fortan ein Auge auf seltsame Begebenheiten haben, die mit dem Übernatürlichen zusammenhängen – und damit ist nichts anderes als Exorzismus gemeint, dem Amt soll mit der neuen, etwas hochtrabenden Bezeichnung lediglich ein moderner Anstrich verpasst werden. Da passt es umso besser ins Bild, dass eine Frau das Amt übernehmen soll, schließlich will die Kirche neue Wege gehen.
Dem Vorgänger, dem erzkonservativen Kanonikus Dobbs, passt das anscheinend gar nicht; er meidet Merrily und schickt ihr sogar eine rätselhafte und offenbar feindselige Nachricht: "Der erste Exorzist war Jesus Christus". Dass Hereford aber tatsächlich eine Reihe von "spirituellen Grenzfällen" hat, die ihrer Hilfe bedürfen, wird Merrily bald schmerzlich bewusst. Bei einem Besuch am Bett eines Sterbenden hat sie das furchtbare Gefühl, dass eine bösartige Entität in sie eindringt; dabei glaubt die Pfarrerin eigentlich nur sehr bedingt an solche Sachen. Dann wird eine Leiche aus dem Fluss gefischt und es gibt einen merkwürdigen, scheinbar spirituell angehauchten Selbstmord. Als dann noch eine Kirche geschändet wird, anscheinend von Satanisten, und Merrilys sechzehnjährige Tochter Jane sich immer mehr dem Gebiet der Esoterik zuwendet, spitzen die Ereignisse sich zu …

Die Bezeichnung "Ermittlerin" für die Romanfigur Merrily Watkins ist ziemlich irreführend, denn ermittelt wird in den Romanen von Phil Rickman eigentlich nicht. Die eigenwillige Pfarrerin ist keine Ermittlerin im eigentlichen Sinn und stellt das ganze Buch über keine Nachforschungen zum Mord, Selbstmord oder den sonstigen Ereignissen an; das übernimmt traditionell die Polizei, und dies auch nur am Rande. Und obwohl klassische Krimizutaten weitgehend fehlen – selbst der Mord, der hier geschieht, spielt keine besonders große Rolle -, ist Phil Rickman ein weiterer fesselnder Roman gelungen, dessen zahlreiche Puzzlestückchen sich erst ganz am Ende zu einem gelungenen Ganzen zusammenfügen, so wie dies auch schon bei "Frucht der Sünde" der Fall war. Um sich auf die Merrily-Watkins-Fälle einzulassen, braucht man allerdings vor allem Geduld und muss Gefallen finden an einem sehr langsamen Erzähltempo und einem Fall, der eigentlich kein solcher ist. In diesem zweiten Band der sehr erfolgreichen Serie – in England sind bereits zehn Merrily-Watkins-Bücher erschienen – dreht sich zudem noch einiges um Spiritualität und Exorzismus. Man sollte bereit sein, sich auf diese Themen einzulassen, und kein völliger Zweifler sein, denn merkwürdige Erscheinungen, Glauben und Nicht-Glauben spielen eine sehr große Rolle, wenn auch auf eine sehr ernsthafte Art, die nichts mit Fantasy oder Mystery zu tun hat.

Eine der großen Stärken von Phil Rickman ist die sehr detaillierte, atmosphärische Entwicklung der beschaulichen Szenerie, in der dieser Roman spielt. Hereford und Umgebung werden grandios beschrieben, so dass man beim Lesen glaubt, gemeinsam mit Jane Watkins ein Café aufzusuchen oder sich mit Lol Robinson – der bereits im ersten Teil eine größere Rolle spielte – den mystischen Dinedor Hill zu erklimmen. Auf der anderen Seite widmet Rickman sich wieder sehr ausführlich dem Innenleben seiner Figuren, allen voran dem von Merrily, ihrer Tochter Jane und dem vom Lol Robinson, dem gescheiterten Ex-Musiker und guten Freund Merrilys.

"Mittwinternacht" entwirft ein interessantes und ungewöhnliches Szenario, das viel mit dem heutigen Rollenverständnis der Kirche von England zu tun hat und das bei weitem nicht so weit hergeholt ist, wie es das Stichwort "Exorzismus" glauben macht – laut Phil Rickman existiert in Hereford wirklich das Amt "Berater für spirituelle Grenzfragen", und auch heute noch bildet die christliche Kirche Exorzisten aus, auch wenn diese nicht viel mit dem Bild gemein haben, das der gleichnamige Film in den Köpfen der meisten festgesetzt hat. Das Erzähltempo ist wie auch im ersten Band sehr langsam – wer Action und eine klassische Krimihandlung erwartet, der liegt mit den Romanen um Merrily Watkins ganz falsch. Fans typisch britischer Lebensart und intelligenter Unterhaltung mit dezent spirituellen Anleihen sei aber auf jeden Fall ein Blick ins Buch empfohlen!

Christina Liebeck



Taschenbuch | Erschienen: 1. Dezember 2009 | ISBN: 9783499249068 | Originaltitel: Midwinter of the Spirit | Preis: 9,95 Euro | 604 Seiten | Sprache: Deutsch

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