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Nach der Auflösung des Special Operation Networks gibt es für Thursday Next, ehemalige Literatur-Agentin bei SO-27, scheinbar nichts mehr zu tun. So arbeitet sie, inzwischen Mutter von drei Kindern, in einem Laden, der Teppich verlegt und andere Bodenbeläge verkauft. Wer glaubt, das wäre alles, der irrt sich natürlich gewaltig: Hinter den Kulissen ist Thursday weiterhin als Agentin tätig, und zwar ohne dass ihr Mann Landen davon weiß. Doch auch das ist nur Tarnung, denn in Wirklichkeit ist Thursday Next nach wie vor in der Buchwelt für Jurisfiktion aktiv. Die Buchwelt hat mit einem riesigen Problem zu kämpfen: Seit Jahren sinken die Leserzahlen, manche Bücher werden praktisch gar nicht mehr gelesen, die Menschheit verblödet mehr und mehr und sehnt sich offensichtlich nur noch Reality-TV-Shows wie zum Beispiel "Wer bekommt die Spenderniere?".
Thursday hat aber zunächst dringlichere Probleme – ihre Auszubildende für Jurisfiktion ist niemand anderes als ihr spießiges Buch-Ich aus dem fünften Band der Thursday-Next-Romane, der Minotaur treibt immer noch sein Unwesen und außerdem passieren in der Buchwelt merkwürdige Mordanschläge, denen sogar Sherlock Holmes zum Opfer fällt. Auch in der realen Welt läuft nicht alles rund. Thursdays Sohn Friday müsste eigentlich eine glänzende Karriere bei der ChronoGarde einschlagen – immerhin hat Thursday sein späteres Ich bereits mit eigenen Augen gesehen. Aber Friday hat keine Lust auf diese Laufbahn und gammelt lieber wie alle Teenager vor sich hin. Was bei anderen Jugendlichen nicht so tragisch wäre, könnte in diesem Fall das Ende der Welt bedeuten – und zwar in nicht weniger als drei Tagen …
"Irgendwo ganz anders" ist der inzwischen fünfte Band der Thursday-Next-Reihe und macht einen Zeitsprung von knapp 15 Jahren. Nur scheinbar hat die ehemalige Literaturagentin ein beschauliches Leben eingeschlagen – in Wirklichkeit geht sie gleich mehreren undurchsichtigen Tätigkeiten nach, unter anderem als Käseschmugglerin und als einziges Mitglied von Jurisfiktion, das aus der Außenwelt stammt. Jasper Fforde nimmt in diesem fünften Teil der äußerst cleveren und erfolgreichen Reihe das Tempo erstmal gehörig raus und nutzt die ersten 130 Seiten, um nochmal zu erläutern, was man eigentlich schon weiß: Der Brunnen der Manuskripte wird ebenso erklärt die große TextZentrale, der GattungsRat, das Buchspringen, die Goliath Corporation und die ChronoGarde. Dieser Teil des Buches zieht sich ein bisschen, denn man kann davon ausgehen, dass der fünfte Band von denjenigen gelesen wird, die auch die anderen vier Teile kennen, als erste Lektüre macht dieses Buch nämlich überhaupt keinen Sinn. Vielleicht dachte sich der Autor, dass er die lange Pause zum vorherigen Band mit einigen Erklärungen überbrücken muss; viel Neues geschieht jedenfalls in den ersten Kapiteln nicht. Zum Glück besinnt sich Fforde nach dem etwas zähen Einstieg auf das, was er am besten kann: unglaublich fantasievoll schreiben und am Ende alle losen Ende so genial zusammenführen, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Jasper Ffordes Romane dürften zum Kreativsten und Intelligentesten gehören, was man zurzeit in diesem Genre lesen kann. "Irgendwo ganz anders" macht da keine Ausnahme – mühelos nimmt Fforde die aktuelle Entwicklung der zunehmend verdummenden Fernsehkultur aufs Korn, parodiert die Politik, nimmt haufenweise Bezug auf klassische englische Literatur, zitiert aus allen Genres und ist nebenbei so abgedreht-albern und gleichzeitig so pointiert-witzig, dass man den Rest des Buches im Handumdrehen verschlingt. Vor allem ein Kunstgriff in einem der letzten Kapitel, in dem plötzlich die Erzählperspektive geändert wird, ist eine außergewöhnliche Idee. Das Ende des Romans ist ein ausgesprochen böser Cliffhanger, weckt aber die berechtigte Hoffnung, dass Thursday Next auch in Band sechs wieder einen großartigen Auftritt haben wird.
Fazit: Für Fans der Thursday Next-Romane ist auch dieser Teil der genialen Serie ein unbedingtes Muss! Am Anfang hätte man einiges, das redundant ist, ruhig kürzer fassen können – als Einstieg in die Reihe bietet sich dieses Buch ohnehin nicht an. Schade, dass Ffordes Einfallsreichtum in Deutschland bisher nur begrenzt seine Anhänger findet; die Bücher erscheinen jeweils nur als Taschenbuchausgabe und mit sehr langen Verzögerungen auf Deutsch. Es bleibt zu hoffen, dass irgendwann auch die nicht weniger geniale "Nursery Crime Division"-Serie ihren Weg in die deutschen Buchläden finden wird.