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Spätestens jetzt ist es offiziell: Jedes größere Spiel des Jahres braucht eine Seefahrer-Erweiterung. "Carcassonne" hat die "Fluss"-Erweiterung, "Zooloretto" hat "Aquaretto", "Niagara" spielt bereits auf dem Wasser und "Die Siedler von Catan" hat … nun ja, die Seefahrer-Erweiterung. Donald X. Vaccarino, der mysteriöse Autor des Mega-Hits "Dominion", und seine Co-Autoren haben anscheinend gar nicht weiter versucht, sich diesem thematischen Trend zu widersetzen – so dreht sich gleich die erste offizielle Erweiterung des Spiels um das Meer, exotische Länder und Schiffe. Moment, die erste Erweiterung? Was ist mit "Dominion: Intrige"? Die zählt offensichtlich nicht, weil sie auch eigenständig spielbar und damit so eine Art alternatives Grundspiel war. Das ist "Dominion: Seaside" jetzt nicht mehr – zum Spielen ist entweder "Dominion" oder "Intrige" zwingend erforderlich.
Die "Seaside"-Schachtel hat freilich immer noch dasselbe Format. Neben den 26 neuen Königreichkarten wird der restliche Platz nun mit 18 Spielertableaus (die netterweise auch für das Spiel zu fünft und zu sechst geeignet sind) und zwei Sets von Metallmünzen gefüllt. Das Metallmaterial ist ein echter Hingucker und eine tolle Abwechslung zum Holz-Plastik-Einerlei. Die Tableaus dagegen sehen zwar nett aus, sind aber fast völlig überflüssig, braucht man sie doch nur als Zwischenablage für Karten und Münzen, wenn das Eingeborenendorf, die Insel oder das Piratenschiff gespielt werden.
Am Sucht erregenden Spielprinzip ändert sich gar nichts, "Seaside" führt lediglich einen neuen Kartentyp ein: die orangenen Dauer-Karten. Diese Karten bleiben einfach bis zum nächsten eigenen Spielzug liegen und bringen dann automatisch erneut einen Effekt. Beim Ausspielen der Karawane beispielsweise bekommt man eine Karte und eine Aktion – zu Beginn des nächsten Zuges zieht man dann noch eine zusätzliche Karte. Als Neuerung ist das nicht gerade weltbewegend, aber immerhin spielerisch sinnvoll. Dennoch bleibt dabei ein bitterer Beigeschmack, wird ein Spielzug durch die orangenen Karten doch meist nur komplizierter. Welche Dauer-Karten beispielsweise hat man in diesem Zug ausgespielt und welche im letzten? Die Anleitung empfiehlt ein Hin- und Herschieben der benutzten Karten auf dem Tisch, in der Praxis führt man dies jedoch nicht immer durch. Es ist nicht die einzige Stolperfalle in "Seaside" – gerne vergisst man auch, dass man die Schatzkammern wieder auf den Nachziehstapel zurücklegen darf oder dass man das Embargo nach dem Ausspielen entsorgen muss. Damit gerät "Dominion" ein bisschen ins Stocken und lässt sich nicht mehr so schön flüssig runterspielen.
Die Qualität der Karten variiert noch stärker als bei den beiden Grundspielen. Da gibt es sehr interessante Karten wie den Taktiker, der den Zug, in dem er gespielt wird, beendet, den nächsten dafür aber doppelt so stark macht. Besonders schön ist das in Kombination mit der Schatzkarte, derer man zwei auf der Hand haben muss, um einen besonders starken Effekt zu erzielen, was sonst nur Zocker interessieren dürfe. Toll auch die Insel, mit der man eine Karte aus der Hand – am liebsten eine nervige Punktekarte – bis zum Ende des Spiels ins "Exil" schicken kann. Doch dann sind da auch Karten wie der Ausguck, mit dem man sich die nächsten drei Karten des Nachziehstapels angucken kann und dann eine entsorgen, eine ablegen und eine auf den Stapel zurücklegen muss – zu unflexibel. Ein schwereres Vergehen stellen jedoch Karten wie das Fischerdorf oder das Piratenschiff dar. Im Regelfall werden sich alle erfahrenen Spieler sofort auf diese Karten stürzen, wenn sie im Spiel sind. Das Fischerdorf bringt sofort zwei Aktionen plus ein Geld und zu Beginn des nächsten Zuges nochmals eine Aktion und ein Geld – für die Kosten von Drei ist das viel zu stark! Das Piratenschiff funktioniert ähnlich wie der Dieb aus dem Grundspiel, die entsorgte Geldkarte darf man sich jedoch nicht nehmen. Stattdessen packt man eine Münze auf das Piratenschiff-Tableau. Anstatt mit der Karte anzugreifen, kann man sich für den Zug auch Geld in Höhe der Münzen auf dem Tableau anrechnen lassen – und die Münzen sammeln sich dort recht schnell an …
Insgesamt überwiegen in dieser ersten Erweiterung die Karten, die schlecht ausbalanciert oder schlichtweg langweilig sind gegenüber denen, die interessante neue Ideen und Taktiken ermöglichen. Das macht "Dominion: Seaside" jedoch nicht zu einer schlechten Erweiterung, schließlich profitiert das Gesamtkonzept "Dominion" von jeder neuen Königreichkarte, die sich in den offiziellen Kanon einfügt. Je größer die Auswahl an Karten, desto abwechslungsreicher wird schließlich das Spiel. Wenn Fans des Spiels auch so kurze Zeit nach "Intrige" bereits nach neuen Karten dürsten, dann machen sie mit dem Kauf von "Seaside" sicherlich nichts falsch – für sie kommt diese Rezension aber wahrscheinlich eh zu spät. Das Mehr an Karten ist aber – vielleicht neben dem schönen Zusatzmaterial – das einzige echte Argument für "Dominion: Seaside". Wem das nicht genug ist, der sollte sich den Kauf vielleicht nochmal überlegen.