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Dieser Tag, an dem die beiden Sonnen Krysons aufgehen, wird die Welt für immer verändern. Zweihunderttausend Krieger der Klan-Völker, erstmals seit Jahrtausenden vereint unter dem Bewahrer Madhrab, stehen an den Ufern des Rayhin fünfzigtausend Chimären der Rachuren gegenüber. Hier, an der Tareinakorach, wird sich das Schicksal der Welt entscheiden.
Diese grausamen und Furcht erregenden Kreaturen wurden einzig zu dem Zweck gezüchtet, zu morden, zu vergewaltigen und zu vernichten. Kaum einer der Klan, der diesen Tag überleben wird, niemand, der wirklich an einen Sieg der Klan glaubt. Auch Sapius, ein langlebiger Tartyk und Saijkalsan, der wider die Gepflogenheiten seiner Magiergilde den Klan beisteht, fürchtet diesen Tag. Denn auch wenn die Klan siegen, wird es doch eine Niederlage. Jeder Tote, jeder Tropfen Blut, der in den Boden sickert, stärkt den dunklen Hirten. Erwacht der Saijkalrae aber aus seinem Jahrhunderte andauernden Zauberschlaf, wird er die Welt unter seine grausame Herrschaft zwingen. Obwohl Sapius als Diener der Sajíjkalrae den beiden Brüdern Treue geschworen hat, muss er dies mit aller Macht verhindern. Denn wenn nur der dunkle Hirte erwacht und der weiße Schäfer in seinem ewigen Traum verharrt, ist das Gleichgewicht der Macht entscheidend gestört. Der Untergang der Welt wird unweigerlich die Folge sein.
Bernd Rümmelein, bisher bekannt für seine exzellenten Kurzgeschichten, hat 2009 ein Epos vorgelegt, das alles bisher Dagewesene in den Schatten zu stellen scheint. Er entwirft in den drei Bänden, die Ende 2009 bei Otherworld erschienen sind und mehr als eintausendfünfhundert Seiten umfassen, ein Bild einer Welt, die dem Leser fremd und nah zugleich vorkommt.
Im ersten Band schildert Rümmelein eine einzige Schlacht. Diese Schlacht am Rayhin aber ist eingebettet in einen Weltenentwurf, der in hunderten und tausenden Facetten einen ungeheuren Realitätsgrad erreicht. Selbst wenn die Nennung von J.R.R. Tolkien eher ein Fluch denn ein Segen für junge Autoren ist, kann man doch die Vielfältigkeit und Detailtreue von Kryson durchaus mit Mittelerde vergleichen.
Doch inhaltlich ist Rümmeleins Buch etwas völlig anderes. Dieses Buch ist bei weitem grausamer und stringenter als "Der Herr der Ringe". Hier werden die Morde, Vergewaltigungen und Untaten der Bösen auf das Genaueste - meist viel zu genau - geschildert. Auch die Taten der Helden sind zwiespältig und nicht so einfach und logisch wie die der meisten Fantasy-Helden. Immer schwebt der Schatten des Untergangs über der Szenerie, auch Sieger werden Verlierer sein. Das offene Ende des ersten Teils signalisiert deutlich, dass die wirklich schrecklichen Zeiten noch bevorstehen und diese Schlacht nur ein Vorgeschmack auf unzählige weitere Grausamkeiten gewesen ist.
So ist der Leser und Hörer am Ende in einem Dilemma. Er möchte unbedingt erfahren, wie es weitergeht - die Sucht, die dieser Text erzeugt, ist erheblich und kaum jemand will nicht die zahllosen Andeutungen und Hinweise verwirklicht sehen. Doch die ekelerregenden Schilderungen von Schändungen, Folter und Tod müssen auch wieder nicht sein. Das will man eigentlich nicht noch gesteigert erleben und hören, hier ist die Ekelschwelle längst überschritten. Abscheu erzeugt Rümmelein des Öfteren. Und leider belässt er es nicht bei einigen Sätzen und kurzen Szenen, nein, er weidet die Tat aus, lässt minutenlang erzittern und erschauern, zerredet jede noch so grausame Szene fast bis zum Überdruss. So ist die enorme Detailfülle auch Fluch dieses Werkes. Immer wieder möchte man abbrechen und nicht mehr zuhören - so genau wollte man diese Dinge eigentlich gar nicht wissen!
Unbezweifelbar verstärkt Johannes Steck mit seinem furiosen, beeindruckenden Vortrag diese Wirkung noch. Er liest, als würde er selbst gefoltert, selbst morden, selbst verteidigen und den Saijkalrae begegnen. Immer wieder ist man schier sprachlos ob dieses grandiosen Vortrags - aber auch angeekelt, wie genau man die Untaten zu hören bekommt. Die ungekürzte Lesung ist in diesem Fall zweifellos Fluch und Segen zugleich.
Was aber dieses Hörbuch zu einem noch großartigeren Erlebnis macht, ist die Musik von "Corvus Corax" und die Kompositionen nebst Sounddesign von Thorsten Krill. Immer wieder bringen die nordisch-keltisch anmutenden Töne Stimmung in die Szenerie, immer wieder begeistern die Musiker mit perfekt die Atmosphäre der Geschichte verstärkender Musik. Und entgegen vieler Hörbücher mit musikalischer Note wird hier auch diesem Aspekt sehr viel Zeit eingeräumt. Erstaunt nimmt der Hörer zur Kenntnis, dass sich in den eintausendfünfundachtzig Minuten Hörbuch eine komplette CD von "Corvus Corax" verbirgt. Und nicht nur als Jingle, sondern jedes einzelne Lied an passender Stelle in voller Länge - beeindruckend und sehr selten auf dem Hörbuchmarkt.
Ist nun "Die Schlacht am Rayhin" genial oder furchtbar? An diesem Text und noch stärker an diesem Hörbuch scheiden sich die Geister. Eine grandiose Welt, eine sehr spannende Handlung, die Aussicht auf weitere, interessante Geschichten, der tolle Vortrag von Johannes Steck, die wunderschöne Musik und der meist virtuose Sprachgebrauch von Rümmelein machen "Kryson - Die Schlacht am Rayhin" zu etwas ganz Besonderem. Doch die viel zu langen Schilderungen der zahllosen, absolut ekelhaften Grausamkeiten, die oft ausufernden Beschreibungen unwichtiger Details und der gelegentlich allzu selbstverliebte Gebrauch höchst komplexer Sätze lassen zartere Gemüter davor zurückschrecken, sich dieser Welt noch einmal auszusetzen.