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Es scheint, als gäbe die Erde ihre Abschiedsvorstellung. In den Tiefen des Meeres lebt in heißen Quellen ein Virus, der an die Oberfläche gekommen ist. Dort verbreitet er sich munter und tötet Menschen und Tiere. Sein Name ist ßehemot und er bringt Tod und Verderben übers Land. Doch gibt es noch Hoffnung, theoretisch ist eine Immunisierung gegen das Virus möglich. Hierzu wird die komplette Genstruktur verändert, so dass das Virus keinen Punkt findet, an dem es eindringen kann. Allerdings ist diese sehr kostspielig und somit nur den Reichsten zugänglich. Alle anderen Menschen vegetieren vor sich hin und hoffen darauf, wenigstens noch den nächsten Tag zu erleben.
Für eine kleine Gemeinschaft jedoch sind diese Probleme sehr weit entfernt. Als sich abgezeichnet hat, welche Gefahr ßehemoth darstellt, beschlossen die mächtigsten Firmenbosse, eine Enklave zu erschaffen, ein geschütztes Refugium, in das die Krankheit nie eindringen kann. Sie fanden tief am Meeresgrund einen Platz, an dem es kaum eine Strömung gibt. Dort, am Boden des Nordatlantiks, wurde Atlantis errichtet und schützt die Mächtigen und ihre Familien. Doch noch eine zweite Gruppe ist dort unten, die Rifters, Menschen, die verändert wurden, um dem großen Meeresdruck gewachsen zu sein und im Meer Arbeiten verrichten zu können. Sie haben mit den Firmenbossen einen wackligen Frieden geschlossen, denn schließlich waren sie es, die aus Menschen, ohne deren Einwilligung, Rifter erschaffen haben.
Dort unter den Riftern lebt auch Lenie Clarke. Wer nicht von ihrer Vergangenheit weiß, wird sie nur für eine der etwas merkwürdigen Meeresbewohner halten, die durch die Leere des Meeres eine seltsame Psyche entwickelt hat. Aber Lenie Clarke ist etwas Besonderes, denn sie war es, die den Virus überhaupt über die Welt gebracht hat, um Rache zu nehmen. Und nun erhält sie die unglaubliche Chance, wenigstens etwas davon wieder gut zu machen.
"Wellen" beschreibt eine Welt am Abgrund. Seuchen und Hunger sind weit verbreitet und die Regionen, die noch frei von der Krankheit sind, kämpfen mit Waffengewalt darum, dass es auch so bleibt. Mit der wissenschaftlichen Technik hat man medizinische Wunder vollbracht, aber auch Menschen ohne Gewissen erschaffen. Und irgendwie steckt in dieser ganzen Geschichte der Tenor, dass sich die Menschheit, diese Existenz bedrohende Entwicklung selbst auf die Fahnen zu schreiben hat und sie vielleicht sogar verdient ist.
Denn die Charaktere von Peter Watts sind Menschen, die man nicht zu seinen Freunden zählen möchte. Lenie Clarke, die zwar ständig von Reue geplagt wird, hat es an die Spitze der Massenmörder geschafft, egal wie viel Schuld sie deswegen mit sich trägt. Auch die anderen Rifter besitzen allesamt psychologisch seltsame Profile und ihre Industriebosse in Atlantis sind nicht viel besser. Beide Parteien intrigieren am Meeresboden gegeneinander, da keine der anderen Seite wirklich über den Weg traut. Dies geschieht jedoch so schemenhaft und andeutungsweise, dass wenig Spannung aufkommen mag. Dummerweise allerdings taucht dann auch noch ein neuer ßehemoth-Stamm auf, der selbst nach Atlantis dringen kann und so muss Lenie Clarke an die Oberfläche, da das neue Virus mit Sicherheit auf dem Festland entwickelt wurde. Statt dass jetzt allerdings Tempo in die Geschichte kommt, schleppt sie sich weiter behäbig und träge dahin. Zusätzlich ausgebremst wird sie durch viele Rückblenden in die Jugend des Protagonisten Achilles Desjardins, der den Bösewicht für den Showdown darstellt.
Die Handlung, die Geschichte, die Figuren, alles wirkt aus zu vielen Einzelteilen zusammengesetzt, ohne dass man ein stimmiges Gesamtbild erkennen kann. Einzelne Szenen an sich und Ideen, wie die sich evolutionär entwickelten Viren im ehemaligen Internet, sind gut angesetzt, werden aber nicht richtig genutzt. Schön wäre natürlich auch, wenn darauf hingewiesen würde, dass "Wellen" der Abschluss der Geschichte ist, die mit "Abgrund" und "Mahlstrom" ihren Anfang nahm. Dann hätte man auch eine Chance, die ganzen Andeutungen aus früheren Romanen zu verstehen.
Nein wirklich, der Ansatz ist gut, die Grundidee originell und die kreativen technischen Entwicklungen, die Peter Watts aus dem Ärmel gezogen hat, faszinierend. Nur leider packt er dies in eine viel zu verkopfte Geschichte, die weder Tempo noch Spannung besitzt. Stattdessen quält man sich mühsam hindurch und wird dann durch das unfertige Ende enttäuscht. Oder kommt etwa noch ein abschließender vierter Teil, der dem unwissenden Leser wieder als Einzelroman untergejubelt wird?