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Als erfolgreiche Neurowissenschaftlerin verdient Agnes (Sylvana Krappatsch) mehr als genug Geld für ihre Familie. Sie leben in einem extravagant ausgestatteten Haus und erholen sich hin und wieder in ihrem kleinen Ferienhäuschen. Da Agnes' Mann Walter (Samuel Finzi) Autor für Kriminalromane ist, kann er zuhause arbeiten und sich dort um ihre gemeinsame Tochter Leni (Isabel Metz) kümmern. Also herrscht in ihrer Ehe ein der Tradition eher entgegengesetztes Rollenverhältnis, womit beide aber keine Probleme haben.
Doch es scheint, als könne Agnes trotz ihres erfolgreichen Berufs und ihrer Familie keine Erfüllung finden. Sie steht in gewisser Weise neben ihrem Leben und ist lediglich Zuschauer. Der Kontakt zu ihrer eigenen Tochter und deren Problemen ist oberflächlich, da Leni eher mit Walter spricht. Auch das emotionale Zusammensein der Ehepartner ist nebensächlich, stattdessen leben sie munter nebeneinander ihre beiden Leben. Nicht einmal einem tragischen Autounfall gelingt es, Agnes aus dieser tristen Lebensschiene zu werfen.
Erst als ihre Schwester Karola (Jule Böwe) spontan verreisen möchte und Agnes bittet, in ihrer Abwesenheit auf eine Wohnung aufzupassen, die sie hüten muss, verändert sich etwas in ihrem Leben. Anfangs erfüllt sie diese Aufgabe nur widerwillig, doch mit der Zeit beginnt sie sich dafür zu interessieren, wer wohl die Menschen sind, die dort wohnen, und deckt verborgene Geheimnisse auf, wie die Affäre der Ehefrau, die tödlich verunglückt ist. Als eines Tages der Ehemann in der Wohnung auftaucht, entspinnt sich zwischen den beiden Charakteren eine Liebesaffäre, die jedoch nicht dazu geschaffen ist, Kraft in ihr Leben zu bringen, sondern die Agnes komplett aus der Bahn wirft.
"Die Besucherin" ist der Debütfilm von Lola Randl, dem man das jedoch nicht anmerkt. Er erfrischt das Auge des Zuschauers durch einen klaren und stilistisch wohlgeformten Blickwinkel, wie im Theater, denn auch hier ruht alle Aktion auf den Schultern der agierenden Charaktere, die diese Rolle übermäßig gut erfüllen. Die Geschichte, die hierbei erzählt wird, handelt von einer praktischen und funktionierenden Ehe, die jedoch für keine der beiden Seiten Erfüllung bringt. Es ist die Gewohnheit, die Agnes und Walter weitertreiben lässt. Der Bruch, der Besuch der fremden Wohnung und damit Agnes' immer tiefer werdender Besuch im Leben der Besitzer, zeigt, wie verworren und suchend diese Figur ist. Niemals ergreift sie selbst die Initiative, selbst die Affäre lässt sie eher über sich ergehen als dass sie sie beginnt. Und so fängt sie erst an, sich selbst zu entdecken und zu verändern, als schon alle Stricke gerissen sind.
Die Leistung der Schauspieler, die an Orten spielen, die sich wie Kulissen ausmachen, die pure Dekoration und Reflektion für die Geschichte sind, ist gewaltig. Keine der Rollen, sei sie noch so klein, bleibt uncharakterisiert oder unbehandelt. Selbst der kleine Junge, der nur seinen MP3-Spieler sucht, ist genau skizziert. Ganz besonders sticht dies bei Agnes' Arzthelferin heraus, die wenig Auftritte besitzt, deren Persönlichkeit aber für den Zuschauer vom ersten Moment an vollkommen umrissen wird. Genau diese Detailvielfalt ist es, die dem Film, dessen Handlung hauptsächlich durch symbolträchtige Handlungen geprägt wird, die Tiefe und Intensität verleiht.
Für Zuschauer, die sich auf leichte oder tragische Unterhaltung freuen, ist dieser Film keine gute Wahl. Man muss gewillt sein, sich auf den Stil vollkommen einzulassen, denn dann erst ergreift einen der Sog der Handlung und lässt einen bis zum Schluss nicht mehr los. Mehr davon!