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Märchenhaft muten die Erzählungen über indische Fürsten der vergangenen Jahrhunderte an, exotisch und durchaus auch brutal, kam doch mancher Herrscher durch Mord an engen Verwandten an die Macht.
Dass sich indische Fürsten jedoch auch als Mäzene und umsichtige Politiker hervortaten, wird gerne übersehen. Die vom Victoria and Albert Museum, London, und der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München, präsentierte Ausstellung – in München zu sehen vom 12. Februar bis 24. Mai 2010 – und der zugehörige, hier besprochene Katalog aus dem Verlag Hirmer präsentieren die Maharajas aus unterschiedlichsten Perspektiven.
Im Katalog, der wie alle modernen Veröffentlichungen dieser Art nicht nur die ausgestellten Artefakte abbildet und charakterisiert, gehen ausführliche Essays auf die wesentlichen Aspekte höfischen Lebens im Indien der letzten fünf- oder sechshundert Jahre ein: Auf Gruß- und Vorwort sowie Danksagung und Einführung folgen die Beiträge mit den Titeln "Das Königtum in Indien", "Wirkung und Macht öffentlicher Prachtentfaltung", "Palastleben", "Kunst und Kunsthandwerk am Hof", "Palastbau und Stilpolitik" sowie "Indische Fürsten und die westliche Welt", woran sich Anmerkungen, Literatur, eine Übersichtskarte und weitere Anmerkungen anschließen.
In die meisten Essays sind je zwei Portraits von bedeutenden Herrschern und Herrscherinnen aus Indien integriert, die das Bild vom exotischen Potentaten, wie es im Westen vorherrscht, gründlich differenzieren und den Blick freigeben auf außergewöhnliche Herrschergestalten, die nicht selten Enormes für ihr Volk leisteten – und dies nicht immer zur Freude der vorherrschenden Briten.
Zwar bieten die Essays eine höchst informative und auch für den Laien problemlos verständliche, dabei jedoch ausreichend gründliche und anspruchsvolle Grundlage zum Verständnis der Lebensart und des Wirkens indischer Maharajas; das Kernstück des Katalogs sind letztlich für die meisten Leser nicht sie, sondern die Abbildungen.
So vielseitig wie die Textbeiträge präsentieren sich die dargestellten Exponate. Besonders fesseln natürlich die kostbaren Schmuckstücke, zum Teil von der berühmten französischen Firma Cartier hergestellt, aber auch überzeugende Beispiele für hochwertige und bezaubernd schöne Stücke aus dem Kunsthandwerk faszinieren den Betrachter. Hinzu kommen zahlreiche Bilder und Fotografien mit Szenen des höfischen Lebens und einzelner Herrscher, insbesondere natürlich innerhalb der erwähnten Herrscherportraits, die sehr authentisch das unmittelbare Umfeld typischer Herrscher oder auch diese selbst wiedergeben. Der Dauerkonflikt zwischen hinduistischen und muslimischen Herrschern kommt ebenso zum Tragen wie die komplexen Beziehungen zwischen der einheimischen Elite und den englischen Besatzern; einen Höhepunkt bilden sicherlich die Ausführungen über Maharaja Ranjitsinhji von Nawanagar, der ein äußerst berühmter Cricketspieler wurde und als Sympathieträger die Herzen der Briten eroberte, "zu Hause" jedoch auch wichtige Neuerungen einführte, zum Beispiel eine kostenlose Grundschulbildung. Als sehr überraschend werden die meisten Betrachter Fotos von Man Ray empfinden, die Maharaja Yeshwant Rao Holkar II. von Indore und seine geliebte Maharani sehr innig portraitieren.
Die Abbildungen sind hochwertig; je nach den Lichtverhältnissen entstehen auf dem Papier allerdings gelegentlich störende Reflexe, die der Aussagekraft der Bilder selbst freilich keinen Abbruch tun. Das angenehm große Format kommt den Bildern, insbesondere jenen von Szenen des höfischen Lebens oder Palastanlagen, enorm entgegen.
Ob man die Ausstellung besucht hat beziehungsweise besuchen möchte oder dazu keine Gelegenheit hat: das Buch aus dem Hirmer Verlag ist wesentlich mehr als ein klassischer Ausstellungskatalog, es bietet allen am Orient, seiner Kultur und Geschichte Interessierten informative und packende Lektüre und natürlich eine Fülle an prachtvollen Bildern.