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 Die Evolution im Liebesrausch

Das bizarre Paarungsverhalten der Tiere


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Angesichts des üppigen Angebots an Ratgebern und Therapeuten ist man versucht anzunehmen, die menschliche Sexualität sei etwas einmalig Kompliziertes, was natürlich den von den meisten Menschen beanspruchten Status als "Krone der Schöpfung" untermauern würde.
Doch die beim Menschen anzutreffenden sexuellen Spielarten und Probleme werden relativiert, wenn man das hier besprochene Buch von Markus Bennemann gelesen hat: Viele Tiere tun sich mit der schönsten Nebensache der Welt wesentlich schwerer als unsereiner. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass es für Angehörige mancher Arten höchst schwierig ist, überhaupt einen Partner zu finden, etwa in der dünn besiedelten Tiefsee, oder dass, insbesondere bei Männchen-Überschuss, nur ausgefallene Tricks einen Fortpflanzungserfolg – und um diesen geht es im Tierreich vorwiegend – garantieren.
Der Autor hat einige der absonderlichsten Gegebenheiten rund um das Thema Sexualität zusammengetragen. Die ersten Kapitel handeln von Methoden, wie sich Männchen den Weibchen gewogen machen: Liebeslieder, Liebesdüfte und Liebestränke. Unterschiedliche Arten der Umwerbung kommen jedoch auch in späteren Kapiteln noch zum Zuge, etwa die Liebesgeschenke, die manche Männchen ihren Auserkorenen machen, die eindrucksvollen Lauben, die bestimmte Vögel bauen, um die Damenwelt zu beeindrucken, und allerlei auffällige Balzmethoden, nüchtern betrachtet schiere Angeberei. Um zum Zuge zu kommen, bedienen sich diverse Tierarten aufwändiger Transsexualität, oder Männchen werden zu Transvestiten.
Andere Kapitel befassen sich mit Treue und Fremdgehen, die im Tierreich häufig absonderliche Blüten treiben, aber auch mit der Jungfernzeugung, die nun freilich solche Probleme gar nicht auftreten lässt. Außerdem zeigt sich, dass Samenraub und Kuckuckskinder keineswegs nur unter Menschen vorkommen, wo sie ein willkommenes Fressen für die Boulevardpresse sind. Und auch der Akt selbst kann ziemlich kompliziert werden, nicht zuletzt, wenn wie bei Spinnen und manchen Kraken das kleinere Männchen dem Weibchen als Fressen mindestens so willkommen ist wie als Samenspender.

Ein bisschen brav beschreibt der Autor die zum Teil wirklich verrückten "Einfälle" der Evolution schon, doch ab und an blitzt kräftiger, um nicht zu sagen: deftiger Humor durch, etwa, wenn schwächere männliche Tintenfische sich als Weibchen tarnen, sich auf diese Weise von Macho-Männchen unbeachtet an echte Weibchen heranmachen und dann als "Tuntenfische" bezeichnet werden. Es sind natürlich die Parallelen zum menschlichen Erfahrungshorizont, die eigenwillige Blüten tierischer Sexualität interessant machen, und der Autor wird auf diesem Feld bestens fündig! So ein Tintenfisch ist eben auch nur ein Mensch, würde Loriot sagen.
Die Begeisterung des Autors für sein Sujet überträgt sich während der Lektüre auf den Leser. Rein wissenschaftlich geht es nicht zu, sonst würde man nicht mit den Breitfuß-Beutelmäusen fühlen, die einmal in ihrem Leben einige Tage lang eine bemerkenswerte Sex-Orgie feiern, sich währenddessen vermutlich fortpflanzen und kurz darauf erschöpft sterben. Mit Befremden nimmt man auch die extrem matriarchalische Struktur von Hyänenclans zur Kenntnis; die Weibchen haben tatsächlich eine Art Penis, dessen Vor- und Nachteile für Menschenfrauen zu diskutieren wären.
Doch es geht noch wesentlich verrückter zu, etwa, wenn bestimmte männliche Käfer mit anderen Männchen derselben Art kopulieren und über einen solchen Umweg ihre Gene an Weibchen und somit an die nächste Generation weitergeben.
In der Mitte des Bandes veranschaulicht ein farbiger Bilderblock etliche der genannten verblüffenden Maßnahmen der Evolution. Kraken, Blattläuse, Anglerfische, Kolibris, Hyänen und andere ganz von ihnen verschiedene Tiere geben sich hier ein verblüffendes Stelldichein.
Kurz, es macht Spaß, dieses Buch zu lesen, das sich in der Mitte zwischen fachgerechter Information und Unterhaltung geschickt angesiedelt hat. Der oben bereits erwähnte Loriot wusste es: "So ein Pferd ist auch nur ein Mensch."

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 26. Januar 2010 | ISBN: 9783821865072 | Preis: 19,95 Euro | 304 Seiten | Sprache: Deutsch

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