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In eine Schablone lässt sich der 1960 geborene Fotograf Ralf Peters nicht pressen. Portraits finden sich in seinem Werk neben Tankstellen, expressionistisch anmutende Verfremdungen von Landschaften neben idealisierten Hotelanlagen, minimalistische Interieurs neben nächtlichen Hafen-, Stadt- oder Vergnügungsparkansichten.
Das hier besprochene Buch dient als Katalog zu einer 2010 und 2011 im Münchner Stadtmuseum präsentierten Ausstellung und gibt wie diese einen Überblick über Ralf Peters' bisheriges Werk. Gruppen von thematisch verwandten oder bewusst als Serie angefertigten Fotografien wechseln sich darin mit Essays ab, in denen es selbstverständlich um einige Aspekte von Ralf Peters' künstlerischem Schaffen geht, die aber auch die neuere Entwicklung der Fotografie an sich streifen.
Die großformatig abgedruckten Fotografien findet man im Anhang noch einmal als Übersicht im "Thumbnail"-Format und mit allen notwendigen Informationen, Seitenangabe zur großen Abbildung inklusive. Alle Texte liegen parallel auf Deutsch und Englisch vor.
Schon beim ersten Blättern im Buch fällt dem Betrachter auf, dass es Ralf Peters nicht darum geht, die Wirklichkeit abzubilden – falls es so etwas wie Wirklichkeit überhaupt gibt, denn das, was wir als Wirklichkeit empfinden, wird bekanntlich von unserer Wahrnehmung gesteuert, die wir im Lauf unseres Leben geschult haben. Peters' hat die meisten seiner Fotografien stark bearbeitet und eigene Wirklichkeiten geschaffen. So stehen seine im Dunkeln (oder zumindest vor dunklem Hintergrund und in passendem Licht präsentierten) Tankstellen ohne Logo, ohne Preise oder sonstige Identitätsmerkmale frei im Raum und unterscheiden sich praktisch nur durch ihre Farbkombinationen und die wie bewusst (oder tatsächlich bewusst) ins Bild integrierten Autos. Ähnliches gilt für die Serie von Supermärkten, die man ebenfalls im Katalog findet. Beide Arten von "Konsumorten" weisen darauf hin, wie austauschbar etliche zentrale Elemente im menschlichen Leben geworden sind. Diese Interpretation drängt sich ebenfalls auf, wenn man die Frauenportraits aus "Different Persons" betrachtet: allesamt attraktiv, mit straff zurückgekämmtem blondem Haar, schmalem Gesicht und eher breitem Mund, unterscheiden sie sich auf den ersten Blick lediglich durch die Kleidung und das Tragen oder Fehlen von Schmuck.
Gänzlich anders wirken zunächst die Interieurs, auch sie manchmal als Serie angefertigt, aus verschiedenen Blickwinkeln, mit unterschiedlicher Beleuchtung und einzeln angesehen an Werke von Magritte erinnernd, in denen man vergeblich das Surreale, das Paradox sucht. Aber vielleicht sind auch sie nur Variationen zu einem vertrauten Thema.
Ebenso stellen die Candies eine eigene Gruppe dar, die erwähnten, an expressionistische Gemälde erinnernden Verfremdungen mit aufgelösten Konturen und verwischenden Farben, die meistens Landschaften abbilden. Im Gegensatz dazu stehen reale Landschaften, relativ klein aufgenommen, doch in extremem Hochformat ohne "echten" Himmel gegen einen hellen Hintergrund freigestellt.
Es fällt schwer, angesichts der Themenfülle und des Gehalts sämtlicher Zyklen einzelne Bereiche herauszugreifen. Als letzte Gruppe seien die "100 Meisterwerke" erwähnt, mit Plüschtieren vor charakteristischen Hintergründen nachgestellte Meistergemälde – eine Stoffmaus als Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer", ein entsprechend mit Stoff drapierter Teddy als Ingres' Badende, ein anderer Bär mit passender Ausstattung als Vermeers "Mädchen mit dem Perlohrring" und natürlich ein Kuschelhase als Dürers "Feldhase". Was auf den ersten Blick wie Klamauk auf hohem Niveau anmutet, lässt den Betrachter rasch Überlegungen zur Rezeption von Kunst und ihrem Wesen selbst anstellen.
Hochwertige, informative Essays als Ergänzung zu den interessanten, in herausragender Qualität abgedruckten und in ansprechendem Layout präsentierten Fotografien: ein herausragendes Buch, ob man es im Zusammenhang mit der Ausstellung als Katalog oder unabhängig davon zur Auseinandersetzung mit dem nonkonformistischen Künstler nutzen möchte.