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"Es ist schön, böse zu sein." – Kenner des Computerspiels "Dungeon Keeper" werden sich sicherlich noch gut an die Werbezeile dieses Klassikers erinnern können. Der tschechische Spieleautor Vlaada Chvátil zeigt mit seiner Brettspiel-Hommage "Dungeon Lords", dass Böse sein nicht immer nur schön ist, sondern gelegentlich auch ein echter Knochenjob.
Bis zu vier Spieler schlüpfen in die Rollen aufstrebender junger Dungeon Lords, die ihre Lizenz vom Ministerium für Verliesangelegenheiten erwerben möchten, wie die köstlich geschriebene Anleitung des Spiels informiert. Dafür muss jeder in zwei Jahren sein eigenes Verlies ausbauen, mit Tunneln, Fallen, Monstern und Kammern ausstatten und natürlich die blöden Helden fertig machen, die sich am Ende jedes Jahres anschicken, den mühsam aufgebauten Dungeon zu Kleinholz zu verarbeiten. Jedes Jahr besteht dabei aus vier Runden, in denen die Spieler ihren drei obersten Dienern gleichzeitig verdeckt je einen Befehl zuteilen. Danach werden diese Befehle in Spielreihenfolge aufgedeckt und die buckligen Holzfiguren auf die entsprechenden Felder auf dem Spielplan gestellt. Dort sammelt man dann Nahrung oder Gold, baut neue Tunnel und Kammern, wirbt Kobolde zum Arbeiten und Monster zum Kämpfen an, kauft sich Fallen oder betreibt einfach mal gute PR für den eigenen Dungeon. Denn viele Aktionen wie das Niederbrennen des örtlichen Dorfs zur Nahrungssuche oder das Anwerben besonders finsterer Monster machen einen Spieler bösartiger, was auf dem sogenannten "Bösometer" festgehalten wird. So richtig böse zu sein ist zwar schön und gut, nur leider zieht es auch die stärksten Helden an, die dann den eigenen Dungeon belagern. Und wenn man zu böse wird, kommt sogar der widerliche Paladin, eine Ein-Mann-Armee …
Nach vier Runden endet nämlich das Jahr und es beginnt der Kampf, in dem das eigene Verlies auf die Bewährungsprobe gestellt wird und ein Spiel im Spiel beginnt. Jeder Dungeon Lord versucht dann, die eigene Heldentruppe so schnell wie möglich ins hauseigene Gefängnis zu prügeln, bevor diese zu viel Schaden anrichtet. Während die Recken also in bis zu vier Kampfrunden durch die ausgehobenen Tunnel und Kammern voranschreitet, kann man ihnen jede Runde eine Falle und ein Monster auf den Hals hetzen. Rollende Felsen, Giftpfeile, Hexen, Drachen, Vampire und viele weitere Fallen und Kreaturen teilen also Schadenspunkte aus und sind danach meistens erstmal unbrauchbar, weil sie von den Helden automatisch besiegt werden. Doch üben die gutherzigen Widersacher noch weitere nervige Kampfeffekte aus. Anwesende Priester heilen die Gruppe von Kampfschaden, Diebe verhindern Fallenschaden und Zauberer sprechen Sprüche mit teils heftigen Effekten aus – ein Paladin macht all dies sogar gleichzeitig. Gut also, wenn man sich auf diesen Ansturm auch entsprechend vorbereitet hat.
Nach dem Kampf im zweiten Jahr endet das Spiel und die ministeriale Prüfung beginnt, sprich: die Wertung. Dann bekommt man Punkte für seine Monster, Kammern und besiegten Helden und man verliert Punkte für von den Helden eroberte Dungeonteile sowie unbezahlte Steuern. Außerdem werden einige Titel verteilt, beispielsweise für den bösesten Spieler oder die meisten Monster. Netterweise darf sich dann jeder Spieler mit mindestens einem Siegpunkt zum Dungeon Lord erklären, aber nur der mit den meisten Punkten wird zum Underlord und damit zum Gewinner des Spiels.
In der Zusammenfassung klingt Chvátils "Dungeon Lords" wie eine Mischung aus seinem "Galaxy Trucker" mit Uwe Rosenbergs "Agricola" – und damit nach dem perfekten Spiel für Hardcore-Zocker. Alle Elemente deuten an, dass "Dungeon Lords" ein wahrer Meilenstein von Strategiespiel ist, in thematischer, spielerischer und komplexer Hinsicht. Doch es sind nur ein paar Unstimmigkeiten, die das Spiel an wahrer Größe knapp vorbeischrammen lassen.
Als Kenner muss man zunächst einmal mehr tief beeindruckt von der Bandbreite des Autors sein, der mit "Dungeon Lords" schon wieder etwas völlig anderes geschaffen hat als zuletzt mit "Space Alert", "Galaxy Trucker" und "Im Wandel der Zeiten". In Sachen Aufmachung, Übersichtlichkeit und Struktur ist das Spiel exzellent gestaltet worden und es lässt sich mit der spaßigen Anleitung und der klaren Symbolik recht eingängig lernen – das macht es aber noch lange nicht zu einem leichten Spiel! Das Regelheft weist mehrmals mit einem Augenzwinkern darauf hin, dass es in erster Linie für Vielspieler gedacht ist – und tatsächlich wird jemand, der einfach nur so vor sich hin zockt, von dem Spiel sehr bald in Grund und Boden gestampft werden.
Wer zu böse wird, bekommt von der Heldengruppe aufs Maul, wer keine Steuern zahlen kann, erhält harte Strafpunkte, wer zu viele Tunnel baut, muss mehr Steuern zahlen, wer zu wenig Tunnel hat, kann nicht genug Gold abbauen, wer keine Monster oder Fallen holt, wird von den Helden überrannt, wer starke Monster anheuert, wird schnell sehr böse. Echte Zocker wird dieses Prinzip der Mangelwirtschaft eher reizen als abschrecken, und das zu Recht, schließlich gibt es immer etwas zu tun, immer etwas zu verbessern. Selbst kleine Fehler werden durch das Spiel jedoch mitunter knüppelhart bestraft. Man muss sich mitunter nur zum falschen Zeitpunkt verschätzt haben, und schon sind alle Hoffnungen auf einen Sieg dahin. Selbst erfahrene Spieler haben manchmal das Gefühl, dass sich das Spiel gegen sie verschwört. Für Anfänger ergibt sich selbst im "einfachen Spiel" enormes Frustpotential.
Wer ein interaktives Spiel sucht, der wird mit "Dungeon Lords" ebenfalls nicht sehr glücklich werden. Die Spieler bauen alle brav vor sich hin. Was die anderen so basteln, kümmert meistens nicht. Lediglich beim Legen der drei Befehle jede Runde schaut man sich die Verliese der anderen an und versucht abzuschätzen, welche Aufträge sie ihren Dienern zuweisen werden – und in welcher Reihenfolge. Denn meistens bekommt der erste, der einen bestimmten Befehl aufdeckt, nicht auch die größte Belohnung. Während etwa der erste Diener, der in einer Runde eine Falle kauft, dafür noch ein Goldstück ausgeben muss, bekommt der zweite diese einfach geschenkt. Wer dagegen zu spät kommt, kriegt mitunter gar nichts mehr. Das simultane Auswählen der Aktionen und das gegenseitige Abschätzen sind dann auch das Höchste der interaktiven Gefühle – im Kampf brütet dann wieder jeder ganz alleine für sich. Der tschechische Verlag Czech Games Edition hat bereits die Regeln für eine Mini-Erweiterung, die dem Spiel netterweise schon beiliegt, veröffentlicht, aber auch die erhöht die Interaktion nur marginal. Zudem ist das Spiel ganz eindeutig für vier Spieler ausgelegt, da mit zwei oder drei Teilnehmern weitere Mitspieler simuliert werden. Zu dritt geht das ganz gut, zu zweit ist es ziemlich öde.
Der letzte Kritikpunkt betrifft die Schlusswertung, die zwar inhaltlich sinnvoll ist, aber den Eindruck macht, als sei sie hinten an das Spiel rangeklatscht worden, weil halt irgendwie ein Gewinner ermittelt werden muss. Wegen der Schere zwischen Spielablauf und Wertung hat man in der ersten Partie noch kaum eine Chance, sich wirklich auf die Dinge zu konzentrieren, die einem zum Sieg verhelfen. Aber das war ja in "Agricola" beispielsweise auch nicht anders. Und sowohl dort wie auch bei "Dungeon Lords" rührt der Spaß des Spiels vor allem daher, dass man am eigenen Dungeon bastelt und ihn immer weiter ausbaut, in der Hoffnung, ihn erfolgreich verteidigen zu können.
Alle oben genannten Kritikpunkte seien nur deswegen so ausführlich beschrieben, weil alles andere an dem Spiel ausgezeichnet funktioniert. Die Anleitung ist übersichtlich und lustig, die Grafik strotzt nur so vor witzigen Details, Thema und Mechanismen des Spiels gehen Hand in Hand und mit zwei Stunden Länge – wenn man bereits ein wenig Erfahrung hat – dauert eine Partie keine Sekunde länger als sie soll. Wer "Dungeon Keeper" oder komplexe Brettspiele mag, für den ist "Dungeon Lords" ein Muss. Und jedem, der sich mit dem Fantasy-Thema auch nur ein bisschen anfreunden kann, sei das Spiel wärmstens ans Herz gelegt. Ein dickes Fell muss man aber schon mitbringen, für den Fall, dass es beim Verliesbau mal wieder nicht so läuft, wie es soll – aber es hat ja auch nie jemand gesagt, dass Böse sein ein Zuckerschlecken ist …