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 Chaos in der Alten Welt


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Glück
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Spielregel
Strategie
"Chaos! Hordes of Chaos! Hordes of Chaos! Everyone against everyone – CHAOS!"
Fast scheint es so, als hätte die deutsche Band Kreator den Refrain ihrer Thrash Metal-Hymne "Hordes of Chaos" mit diesem Brettspiel im Kopf geschrieben. "Chaos in der Alten Welt" heißt das gute Stück, und es spielt in der aktuell enorm an Popularität gewinnenden Welt von Warhammer. Die Herren Kreator haben den Inhalt des Spiels auch bereits ganz gut zusammengefasst: Die Horden des Chaos treten an, jeder gegen jeden, ohne Rücksicht auf Verluste.

Man muss mit Warhammer gar nicht mal vertraut sein, um einen schnellen Einstieg in das thematisch dichte Spiel zu bekommen. Jeder Spieler übernimmt die Rolle eines bösartigen Chaosgotts, der versucht, die Herrschaft über die Welt an sich zu reißen. Das sind Khorne, der kriegslüsterne Blutgott, Nurgle, widerwärtiger Gott von Pestilenz und Krankheit, Tzeentch, undurchsichtiger Herr des Wandels und Slaneesh, der Fürst der Lust und Schmerzen. Man sieht schon, hier ist nichts mit verniedlichter Wischi-Waschi-Bösartigkeit, wie sie etwa "Dungeon Lords" praktiziert. Für "Chaos in der Alten Welt" muss man das absolute Böse in sich frei lassen … na ja, nicht ganz, aber Freude am Ärgern und Stänkern hilft ungemein.

In einer Partie versucht jeder der Chaosgötter entweder 50 Punkte zu erlangen oder das eigene Bedrohungsrad bis zum Anschlag zu drehen. Dafür haben die Götter einen Satz Plastikfiguren zur Verfügung, die ihre Untergebenen darstellen, und einen Stapel Chaoskarten. In einer Runde hat jeder Spieler eine bestimmte Anzahl Machtpunkte zur Verfügung, die er benutzen kann, um Karten und Figuren auf die neun Regionen des wundervoll gestalteten Spielbretts zu beschwören. Die Figuren sind Kultisten, Krieger und ein Großer Dämon. Während erstere dafür gedacht sind, die Regionen des Spielplans langsam aber sicher in den Ruin zu stürzen, führen die anderen Figuren über ein einfaches Kampfsystem Krieg. Die Würze wird jedoch durch die Chaoskarten eingeführt, die viele verschiedene Effekte haben können, die sich von Gott zu Gott grundlegend unterscheiden. Denn "Chaos in der Alten Welt" ist asymmetrisch aufgebaut, das heißt, dass die Götter zwar nach denselben Regeln spielen, aber völlig unterschiedliche Ziele und Möglichkeiten haben. Khorne etwa überzieht die anderen Spieler mit Krieg und versucht, möglichst viele ihrer Figuren zu vernichten, weil das sein Bedrohungsrad immer weiter Richtung Sieg dreht. Nurgle dagegen setzt auf Masse, beherrscht und verheert Regionen, um darüber viele Siegpunkte zu generieren. Tzeentch hat sehr gute Karten, die ihn zu einem flexiblen und wandlungsfähigen Gegner machen. Und Slaneesh intrigiert, umgarnt Adlige, scheut den Kampf und übernimmt feindliche Figuren.

Das Ärgerpotential, das sich daraus ergibt, ist enorm. Khorne zieht Krieger in eine Region mit Slaneesh, dieser spielt eine Karte, die den Kampf diese Runde einfach verhindert. Dann spielt Tzeentch eine Karte, die diesen Effekt wieder aufhebt, woraufhin Khorne sich freut, doch Slaneesh rennt einfach weg – eine ganz normale Spielrunde in "Chaos in der Alten Welt". Cleveres Taktieren ist dabei jedoch Pflicht, vor allem, wenn man über die möglichen Karteneffekte der anderen Spieler Bescheid weiß. Man muss zum Spielen von "Chaos in der Alten Welt" daher gar nicht von sich aus ein schlechter Mensch sein – wenn der Gegner mal wieder alle Pläne zunichte macht oder die Würfel einfach nicht mitspielen, wird man ganz automatisch furchtbar böse. Aber das Ärgern anderer und das Sich-Ärgern gehören zu "Chaos" einfach dazu, genau darin liegt ja auch der Spaß.

Abwechslung wird einerseits durch die immer neuen Situationen in einer Partie geschaffen, andererseits durch den Alte Welt-Kartenstapel, der jede Runde neue Effekte herbeizaubert, etwa eine Ausbreitung der Rattenmenschen in der Alten Welt oder die Entdeckung des Grals, die den Chaosgöttern schwer zusetzt. Nach einer bestimmten Anzahl Runden gewinnt sogar das Spiel, sollte bis dahin kein Chaosgott siegreich gewesen sein – die drei oder vier Spieler müssen sich dafür aber schon ziemlich blöd anstellen. Mit drei Teilnehmern verschieben sich die Verhältnisse auf dem Brett ein wenig, da die Fähigkeiten und Karten einer Chaosmacht fehlen, aber auch so ist "Chaos" noch sehr gut spielbar. Zu viert ist das Spiel jedoch eine regelrechte Offenbarung. Noch kaum ein Titel mit asymmetrischer Spielaufstellung hat bisher eine so gute Balance der verschiedenen Mächte hinbekommen. Anfängern mag es vielleicht noch so scheinen, als wäre Khorne mit seiner leichten Voraussetzung für das Drehen des Bedrohungsrades im Vorteil. Doch sobald die anderen Spieler lernen, darauf zu reagieren, muss auch der Blutgott sich ziemlich sputen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Gen Ende der Partie hat man fast immer das Gefühl, dass jede Partei, die sauber gespielt hat und keinem übermäßigen Pech unterlag, den Sieg hätte davon tragen können – so bleibt es meistens bis zum Schluss spannend. Der einzige Dämpfer sind Partien, in denen Khorne in der letzten Runde so kurz vor dem Sieg steht, dass die anderen Spieler eigentlich keine Chance mehr haben.

Wenn man Spiele mag, in denen man sich gegenseitig allerhand kaputt machen kann, macht "Chaos in der Alten Welt" de facto nichts falsch. Die ansehnliche Papp- und Plastikausstattung des Spiels suggeriert zwar eine Spieldauer von vier Stunden, eine Partie tendiert jedoch um die 120 Minuten. Das Schlachten mit Würfeln nimmt gegenüber dem cleveren Platzieren von Figuren und Karten einen geringen Stellenwert ein, kann den Ausgang des Spiels jedoch maßgeblich mit entscheiden. Wer seine mühsam geschmiedeten Pläne nicht zerstört sehen will, ist hier also vielleicht an der falschen Adresse. Wer die richtige Prise Chaos in seinem Strategiespiel attraktiv findet, der bekommt mit "Chaos in der Alten Welt" ein herrlich brachiales Brettspiel-Moshpit serviert.

Julius Kündiger



Brettspiel | Erschienen: 28. November 2009 | Originaltitel: Chaos in the Old World | Preis: 38 Euro | für 3 - 4 Spieler | Sprache: Deutsch

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