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 Auftauchen

Autoren: Jennifer Haigh
Übersetzer: Christine Frick-Gerke
Verlag: Droemer

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Nach außen stellt die Familie McCotch gerne das Bildnis einer perfekten Familie dar. Vater, Mutter, drei Kinder, alle glücklich und zufrieden. Doch unter der Oberfläche bröckelt es, sogar ohne dass die einzelnen Mitglieder selbst bemerken, wie fragil dieses Bildnis einer Familie ist, das sie leben.
Als Gwen, die einzige Tochter der Familie und das mittlere der drei Kinder, eine niederschmetternde Diagnose erhält, wird alles anders. Sie leidet an einem Gendefekt, wird niemals in die Pubertät kommen oder äußerlich erwachsen werden, sondern immer klein und kindlich bleiben, jedenfalls körperlich.

Die Familie, die so einen perfekten Anschein gewahrt hat, zerbricht an diesem Makel, der auf einmal in ihrem Inneren herrscht. Die Eltern lassen sich scheiden, die Kinder leiden unter dieser Situation, in der die Eltern Krieg führen und auch die Kinder auf das Schlachtfeld einer zerstörten Ehe schicken - sogar noch, als die Kinder längst erwachsen sind.
Frank, der Vater, wird zum alternden Playboy, stellt Frauen nach und vergräbt sich in seiner Forschung. Paulette, seine Exfrau, sieht sich damit konfrontiert, dass auch sie älter wird und muss sich ihren Ängsten stellen, womöglich den Rest ihres Lebens alleine verbringen zu müssen. Scott, der jüngste Sohn, hat fernab seiner Familie eine eigene Familie gegründet, doch auch hier herrscht alles andere als eitel Sonnenschein. Billie, das älteste der drei Kinder, hat äußerlich das perfekte Leben wieder gefunden: als erfolgreicher Arzt, gutaussehend und reich. Aber warum steht er seinem Vater so kritisch gegenüber und warum scheint er keine Freundin zu haben? Gwen wiederum scheint sich mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben. Doch als sie endlich ausbricht aus ihrem Kokon, einen Tauchurlaub bucht und sich verliebt, wird die Familie von diesem Sog mitgerissen.

"Auftauchen" ist ein faszinierender Roman, in dem Jennifer Haigh Schicht um Schicht die Illusion einer perfekten, einer glücklichen Familie abträgt und die wirklichen hässlichen Wunden, Narben und Risse offen legt, die alle fünf Familienmitglieder voneinander trennen. Präzise legt die Autorin ihren Finger in diese Wunden, zeigt jedes Familienmitglied nacheinander in allen zerstörten Hoffnungen, vergeblichen Träumen und tatsächlichen Ängsten. Jeder ist auf seine Weise gescheitert, dies erkennen die Charaktere im Verlauf des Romans, bis ausgerechnet Gwen als erste aus diesem Bildnis der perfekten Familie auftaucht und akzeptiert, dass das Leben nicht perfekt ist, dass es aber trotzdem gut sein kann. Diese Entscheidung treibt jeden in ihrer Familie dazu, Stellung zu beziehen und sich einzumischen. Durch diese Einmischung wird erst wirklich klar, wie die einzelnen Charaktere zueinander stehen.

Der Roman beschränkt sich nicht auf eine Hauptperson. Nach und nach erhält jeder der Charaktere Raum, sich zu entfalten und sich dem Leser vorzustellen, mit einer Intensität, die man gar nicht vermuten würde bei Romanfiguren. Sie wirken so echt in all ihren Eigenheiten, dass man alleine für diese Leistung den Hut vor Jennifer Haigh ziehen muss.

"Auftauchen" ist definitiv kein leichter Roman. Er legt schonungslos offen, wie viele Chancen wir verpassen, wie viel in jedem einzelnen Leben schiefgehen kann und dass man seine Familie niemals los wird, auch wenn man noch so sehr versucht zu fliehen.

Anja Thiemé

Probe


Hardcover | Erschienen: 1. April 2010 | ISBN: 9783426198599 | Originaltitel: The Condition | Preis: 19,95 Euro | 520 Seiten | Sprache: Deutsch

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