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 Gruselkabinett, Folge 40 und 41: Northanger Abbey


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Die siebzehnjährige Catherine Morland ist eine glühende Verehrerin von Schauerliteratur und wünscht sich nichts sehnlicher, als selbst einmal ein gruseliges Abenteuer zu erleben. Doch die Chancen dafür stehen schlecht, denn sie ist die Tochter eines Pfarrers und eines von zehn Geschwistern; ihr Leben ist schön, aber recht ereignislos. Alles wendet sich, als Catherine von Freunden ihrer Eltern für sechs Wochen zu einem Urlaub in den lebhaften Kurort Bath eingeladen wird. Hier locken nicht nur zahllose Zerstreuungen in Form von rauschenden Bällen und Theaterbesuchen, sondern Catherine findet auch Freunde, unter anderem die junge, hübsche Isabella Thorpe. Deren Bruder John, ein arroganter, ungehobelter Angeber, beginnt bald ein Interesse an Catherine zu entwickeln, doch ihr Herz ist bereits vergeben: Auf einem Ball hat sie die Bekanntschaft von Henry Tilney gemacht, einem gutaussehenden jungen Mann aus gutem Haus. Catherine schließt außerdem schnell Freundschaft mit Henrys Schwester Eleanor und ist entzückt, als die Tilneys sie auf ihr Anwesen, das alte Kloster Northanger Abbey, einladen. Nun scheint Catherine am Ziel ihrer Träume angelangt. Nur zu gern möchte sie die unheimlichen Gänge des Gemäuers erforschen und endlich ein echtes, möglichst gruseliges Abenteuer erleben, zumal sie ja mit ihrem Schwarm Henry Tilney dort unter einem Dach leben wird. Und tatsächlich scheinen die Gemäuer von Northanger Abbey ein dunkles Geheimnis zu verbergen …

"Northanger Abbey" wurde bereits Ende des 18. Jahrhunderts von Jane Austen verfasst, jedoch erst nach ihrem Tod im Jahr 1817 veröffentlicht. In der Reihe "Gruselkabinett" nimmt die Hörspielumsetzung dieses Romans eine besondere Stellung ein. Eigentlich handelt es sich nämlich keineswegs um eine gruselige oder unheimliche Geschichte, wie sie sonst in dieser Reihe zu finden sind, sondern vielmehr um eine Parodie auf die damaligen Gothic Novels, also die damals sehr populären Schauerromane, und eine sehr romantische Geschichte um Liebe und Intrigen. Wer tatsächlich Angst und Schrecken in diesem Hörspiel sucht, liegt falsch. Es gibt allenfalls ganz dezent gruselige Szenen -, wer aber eine sehr gelungene und sinnlich inszenierte Umsetzung eines Jane Austen-Romans hören möchte, der liegt genau richtig!

Die Darstellung der damaligen Zeit, der Bräuche und Sitten der gehobenen Gesellschaft ist einfach genial gelungen und perfekt vertont. Man gewinnt den Eindruck von wohlerzogenen Menschen, die pausenlos mit geschliffenen Sätzen höfliche Komplimente und Nettigkeiten austauschen, die aber außer dem Besuch von Theatervorstellungen, Ausstellungen, Bällen und sonstigen gesellschaftlichen Anlässen kaum etwas zu tun haben. Die Gespräche wirken aus heutiger Sicht relativ affektiert und gestelzt, gleichzeitig aber auch wunderbar romantisch und elegant. Die Sprecher bringen diese Epoche und die Menschen darin – zumindest die Vermögenden unter ihnen – ausgezeichnet zur Geltung. Vor allem Marie-Luise Schramm als Catherine überzeugt mit ihrer sanften Stimme und ihrer darin mitschwingenden naiven Vorstellung vom "echten" Leben. Die Tochter aus gutem Haus ist den Schauerromanen, die sie pausenlos verschlingt, vollkommen verfallen. Sie ist geradezu von der Idee besessen, dass es in Northanger Abbey ein furchtbares Geheimnis geben muss, das nur darauf wartet, von ihr entdeckt zu werden. Doch Catherine muss bald erkennen, dass ihr Leben kein Roman ist und dass es in der Wirklichkeit nicht so zugeht wie in einer Gothic Novel.

Titania Medien hat sich entschlossen, "Northanger Abbey" als Doppelfolge herauszubringen, was eine gute Entscheidung ist. Zwar besteht der erste Teil eher aus Vorgeplänkel – erst auf der zweiten CD trifft Catherine in Northanger Abbey ein und die Handlung kommt ins Rollen -, aber die lange Vorbereitung bietet ausreichend Gelegenheit, Catherine Morland, Isabella Thorpe und die Tilneys eingehend kennenzulernen, zumal die Beziehungen untereinander die entscheidende Rolle in diesem Roman spielen. Außerdem ist es einfach toll, der wunderschönen Inszenierung zu lauschen – immer vorausgesetzt, man findet sich damit ab, dass dies eigentlich keine passende "Gruselkabinett"-Folge ist. Die Sprecher sind auch abseits der Hauptfigur ausgezeichnet besetzt; nicht nur Fans der Reihe wird nahezu jede einzelne Stimme bekannt vorkommen. Zu hören sind unter anderem Hasso Zorn als Erzähler, Regina Lemnitz als Mrs. Morland, Timmo Niesner als James Morland, Norbert Langer als General Tilney, Robin Kahnmeyer als Henry Tilney, Cathlen Gawlich als Eleanor Tilney und Tanya Kahana als Isabella Thorpe.

Mit "Northanger Abbey" ist Titania Medien erneut eine wunderbare Umsetzung eines Literaturklassikers gelungen, die sich allerdings nicht wirklich in die Reihe einfügt – es gibt einfach weder Horror noch Grusel. Obwohl Schauerromane hier eine entscheidende Rolle spielen, ist der Stoff selbst nicht unheimlich oder besonders spannend, dafür aber sehr gefühlvoll und romantisch. Für alle, die Jane Austen mögen oder die schon immer neugierig auf ihre Werke waren, bietet diese Doppelfolge rund zwei Stunden reizvolle, perfekt inszenierte Unterhaltung, wenn auch völlig ohne Gänsehaut. Gruselfans sollten eher Folge 42 abwarten - hier hat sich das Gruselkabinett "Der Sandmann" von E.T.A. Hoffmann vorgenommen.

Christina Liebeck



CD | CD-Anzahl: 2 | Erschienen: 1. März 2010 | Laufzeit: 120 Minuten | Originaltitel: Northanger Abbey | Preis: 1799 Euro | Sprache: Deutsch

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