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 Little Brother

Autoren: Cory Doctorow
Sprecher: Oliver Rohrbeck
Übersetzer: Uwe-Michael Gutzschhahn
Verlag: Argon

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
San Francisco, in der Gegenwart: Der siebzehnjährige Marcus und seine engsten Freunde sind echte Computercracks, die in ihrer Freizeit gerne zocken und die auch schon mal die Überwachungsmechanismen der Schule überlisten, um sich unerlaubt vom Schulgelände zu entfernen. Bei einer dieser Aktionen werden die vier Freunde Zeugen eines verheerenden Anschlags, den Terroristen auf die Bay Bridge verüben und bei dem tausende Menschen getötet werden.
Unmittelbar danach werden die Freunde von der Heimatschutzbehörde verhaftet – ihr einziges Verbrechen ist es, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Vor allem für Marcus, der aufgrund seiner Computerkenntnisse für die Behörde sofort verdächtig ist, beginnt eine grauenhafte Zeit: er wird verhaftet, eingesperrt, gedemütigt und psychisch gefoltert. Als Marcus wieder frei ist, traut er sich aus Angst und Scham nicht, seinen Eltern oder jemand anderem davon zu erzählen. Stattdessen wachsen Wut und Rachegedanken in ihm. Während die Heimatschutzbehörde die terroristischen Anschläge als Vorwand nimmt, San Francisco in einen alles überwachenden Polizeistaat zu verwandelt, nehmen Marcus und seine Freunde den Kampf auf: Sie organisieren sich in einem Untergrundnetzwerk, um mithilfe modernster Technik die Regierung zu destabilisieren und um für Freiheit und das Recht auf Privatsphäre zu kämpfen …

Das erschreckendste an "Little Brother" von Cory Doctorow ist wohl, dass der Roman so nah an der Realität ist. Die Ereignisse spielen nach 9/11, in einem Amerika, das durch die Terroranschläge ohnehin schon sehr sensibilisiert ist. In Doctorows Vision einer nicht unwahrscheinlichen Zukunft wird kurzerhand ein zweiter Patriot Act beschlossen und die ohnehin schon stark eingeschränkte Privatsphäre der Bürger hat keinerlei Bedeutung mehr. Marcus ist nicht der einzige, der darunter leidet – bald muss sich jeder den Vorwurf gefallen lassen, ein potentieller Terrorist zu sein, wenn er nicht jegliche Informationen und Geheimnisse preisgibt. Wer auf seiner Privatsphäre beharrt, macht sich verdächtig, viele werden inhaftiert und verschwinden spurlos. Die Menschen werden mit Mitteln kontrolliert, die heute schon Alltag sind: Mautstationen, Kameras in Bus und Bahn und an öffentlichen Plätzen, Überwachung im Internet. Dem haben Marcus und seine Verbündeten ihre Jugend und ihre Technikbegeisterung entgegen zu setzen. Sie organisieren sich und starten verschiedene Aktionen, um die Heimatschutzbehörde bloßzustellen – und begeben sich damit in allerhöchste Gefahr. Doctorow macht in seinem Roman zum Glück nicht den Fehler zu übertreiben und San Francisco zur reinen, Jugendbuch-typischen Dystopie werden zu lassen, die man ihm nicht abkaufen würde. Seine Schilderungen von Unrecht, von Entführung und Folter amerikanischer Staatsbürger auf amerikanischem Boden sind unheimlich beklemmend, aber eben auch unheimlich realistisch – ohne weiteres könnte das Erzählte sich genau so zutragen oder bereits zig-fach zugetragen haben.

Der Autor betrachtet die gesamte Geschichte auch kritisch und wirft wichtige Fragen auf, denen sich Marcus stellen muss: Ist es erlaubt für etwas zu kämpfen, wenn man damit andere Menschen in Lebensgefahr bringt? Wo ist die Grenze zwischen legitimem Widerstand und kriminellen Aktionen? Und unter welchen Umständen sind wir bereit, unseren Stolz und unsere Prinzipien zu verraten? Letzteres rasend schnell, wie die Szenen in den amerikanischen Geheimgefängnissen aufzeigen. Dabei nutzt der Autor die Positionen von Marcus' Eltern, um die verschiedenen Seiten der Medaille zu repräsentieren: Während Marcus' Mutter als in die USA eingewanderte Engländerin empört darüber ist, dass ihre Bürgerrechte schleichend außer Kraft gesetzt werden und dass Willkür und Gewalt von Seiten der Polizei herrschen, ist Marcus' Vater eher konservativ – er sieht es als richtig an, wenn die Bürger zum Schutz vor Terrorismus auf ihre Rechte verzichten müssen, schließlich geht es um das Wohl aller. Dabei ist die Figur des Vaters dem Autor etwas zu einseitig geraten; er vertritt einen ziemlich unkritischen und naiven Standpunkt, was nicht immer glaubwürdig ist, die Handlung aber in gewisser Weise vorantreibt.
Sehr überzeugend und lebendig gelesen wird das Hörbuch von Oliver Rohrbeck, der den Ich-Erzähler Marcus so vorträgt, dass man mit ihm leidet und mitfiebert.

"Little Brother" ist ein leidenschaftliches und clever erzähltes Plädoyer für den Schutz der Privatsphäre, für die Freiheit und für das Recht des einzelnen auf seine Grundrechte, die auch in Ausnahmesituationen nicht einfach außer Kraft gesetzt werden dürfen. Ein wichtiges Jugendbuch, das jeder, der sich mit aktuellen Fragen von Datenschutz, informationeller Selbstbestimmung und Bürgerrechten auseinandersetzt, gelesen und gehört haben sollte. Auch wer nicht so technikaffin ist und zwischen Begriffen wie Paranoid Linux, Flashmob und Web of Trust ins Schwimmen kommt, braucht keine Angst zu haben - das meiste wird innerhalb der Geschichte erklärt.

Christina Liebeck

Probe


CD | CD-Anzahl: 6 | Erschienen: 1. Januar [Value3] | ISBN: 9783839840030 | Laufzeit: 450 Minuten | Originaltitel: Little Brother | Preis: 19,95 Euro | Sprache: Deutsch

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