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Eigentlich wollen Felix, Marc, Bernhard und Zoe nur ein Fußballspiel im Fernsehen schauen – und dann liegt auf einmal Aufbruchstimmung in der Luft, denn Felix' Onkel hat seinem Neffen überraschend ein Haus in Frankreich vermacht. Am nächsten Morgen brechen Felix, Marc und Bernhard in Marcs klapprigem VW-Bus Richtung Südwesten auf; Zoe hat kurzfristig abgesagt, stößt aber später wieder zu ihnen – mit gebrochenem Herzen.
Mittendrin gabeln die Freunde auch noch Lilith auf, die den aufdringlichen Annäherungsversuchen ihrer Mitfahrgelegenheit entflohen ist und die sich gerne dem so ungleichen Grüppchen anschließt. Eine schmerzhaft-schöne Reise nimmt ihren Lauf, an deren Ende keiner mehr derselbe ist. Die Fahrt nach Südfrankreich ist nicht nur gespickt mit Selbsterkenntnis, Träumen und der Frage, was man vom Leben wollen soll, sondern auch mit handfesten, irrwitzigen Abenteuern, bei denen die fünf Reisenden fast ertrinken, ein Provinzkino umdekorieren, trinken, kiffen, von der Polizei verfolgt werden, sich verlieben und enger zusammenfinden als jemals zuvor in ihrem Leben.
Mit "Nächsten Sommer" ist Edgar Rai ein schmerzhaft-schönes Roadmovie gelungen, das sowohl einen grandiosen Sommer voller Freiheit und viel Fernweh atmet als auch eine Menge Melancholie und Abschied. Der Titel sagt es bereits – als Insiderwitz steht die Formulierung "Nächsten Sommer" bei den vier Freunden Felix, Marc, Bernhard und Zoe für etwas, das niemals eintreffen wird, für ein ironisches Vertrösten auf nie.
Mit klaren, aber trotzdem poetischen und locker-leichten Worten beschreibt der Autor nicht nur die Reise selbst, sondern auch die fünf Hauptfiguren: Der Ich-Erzähler Felix ist ein Mathegenie, war zeitlebens ein Außenseiter, der unter seinem übermächtigen Vater leidet und nicht so recht weiß, was er vom Leben will – und was er überhaupt wollen soll.
Sein bester Freund Marc ist das genaue Gegenteil – locker, unbekümmert, ein begabter Musiker und Herzensbrecher mit dem lässigen Aussehen eines Surfers. Bernhard, der immer schwarzsehende, asketische Muskelprotz, leidet vor allem unter den Grenzen, die er sich selbst immer wieder setzt, und unter dem langsamen Tod seiner schwer kranken Mutter.
Zoe ist mit Leib und Seele attraktive, clevere Karrierefrau, die sich den dicksten Fisch im Teich angeln will – doch der dickste Fisch ist ihr Chef, der verheiratet ist und ein ums andere Mal seine Versprechen an Zoe bricht. Lilith schließlich hat gerade eine schmerzhafte Trennung von ihrer großen Liebe hinter sich und mischt das vierköpfige Grüppchen mit ihrer Unbekümmertheit und ihrer riesigen Oberweite erstmal so richtig auf. Später stößt in einem winzigen Dorf in Frankreich auch noch die traurige Jeanne zu ihnen, die versucht, ihrem alten Leben zumindest für kurze Zeit zu entfliehen.
"Nächsten Sommer" macht Lust darauf, sich jetzt gleich ins Auto zu setzen, alle Zelte abzubrechen, den Job Job sein zu lassen und die Freiheit zu genießen. Wie fast alle Roadmovies ist dieses Abenteuer aber nicht nur spannend und lustig, sondern für die fünf (und später sechs) Insassen in ihrem uralten Gefährt auch eine Reise zu sich selbst, aus der alle nach vielen Konfrontationen verwandelt, verletzt und gestärkt hervorgehen. Am Ende ahnt der Leser, dass die Versprechen, die hier gegeben werden, mit dem Zusatz "Ganz sicher nächsten Sommer" nicht eingehalten werden können, dass nicht alle Träume erfüllt werden können und das sich die Lebenswege trennen - aber nicht für alle.
Ein klarsichtiger, mal fröhlicher, mal trauriger, von leichter Hand erzählter Roman mit viel emotionalem Tiefgang, der immer genau den richtigen Ton trifft und seine Figuren so lebendig aufs Papier bringt, dass man sich sofort mit auf die Reise begeben möchte nach Frankreich, wo ein Haus am Meer wartet. Eine Leseempfehlung, die man sich unbedingt diesen Sommer noch gönnen sollte!