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 Die Lügen, die wir erzählten


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
1947, die Menschen in Amerika möchten endlich ihr Leben genießen, der Krieg ist vorbei und viele Möglichkeiten stehen offen. So erlebt auch Evie die Zeit ihres Heranwachsens. Jahrelang war sie zusammen mit ihrer schönen Mutter und der griesgrämigen Großmutter alleine, nun ist endlich ihr Stiefvater Joe aus dem Krieg zurückgekehrt. Er hat den amerikanischen Traum verwirklicht und sich hinauf gearbeitet, vom ehemaligen Soldaten zum Inhaber mehrerer Geschäfte. Um den neuen Luxus zu genießen, fährt er gemeinsam mit seiner Frau und Evie nach Palm Beach. Hier sollen sie den Sommer auskosten. Doch als ein junger Mann, Peter, im Hotel auftaucht, der Joe noch aus Kriegszeiten zu kennen scheint, verändert sich schleichend alles. Evie verliebt sich in den gutaussehenden, charmanten Mann und würde alles tun, um nicht nur als kleines Mädchen gesehen zu werden. Doch ein Geheimnis verbindet Joe und Peter, dem Evie nur langsam auf die Schliche kommt und das alles zu verändern droht.

Es liegt ein ganz eigener Zauber über den Beschreibungen dieses Sommers. Zunächst fröhlich, lebendig und hoffnungsfroh, verkehrt sich alles nach und nach ins Gegenteil, so schleichend, dass der Leser es anfangs ebenso wenig wahrnimmt wie Evie selbst. Die gesamte Geschichte ist aus ihrer Sicht geschildert, so dass der Leser sich die Geheimnisse und Bedrohungen im Hintergrund nur gemeinsam mit ihr zusammen reimen kann. Was genau Peter und Joe verbindet, was sie im Schilde führen und wie dieses Rätsel alle anderen Charaktere des Buches mehr oder weniger betrifft, das reicht weit in die Vergangenheit des Krieges zurück. Die Verbindung aus den Erzählungen aus Kriegstagen und dem gelebten Luxus zur Erzählzeit stellen einen deutlichen Gegensatz dar, auch wenn Evie all die Schrecken des Krieges nicht direkt miterlebt hat.

Aber nicht nur die eigentliche Handlung macht das Buch spannend, auch die Fragen, die sich dem Leser unweigerlich aufdrängen, haben es in sich. Es geht um Vertrauen, Betrug, Wahrheit und Lüge und die große Frage, wem man überhaupt trauen kann und darf. Wie weit geht die Loyalität zu den Eltern? Was bedeutet die erste Liebe? Wie kann es sein, dass ein Mensch eine Sache vertritt, aber dann doch anders handelt? Rechtfertigt der Krieg Verbrechen? Darf, muss man lügen, um andere zu schützen – auch wenn man sich nicht sicher ist, ob sie diesen Schutz verdienen? Evie muss all dies miterleben und lernen, es zu verstehen. Dadurch verändert sich in diesem Sommer nicht nur ihr Auftreten – sie weigert sich, sich weiterhin als kleines Mädchen zu zeigen -, sondern vor allem ihre Überzeugungen und Entschlüsse für ihr restliches Leben werden gefestigt.

"Die Lügen, die wir erzählten" ist ein spannender, sehr dicht geschriebener Roman um ein junges Mädchen, dass sich nicht nur mit der eigenen Rolle zwischen Kind und Frau anfreunden muss, sondern auch mit großen Fragen über Lüge, Vertrauen und Integrität konfrontiert wird. Noch nachdem die letzte Seite gelesen wurde, Evies Entschluss für ihr restliches Leben feststeht, ist man als Leser gebannt von den Seiten und stellt sich automatisch die Fragen, mit denen auch Evie konfrontiert war.

Anja Thiemé



Hardcover | Erschienen: 1. Oktober 2010 | ISBN: 978-3473353309 | Originaltitel: What I Saw and How I Lied | Preis: 16,95 Euro | 284 Seiten | Sprache: Deutsch

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