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Emily ist begeistert: Ihr Vater hat ihre Anregung umgesetzt und hat tatsächlich den Wettbewerb um den Entwurf zum Bau des Gebäudes der Weltausstellung gewonnen. Dieser "Kristallpalast" soll mitten im Hyde Park in London entstehen und viermal so groß sein wie der Petersdom in Rom. Als eine "Kathedrale des Fortschritts" wird dieser Bau gerühmt und Arbeiter aus ganz Großbritannien strömen in die Hauptstadt, um den Traum vom Paradies wahr werden zu lassen.
Emily vergöttert ihren Vater, der sich vom Gärtner zum Besitzer der Eisenbahngesellschaft in London hochgearbeitet hat, schon seit frühester Kindheit. Zusammen züchteten sie exotische Pflanzen wie die Riesenseerose
victoria regia, erweckten Insekten zum Leben und schmiedeten Pläne, um die Welt zu erforschen. Von ihm erfuhr sie auch schon im frühesten Alter das Geheimnis des Lebens:
"Alle Lebewesen, ob Tiere oder Pflanzen, haben nur ein Ziel: Sie wollen Leben und sich weiterentwickeln. Das ist ihr Sinn und ihr Zweck. Jedes Wesen versucht darum, sich in der Natur soviel Raum und Nahrung zu erobern, wie es dazu braucht."Anfänglich ist sie von dieser Einfachheit noch begeistert, doch mit zunehmendem Alter erfährt sie auch die Schattenseiten dieses Überlebenskampfes, dies nicht zuletzt durch den Wettlauf mit der Zeit, um den Kristallpalast rechtzeitig fertig zu stellen. Zufällig trifft sie Victor, ihren Jugendfreund, wieder, der als Glaser am Bau arbeitet. Die alte Verbundenheit zwischen den beiden entsteht sofort wieder und Victor führt Emily in "sein" London, das London der Schwachen und Armen, ein. Hier sieht Emily, dass das viel gelobte Geheimnis des Lebens in Wirklichkeit grausam ist: Die Starken entziehen den Schwachen jegliche Lebensgrundlage.
An der Seite von Victor taucht sie immer tiefer in die Welt der Schwachen ein und sieht, dass der Traum vom Paradies, welches vom Kristallpalast dargestellt werden soll, viele Opfer fordert. Dass ihr Vater den Tod von Menschen in Kauf nimmt, um seinen eigenen Traum zu erfüllen, stößt sie ab und sie entzieht sich immer mehr der Familie, bis sie sich endgültig entscheiden muss, welches ihr Leben ist: Das Leben mit ihrer Familie oder das Leben an der Seite Victors.
Der Autor Peter Prange bringt mit diesem Roman vorläufig seine "Weltenbauer-Trilogie" zum Abschluss. Diese Trilogie schildert, wie das Leben von starken jungen Frauen verlaufen sein könnte und umfasst dabei drei Jahrzehnte. Die anderen beiden Bände sind "Die Philosophin" und "Die Principessa". Verbunden sind die drei Bände dadurch, dass stets Frauen die Hauptpersonen sind, obwohl in ihren Zeiten alle Umstände gegen emanzipierte und gebildete Frauen standen.
Auch hier setzt der Autor eine junge Frau, die ihren eigenen Weg gehen muss, in eine hektische und auf Fortschritt bedachte Zeit. Dabei stützt er sich auf durchaus fundierte Grundlagen: Zwar ist von der wirklichen Miss Emily Paxton kaum etwas bekannt, doch der Lebensweg ihres Vaters Joseph Paxton verlief wirklich so, wie im Buch beschrieben. Auch viele andere historische Personen, nicht zuletzt Queen Victoria und Prinz Albert, werden eingeflochten.
Um die Authenzität zu wahren, griff der Autor auf die Hilfe vieler Professoren zurück, wodurch die Schilderungen der Armut und der Technik einen sehr realistischen Eindruck machen.
Im Vordergrund des Romans steht der Bau der Weltausstellung, doch die Liebesgeschichte von Emily und Victor zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte und ermöglicht es dem Leser, Einblick in das Leben der Ober-, sowie der Unterschicht Londons zu erhalten.
Obwohl der Roman immerhin 558 Seiten umfasst, ist er flüssig zu lesen, da einzelne Handlungsabschnitte unterteilt werden. Diese Sinnabschnitte ziehen sich bis 1936, als die Geschichte des Kristallpalastes endgültig endet.
Das Buch macht sich in jedem Bücherregal sehr gut, da die Aufmachung wirklich gelungen ist. Das Hardcover-Buch hat einen dunkelroten Schutzumschlag, dessen Vorderseite von einem Portrait einer jungen Frau, die Emily Paxton darstellen soll, geziert wird. Auch die Rückseite ist durchaus ansehlich, hier findet sich eine Zeichnung des Kristallpalastes und ein Schriftzug, der nochmals zusammenfasst, um was es in diesem Roman vornehmlich geht:
Fortschritt - Unrecht - Ruhm - Hass - und Liebe.
Dieser Roman ist für alle Leser zu empfehlen, die sich für gesellschaftskritische historische Romane interessieren und sich auch nicht scheuen, eine schöne Liebesgeschichte zu lesen, die gar nicht so vorhersehbar ist, wie es an manchen Stellen erscheint.