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Selbst der reinlichste Mensch kann nicht verhindern, dass ihn Unmengen von Mikroorganismen besiedeln: Bakterien, Viren, Pilze, Milben und viele mehr. Rund 90 Prozent der Zellen unseres Körpers sind aus biologischer Sicht nicht menschlicher Natur, sondern gehören zu diesen unseren Besiedlern. Das ist jedoch gut so, denn dem gesunden Menschen nützen viele der kleinen Bewohner, und die anderen pflegen nicht zu stören, so lange den Körper nichts anderes aus dem Lot bringt.
Wie das hier besprochene Buch zeigt, von dem 2010 eine Neuauflage erschien (der Rezensentin liegt die 5. Auflage von 2006 vor), wirken sich die auf und in uns beheimateten Winzlinge in höchst vielfältiger Weise aus. So sorgen sie dafür, dass wir durch unseren Schweiß gewissermaßen sexuelle Duftmarken setzen – wenn wir der Arbeit der Mikroben nicht durch Deodorants begegnen -, dass die Verdauung reibungslos funktioniert und dass schädliche Mikroorganismen, die uns ständig bedrohen, nicht von unserem Körper Besitz ergreifen können. Im Gegenzug werden sie zuverlässig mit Nahrung versorgt, sind relativ gut geschützt und können sich im gegebenen Rahmen ungestört, den meist ihre "Kollegen" vorgeben, vermehren. Das Leben in einer sterilen Umgebung hingegen macht den Menschen krank, wie der Autor anhand von Studien aufzeigt: Selbst Babys brauchen die Interaktion mit Keimen und entwickeln sich nach und nach zu funktionierenden Biotopen.
Freilich gibt es auch andere, eher lästige oder auch gefährliche potenzielle Bewohner: so zum Beispiel viele Blutsauger wie den heute in der Heilkunde wieder genutzten Blutegel und natürlich die Stechmücken oder auch Zecken, Läuse, Wanzen und Flöhe. Der Autor befasst sich zudem unter anderem mit neueren Forschungsergebnissen, die darauf hinweisen, dass unter unseren Besiedlern vor allem Viren Krebs auslösen können.
Man mag den Gedanken an die genannten "fiesen" Winzlinge ekelhaft finden oder faszinierend, spannend ist dieses Buch auf jeden Fall. Es vermag aufzuzeigen, dass die menschliche Existenz ohne jene überwiegend nur unter dem Elektronenmikroskop sichtbaren Mitglieder der "Wohngemeinschaft Mensch" nicht funktioniert. Nun stammt das Buch aus dem Jahr 2000, und die Neuauflage dürfte kaum in größerem Umfang an den aktuellen Stand der sich rasch entwickelnden Forschung angepasst sein, doch die meisten Fakten sind heute noch gültig.
Der Autor hat ein so fesselndes wie bislang außerhalb der reinen Wissenschaft wenig beachtetes Thema herausgegriffen, sorgfältig recherchiert und für den Laien verständlich aufbereitet. Erfreulicherweise lässt sich das Buch auch ohne entsprechende Vorkenntnisse lesen, ohne banal zu wirken, auch wenn es nicht sonderlich in die Tiefe geht. Hier setzt auch die Kritik an: Zwar werden immer wieder reizvolle historische Gebräuche im Zusammenhang mit Parasiten erzählt, zum Beispiel die Sitte, den eingegangenen Floh der Liebsten in einem Käfig um den eigenen Hals zu tragen, aber die gemeinsame evolutionäre Geschichte und die dazu gehörige Vorgeschichte (eben die im Untertitel erwähnte, aber im Buch nicht wirklich oft thematisierte Geschichte unserer Besiedler) kommt doch häufig zu kurz, und gerade sie hat eine Menge zu bieten und kann auch über unsere eigene Evolution und Vorgeschichte viel erzählen, unter anderem über die Ausbreitung des Menschen über die Erde.
Insgesamt aber enthält das Buch eine Menge Wissenswertes. Die Texte werden häufig von tabellarischen Übersichten oder Schemazeichnungen ergänzt, aus denen sich zum Beispiel die verschiedenen Phasen der bakteriellen Zahnbesiedlung nach dem Zähneputzen erschließen oder die Angriffspunkte Krebs erzeugender Viren. In den Texten findet sich nicht selten ein Schuss Humor, zu dem das Thema natürlich reizt.
Kurzweilige und originelle Lektüre zu einem für jedermann interessanten Thema, die keine Fachkenntnisse voraussetzt.