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Seit Jahrzehnten hat es keine Kirchner-Retrospektive in Deutschland mehr gegeben. 2010 setzte das Frankfurter Städel dem ein Ende und konzipierte aus eigenen Beständen und Leihgaben von etlichen Museen und privaten Sammlern eine aufwändige Ausstellung. Da das Städel auch zu Lebzeiten schon in enger Beziehung zu Kirchner stand, bot sich das Projekt aus verschiedenen Gründen an.
Der Katalog zur Ausstellung, im Verlag Hatje Cantz erschienen, ist Gegenstand dieser Rezension. Wie die meisten in letzter Zeit erschienenen Kataloge beschränkt er sich nicht darauf, die Exponate abzubilden und ihre Kenndaten anzugeben, sondern er bietet neben großformatigen Abbildungen auch gehaltvolle Essays und Einführungen zu den jeweiligen Ausstellungsteilen.
Nach dem Vorwort des Städel-Direktors und einer umfassenden Betrachtung des Lebens und Wirkens des Künstlers Ernst Ludwig Kirchner folgt der Tafelteil mit den Kapiteln "Kirchner im Blick", "Die frühen Jahre", "Der Expressionist in Dresden", "Der Expressionist in Berlin", Krieg und Zusammenbruch", "Bergwelten. Kirchners erste Jahre in Davos" sowie "Der 'neue Stil'". Hier schließen sich hochwertige Abdrucke der präsentierten Werke Kirchners an jeweils eine der erwähnten Einführungen an, die ebenfalls bebildert sind.
Die Essays tragen die Titel "Ernst Ludwig Kirchner und Frankfurt am Main", "'Aus zweien eins.' Kirchners Bilder von Paaren" und "'Gezeichnetes Tagebuch' – Ernst Ludwig Kirchners Arbeiten auf Papier". Schließlich folgt der eigentliche Katalog. Den Abschluss bilden Biografie und Bibliografie.
Von Anfang an präsentiert sich das Werk als anspruchsvolle und als ausgesprochen gut gelungene Symbiose aus Katalog, Bildband und Sachbuch. Sämtliche Textbeiträge befassen sich intensiv mit dem jeweiligen Gegenstand und setzen sich mit ganz unterschiedlichen Aspekten des "schwierigen" Künstlers und Charakter Kirchner auseinander. So lernt der Leser - durchaus auch, wenn er bereits etwas Kunstinteresse und -wissen mitbringt - Kirchner aus sehr verschiedenen Perspektiven kennen und dessen nicht einfaches und tragisches Leben kennen, nicht zuletzt vor dem politischen Hintergrund seiner Zeit.
Neben der Vita und deren Einflüssen auf Kirchners Kunst erschließen sich bei der Lektüre auch nach und nach die ganze Bandbreite von Kirchners Genie, ihre Rezeption und vieles mehr. Nicht nur die hochwertigen Essays bieten hier herausragende Einblicke und Hintergrundinformationen, sondern auch die Beiträge, die, wie erwähnt, den einzelnen Abschnitten vorausgehen. Sie alle werden, wo von Interesse, durch Abbildungen weiterer, meist nicht in Frankfurt ausgestellter Werke ergänzt.
Die Abdrucke von Kirchners Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen im Tafelteil nützen das großzügige Format aus. Auf diese Weise kommen die Bilder gut zur Geltung. Auch ganz allgemein ist die Druckqualität vorzüglich.
Im Katalogteil findet man eine kleine Abbildung des Werks und darunter die Basisangaben wie Katalognummer, Seite im Buch, Material, Maße und Eigentümer. Ausgewählte Literatur schließt sich an, gefolgt von einer kurzen Werksbeschreibung und –interpretation in sehr kleiner Schrift.
Wer die Ausstellung besucht hat und ein Buch zur Nachbereitung oder zur Aneignung von Sachwissen über Kirchner sucht, erhält mit diesem Werk eine ausgezeichnete Sammlung von Bildern und Informationen. Doch auch jedem anderen Kunstinteressierten ist das Buch sehr zu empfehlen: Es bietet eine Fülle an ausgewählten, in angenehmem Stil dargebotenen Informationen, die sich perfekt zum Aneignen von Wissen eignen, einen präzisen und ausführlichen Katalog sowie hochwertige Abbildungen der Kunstwerke selbst. Ein ausgezeichnetes Buch über diesen ungewöhnlichen Künstler mit einer bemerkenswerten Auswahl aus seinem Werk!