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 Chic im Osten

Mode in der DDR


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Modischer Chic ist wohl nicht gerade die erste Assoziation, die sich bei den meisten einstellt, wenn sie an DDR-Kleiderschränke denken. Bei vielen (insbesondere wohl bei ehemaligen 'Wessis') werden eher wenig 'stylishe' Bilder auftauchen: Bilder von den uniformen Kluften der zahlreichen DDR-Organisationen, von Dederon-Kittelschürzen und robusten Arbeitsanzügen – kurz: von einem dem Prinzip der sozialistischen Planwirtschaft geschuldeten Einerlei, das außer schweißtreibenden Chemiefasern nicht viel zu bieten hatte.
Aber Not macht ja bekanntlich erfinderisch. Dass gerade ökonomische und politische Zwänge die modische Kreativität und Eigeninitiative im Osten anspornten, will Ute Scheffler mit ihrer Zeitreise durch die 40-jährige Modegeschichte der DDR unter Beweis stellen. In buntbebilderten Texten zeichnet sie nach, wie sich die ostdeutsche Garderobe vor allem für die Frau vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Mauerfall entwickelte. Der Leser erfährt nicht nur, was in welchem Jahrzehnt 'in' war und welche internationalen Trends beispielsweise von den Pariser Laufstegen doch noch ihren Weg in den Osten fanden. Er kann auch nachlesen, wie sich die Kleiderproduktion und die Möglichkeiten des Kleidererwerbs offiziell gestalteten und auf welche Ideen die Menschen kamen, um doch an so etwas wie den heißbegehrten Petticoat oder Jeans heranzukommen, die das Regime verpönte. Neben der Autorin, die diese Geschichten in längeren Texten zusammenfasst, kommen in kurzen Zitaten von Mannequins, Modeschöpfern und Privatleuten sowie in Abdrucken aus damaligen Zeitschriften auch andere Zeitzeugen zu Wort. Und wer nicht nur nachlesen will, wie man damals mit Hilfe von Stoffresten und Nähmaschine den heimischen Kleiderschrank mit Eigenkreationen bereichern konnte, kann mit dem Buch von Ute Scheffler auch aktiv 'ostalgische' Modezeiten wiederauferstehen lassen: Als "Mode-Bonbons" gibt es zu jedem Jahrzehnt Anleitungen zum Selbermachen, z.B. zum Nachschneidern einer Cocktailschürze aus den 1960ern oder von Shorts aus den 1980ern.

Das Buch ist wohl vor allem für diejenigen das Richtige, die gerne in eigenen DDR-Modeerinnerungen schwelgen wollen. Hier kann es bestimmt dazu animieren, mal wieder alte Fotos aus der Schublade zu kramen und zu zeigen: "Sehr her, den Rock habe ich mir damals aus einem alten Nachthemd meiner Mutter selbst geschneidert und war damit der Star auf meiner Geburtstagsparty." Auch denjenigen, die gerne einen Eindruck früherer Modetrends sammeln wollen, bieten vor allem die zahlreichen Abbildungen nett anzusehendes Schmökermaterial. Allerdings stellt sich die Frage, ob das Buch tatsächlich ein so authentisches Bild der DDR-Mode wiedergibt. Auf den ersten Blick könnten die Bilder für das unkundige Auge auch Mode aus Westdeutschland zeigen – hier hätte eine Gegenüberstellung unterschiedlicher Trends doch sehr interessant sein können. Auch läuft das Buch vor allem durch die Abbildungen ein wenig Gefahr, auf einer Ostalgie-Welle mitzuschwimmen, die die Eingriffe in die private Freiheit zu sehr verharmlost. Das fröhlich bunte Bildmaterial, das beinahe ausschließlich aus offiziellen Modezeitschriften und Werbebroschüren stammt, gewährt leider weniger einen Einblick in den privaten Modealltag, sondern reproduziert vor allem die staatliche Eigenvermarktung der DDR. Auch das ist interessant, hätte aber auch im Text reflektiert werden müssen. Differenzierter spiegelt sich das Verhältnis der DDR zur Modewelt dagegen in den Berichten von Menschen wie einer Textilingenieurin, die die Möglichkeiten und Grenzen ihrer gestalterischen Freiheit beschreibt. Schade, dass das Buch nicht noch mehr privates Bildmaterial liefert und das Thema insgesamt doch sehr oberflächlich behandelt. Es ist jedoch schön und materialreich gestaltet und gut geeignet, um einfach ein wenig zu blättern, in den Texten herumzuschmökern und über Mode zu plaudern.

Silke Hettich



Hardcover | Erschienen: 25. April 2010 | ISBN: 9783897982987 | Preis: 15,90 Euro | 176 Seiten | Sprache: deutsch

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