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 Das amerikanische Hospital


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ende 1991 treffen in der Empfangshalle des Pariser Amerikanischen Hospitals durch einen Zufall zwei Menschen aufeinander, denen es das Schicksal nicht leicht macht: Hélène, die auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen kann und sich im Hospital künstlich befruchten lässt, und David, ein Amerikaner.
David bricht mit heftigen Krämpfen vor Hélène und anderen Menschen zusammen. Nur sie versucht zu helfen, und als die beiden einander bald darauf neuerlich begegnen und ins Gespräch kommen, stellt sich heraus, dass der zutiefst neurotische David, ein Berufssoldat, seinen Einsatz im Irak nicht verarbeiten kann und zerrissen ist zwischen seiner Überzeugung, sein Beruf sei eine Mission, und dem Entsetzlichen und all dem mörderischen Unrecht, das er erlebt und zum Teil mit verursacht hat. Seine Neurose hat ihn so fest im Griff, dass er sich nicht mehr in die Öffentlichkeit wagt.

Hélène, die Soldaten hasst – ihr Vater und der Liebhaber ihrer Mutter haben in der französischen Armee gedient und ihr äußerst negative Eindrücke hinterlassen -, kommt damit zunächst nicht zurecht. Doch mit der Zeit entwickelt sich zwischen den beiden eine eigenartige Freundschaft. Sie verabreden sich, wenn Hélène zu einer neuerlichen Behandlung ins Hospital muss. Und das geschieht in regelmäßigen Abständen. Denn Hélène wird zwar dank der In-vitro-Fertilisation immer wieder schwanger, verliert jedoch jedes Mal die Frucht.
Hélène hilft David, sich ein Stück weit in das Leben "draußen" zurückzutasten. Und dann, an dem Tag, an dem sich Hélène entschließt, die Weichen für ihr Leben neu zu stellen, ist es David mit seiner tief sitzenden Angststörung, der ihr folgt, als sie aus dem Hospital stürzt – hinaus in eine wahre Hölle, denn in Paris herrscht Generalstreik.

Die beiden Protagonisten könnten nicht unterschiedlicher sein, und doch verbindet sie außer ihrem seltsamen ersten Zusammentreffen etwas: Hier finden sich zwei Menschen, die mit dem Schicksal nicht zurechtkommen und auf ihre Weise versuchen, es zu umgehen.
Hélène, im Grunde von ihrem Mann dazu gedrängt, ergibt sich in das erniedrigende Prozedere immer neuer Versuche einer künstlichen Befruchtung, bis sie sich ganz auf ihren Körper oder vielmehr dessen reproduktionsbiologisch relevante Teile reduziert fühlt. Bezeichnenderweise bleibt Hélènes Ehemann im Roman ohne Namen; wenn einmal von ihm die Rede ist, wird er einfach als "ihr Mann" bezeichnet. Überraschenderweise gehört ihm jedoch das letzte Kapitel, und da er als Ich-Erzähler auftritt und nun auch, wenngleich nebenher, einen Namen erhält, lernt ihn der Leser überraschend gut kennen. Und der Leser begreift auch die andere Seite jener im Grunde durch die verzweifelten Versuche, ein Kind zu bekommen, unglücklich gewordenen Ehe, nachdem er sich über viele Kapitel auf Hélène eingelassen hat.
Hier entsteht scheinbar ein leichtes Ungleichgewicht, standen sich doch Hélènes und Davids Schicksale zuvor gleichberechtigt gegenüber. Es gelingt dem Autor jedoch, auch David noch einmal angemessen Platz einzuräumen, ohne dass dies konstruiert wirkt.

Wie auch die Protagonisten entwickelt sich der Roman allmählich – nicht linear, sondern häufig in Schüben: eine neuerlich mit Abort endende Befruchtung Hélènes, ein Rückfall Davids, Erzählungen beider über ihre Vergangenheit, die erschütternde, doch authentische Szenen aus dem Golfkrieg enthalten, aber auch familiäre Tragödien.
Somit ist zwar die Freundschaft zwischen David und Hélène der eigentliche rote Faden des Romans, aber man könnte auch sagen, es handle sich um ein Buch, das an die Gräuel des Golfkriegs von 1990/91 aus individueller Sicht herangeht; oder um einen Roman, in dem sehr sensibel an das Thema künstliche Befruchtung, vor allem aus Sicht der Frau, herangegangen wird.
Und in der Tat fühlt sich der Autor hervorragend in seine Protagonisten ein und lässt so auch den Leser in aufwühlender Weise an ihren Empfindungen, ihren vagen Hoffnungen und verstörenden Ängsten teilhaben; dies eingebettet in verschiedene Orte innerhalb von Paris, die eine angemessene Kulisse ergeben und sich zum Teil selbst gewissermaßen in die Geschichte einbringen. Nichts wirkt übertrieben oder aufgesetzt, Effekthascherei findet man nicht in diesem Roman. Die historischen und medizinwissenschaftlichen und technischen Hintergründe hat der Autor offensichtlich ausgezeichnet recherchiert, sodass ein zugleich informatives und zutiefst anrührendes Buch resultiert.

Der Verlag hat für "Das amerikanische Hospital" auf seiner Website ein Special vorbereitet, welches unter anderem ein Interview mit Autor Michael Kleeberg, ein Video und eine Leseprobe enthält: zum Special von "Das amerikanische Hospital"

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 30. August 2010 | ISBN: 9783421043900 | Preis: 19,99 Euro | 240 Seiten | Sprache: Deutsch

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