Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Bereits zum fünften Mal ermittelt Superintendent Roy Grace von der Kriminalpolizei Brighton in "Und morgen bist du tot". Diesmal bereiten gleich mehrere Leichen dem Kommissar Kopfzerbrechen: Drei tote Teenager wurden aus dem Meer vor der Küste gefischt; den Körpern fehlen alle lebenswichtigen Organe wie Leber, Nieren, Herz und Lunge. Geschichten von Menschen, die in zwielichtigen Bars arglos etwas trinken und am nächsten Morgen in einer Badewanne voller Eis und mit einer Niere weniger aufwachen, hatte Roy Grace bisher im Reich der modernen Mythen angesiedelt. Kann es wirklich sein, dass ausgerechnet in England eine Bande von abscheulichen Organhändlern ihr Unwesen treibt?
Auch der fünfte Krimi der Roy-Grace-Reihe von Peter James ist wieder ein solider, unterhaltsamer Thriller geworden, allerdings will der entscheidende Funken hier nicht ganz überspringen. Wie auch in den Vorgängerbänden widmet der Autor der privaten Seite seiner Charaktere wieder viel Zeit: So scheint sich in Roy Grace' Leben endlich alles zum Besseren zu wenden – er ist sich seiner Liebe zu Cleo so sicher wie nie zuvor und kann sich endlich von Sandy, seiner vor vielen Jahren spurlos verschwundenen Frau, lösen. Hier erhält der Leser auch endlich einen ganz entscheidenden, wenn auch nicht wirklich befriedigenden Hinweis, was es mit Sandys Verschwinden auf sich hat. In den nächsten Roy-Grace-Romanen – der sechste ist auf Englisch im Juni 2010 unter dem Titel "Dead like you" erschienen – wird dieses Thema sicher noch weiter verfolgt und irgendwann wohl einen kompletten Fall einnehmen. Doch obwohl diese Hintergrundgeschichte durchaus spannend ist, ist der Leser nach vier Bänden nun langsam etwas genervt, dass Peter James dem Leser dauernd winzige Häppchen hinwirft, ohne scheinbar jemals zum Punkt zu kommen. Ähnlich verhält es sich mit Grace' Freund und Partner Glenn Branson, dessen Ehe nach wie vor in Scherben liegt. Auch hier geht es kaum vorwärts, auch wenn Branson diesmal einen großen Teil zur Ermittlungsarbeit besteuern darf.
Das Thema von "Und morgen bist du tot" – Organhandel – ist gut gewählt und ausgezeichnet recherchiert. Über die Schilderung von mehreren Einzelschicksalen spricht Peter James den Leser auf einer emotionalen Ebene direkt an und schildert unter anderem, wie ein Mann bei einem Motorradunfall ums Leben kommt und seine Frau die schwere Entscheidung treffen muss, seine Organe freizugeben. Im Mittelpunkt steht das Schicksal der jungen Caitlin, die an einer unheilbaren Lebererkrankung leidet. Ohne ein passendes Spenderorgan ist das Mädchen dem Tode geweiht – und ihre Mutter Lynn ist bereit, praktisch alles zu tun, damit ihre Tochter eine neue Leber erhält. Dabei wird der Leser zwangsläufig in Lynns Gewissenskonflikt eingebunden und dazu gebracht, sich ebenfalls einige Fragen zu stellen: Wie weit würden wir für einen geliebten Menschen gehen? Sind wir bereit, alle moralischen Bedenken über Bord zu werfen und sogar buchstäblich über Leichen zu gehen, damit dieser Mensch weiterleben kann, während jemand anderes stirbt?
Trotz des brisanten und aktuellen Themas – Spenderorgane sind auch in Deutschland extreme Mangelware, die Listen von Menschen, die auf ein lebenswichtiges Organ warten, sind sehr lang – ist das Buch aber nicht richtig spannend oder mitreißend. Das liegt vor allem daran, dass Peter James direkt alle Karten offen auf den Tisch legt und man von Anfang an weiß, wer die Bösen sind. Es gibt kein Verwirrspiel, keine eleganten Wendungen, keinerlei Überraschungen, weil man die Identität der Organhändler und ihr Vorgehen sofort kennt. Erst am Ende, wenn der Autor das Tempo erhöht und das Timing der verschiedenen Erzählstränge einfach perfekt stimmt, kommt endlich Hochspannung auf.
"Und morgen bist du tot" ist ein guter Thriller, aber keinesfalls der beste aus der Reihe der Roy Grace-Romane. Dennoch ein unterhaltsamer, stellenweise sehr spannender und gut recherchierter Krimi!