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 Secret Defense


Cover
Gesamt ++++-
Action
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Extras
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Die attraktive und einzelgängerische Orientalistikstudentin Diane (Vahina Giocante) hofft auf einen Job als Dolmetscherin in den Arabischen Emiraten, doch eine negative Klausur macht ihren Zukunftsplänen einen Strich durch die Rechnung; sie muss ein Jahr warten, bevor sie erneut zur Prüfung antreten darf. Der Geheimagent Alex (Gérard Lanvin) zwingt ihr eine Alternative auf: Mit ihrem Doppelleben als Edelprostituierte als Druckmittel rekrutiert er sie für den französischen Geheimdienst, um sie zur Agentin für Terrorbekämpfung auszubilden.
Zur gleichen Zeit landet der Kleinkriminelle Pierre (Nicolas Duvauchelle) nach einem vereitelten Drogendeal im Gefängnis, wo er von anderen Häftlingen misshandelt wird. Sein Elend nutzen islamistische Insassen aus, um ihn für ihre Zwecke einzuspannen: Sie versprechen ihm Schutz und Halt durch den Islam und überzeugen ihn, gegen Frankreich in den "Heiligen Krieg" zu ziehen. Er konvertiert zum Glauben seiner "Brüder" und reist nach seiner Entlassung aus der Haft in ein afghanisches Terrorcamp, um sich zum Selbstmordattentäter ausbilden zu lassen.
Seine große Chance als "heiliger Krieger" erhält er, als Al Barad (Simon Abkarian), ein arabischer Geschäftsmann mit Kontakten zur al-Qaida, einen Giftgasanschlag in Frankreich plant. Diane wird auf Barad angesetzt, um an Informationen zu gelangen, doch dieser durchschaut das Spiel …

Auf dem Gebiet der filmischen Auseinandersetzung mit dem islamistisch motivierten Terrorismus übt sich Hollywood bekanntlich nicht gerade in Zurückhaltung. Jährlich gelangen mehrere US-amerikanische Filme in die Kinos, welche die mittelbaren oder unmittelbaren Folgen von 9/11 unterschiedlich aufgreifen. So wurde heftige Kritik an der Vorgehensweise der US-Geheimdienste bei Terrorverdächtigen geübt ("Machtlos"), den gierig nach dem irakischen Öl greifenden Fingern der Bush-Regierung auf dieselben geklopft ("Green Zone"), Opfer posthum zu Helden (v)erklärt ("Flug 93") oder kräftig die Pathos-Trommel gerührt ("World Trade Center"). Dass die schwarze Liste des islamistischen Terrors nicht allein für den Erzfeind USA reserviert ist, beweisen nicht nur die Bombenanschläge in Madrid 2004 und in London 2005, sondern auch die Terrordrohungen an andere europäische Länder, wie etwa Frankreich. Somit war es lediglich eine Frage der Zeit, bis der "War on Terror" auch den Sprung auf französisches Zelluloid schafft. Mit dem Actionthriller "Secret Defense" von Philippe Haïm ("Die Daltons gegen Lucky Luke") hatte das Warten ein Ende, dank Capelight Pictures hat es dieser exzellente Streifen nun auch in die deutschsprachigen Gefilde geschafft.

Und "Secret Defense" triumphiert dort, wo bislang viele Filme scheiterten: der Komplexität und Vielgesichtigkeit des Phänomens Terrorismus würdig zu begegnen. Oft scheiterten sie, weil sie in ihrem Plädoyer gegen Gewalt und Unmenschlichkeit die Parteilosigkeit vergaßen oder weil sie ihren Realitätsanspruch nicht reibungslos mit ihren Unterhaltungsambitionen in Einklang bringen konnten. Das jüngste Beispiel hierfür lieferte Kathryn Bigelow mit ihrem oscarprämierten Kriegsdrama "The Hurt Locker", das sich um die nervenaufreibende Abbildung des Irakkriegs aus der Sicht des einfachen Soldaten bemühte, letztendlich aber doch nur das irakische Volk als eingefleischte Gemeinschaft von Bombenlegern und Attentätern "entlarvte". Plakative Schwarz-Weiß-Malerei ist "Secret Defense" hingegen vollkommen fremd, Eindimensionalisierung für den Film ein Fremdwort. Stattdessen legt Regisseur Haïm seinen raffinierten Thriller als moralisches Minenfeld an, als Grauzone, als Schachbrett machtpolitischer Spiele. Zug um Zug werden Diane und Pierre aus ihrem gewohnten Leben gerissen und zu Schattenkriegern ausgebildet, bis sie erkennen müssen, dass man ihnen nicht mehr als die Rolle von Bauernopfern zugedacht hat, die für etwas Höheres entbehrt werden sollen – egal, ob dieses höhere Ziel die nationale Sicherheit auf einem Fundament aus Leichen oder die Instrumentalisierung religiöser Dogmen für eigene machtpolitische Ziele lautet.

Gerade hier wird die ganz große Stärke von "Secret Defense" deutlich: Der Film bemüht keine Klischees und keine naive Einteilung in Gut und Böse, sondern zeigt auf, dass beiden Seiten Menschenleben wenig wert sind, wenn es darum geht, ihre Ziele zu erreichen. So pflegt Alex zu der von ihm rekrutierten Diane ein gefühlskaltes Verhältnis und erinnert sie mit scharfen Kommentaren stets daran, dass sie ja doch "bloß" eine Hure ist und daher doch keine Scham kennen könne. Auch mit Pierre wird nicht zimperlich umgegangen, um ihn für den Dschihad zu gewinnen, vor allem seine "Anwerbung" ist die zweifellos härteste und zynischste Szene des gesamten Films: Drei Skinheads vergewaltigen den Kleinganoven unter der Dusche, während im Vorraum die islamistischen Häftlinge den geeigneten Moment abwarten, um auf der Bühne zu erscheinen, ihm die offene Hand hinzuhalten und ihn für den "gerechten Krieg" zu gewinnen. Ausgesprochen lobenswert ist hierbei eine ausdifferenzierte Zeichnung der beiden Gegenseiten, die man in vergleichbaren Filmen vermisst: Der Islam ist keine Gewalt predigende Religion, der Koran keine Bibel der Menschenverachtung und die Moslems keine eingeschworene Gemeinschaft von "heiligen Kriegern" – und statt der Mär von einem einzigen, weltumspannenden islamistischen Terrornetzwerk wird von vereinzelten Gruppierungen erzählt. Und auch die andere Seite kommt nicht ungeschoren davon: Agenten werden wie Schachfiguren geopfert, Verdächtige brutal verhört und der Kampf gegen den Terrorismus unter einem vorrangig ökonomischen Gesichtspunkt geführt.

Trotz aller Kritik vergisst "Secret Defense" nicht, was ein Actionthriller in erster Linie tun soll, nämlich unterhalten: Die Action fällt ausgesprochen gediegen aus, sie ist gut platziert und wohldosiert, nie überflüssig oder aufdringlich. Rasante Actioneinlagen wechseln sich gekonnt mit ruhigen Momenten ab, alles hervorragend abgemischt, ohne die Spannung abzuwürgen. Die erlesene Darstellerriege tut ihr Übriges, um den Film erstklassig abzurunden, besonders Vahina Giocante ("39,90") als vom Leben enttäuschte junge Frau und Gérard Lanvin als zynischer Geheimagent wissen zu überzeugen. "Secret Defense" gelingt einfach das Kunststück, an dem nicht wenige seiner Genre-Kollegen scheitern: niveauvolle Action mit Hintersinn.

Leider aber nicht ohne kleine Schnitzer. Stellenweise scheint es der Film etwas zu eilig zu haben, besonders bei Pierres Wandlung zum Mudschahid, zum "heiligen Krieger". Für Dianes Entwicklung hat man sich nicht nur mehr Zeit gelassen, sondern auch mehr Fingerspitzengefühl bewiesen, während Pierres Konvertierung zum Islam wie in zu großen Sprüngen erfolgt wirkt; Diane bleibt für den Zuschauer stets die nachvollziehbarere, menschlichere Figur, während Pierre stets hinterherhinkt, obwohl seine Backstory nicht minder sorgfältig gezeichnet ist. Und die letzte Einstellung von Pierre wirkt leicht unbeholfen, als wollte man sie mit einer besonders bedeutungsschwangeren Aussage füllen, bloß, dass man nicht wusste, mit welcher.

Die DVD-Auswertung von "Secret Defense" kann sich sehen lassen: Das Bild weist angenehm kühle Farben und eine gute Detailauflösung auf, ein Rauschen fällt zwar auf, dieses drängt sich aber nie störend in den Vordergrund; lediglich die stellenweise etwas zu niedrigen Schärfewerte fallen etwas unangenehm auf. Der 5.1-Ton überzeugt mit einem dynamischen Sound, einem guten Raumklang und einer klaren Dialogverständlichkeit. Die Extras gehen in Ordnung: Neben dem Kinotrailer, dem Originalteaser und einer Trailershow zu anderen Capelight-Titeln gibt es noch eine Bildergalerie, ein Making-of, entfallene Szenen sowie ein alternatives Ende, die beiden letzteren wahlweise mit Filmton oder Audiokommentar.

Die DVD-Erstauflage, die dem Rezensenten vorlag, wurde in einem schmucken Steelbook ausgeliefert, ist mittlerweile aber schon wieder out of print. Erfreulicherweise hat das FSK-Logo als abziehbarer Sticker seinen Weg auf die Frontseite gefunden, womit der Sammlerwert des Steelbooks erhalten bleibt.

Fazit:
Ein harter, kompromissloser und zynischer Actionthriller, unangenehm realitätsnah und angenehm kühl. Zugegeben, ein sorgfältigerer Feinschliff hätte "Secret Defense" gewiss nicht geschadet, vor allem bei der Wandlung Pierres zum Gotteskrieger wäre er wünschenswert gewesen. Aber der Mut der Macher zu einem schonungslosen wie objektiven Umgang mit dem brisanten Thema Terrorismus verdient ebenso Beachtung wie die Leistung, Botschaft und Action hervorragend auszubalancieren. Sehenswert!

Michael Höfel



DVD | Disc-Anzahl: 1 | EAN: 4042564122749 | Erschienen: 25. Juni 2010 | FSK: 16 | Laufzeit: 97 Minuten | Originaltitel: Secret défense | Preis: 16,99 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch | Verfügbare Sprachen: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Französisch (Dolby Digital 5.1)

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