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Auch nach dem leider viel zu frühen Tod des US-amerikanischen Horrorautors Richard Laymon, der bereits im Jahr 2001 verstarb, bringt der Heyne Verlag den unter dem Titel "Quake" erschienenen Horrorroman aus dem Jahr 1995 erstmals als Deutsche Taschenbuchausgabe heraus. In der deutschen Übersetzung wurde der Titel "Das Inferno" gewählt, der nicht von ungefähr kommt.
Los Angeles wird vom einem der stärksten Erdbeben der Geschichte heimgesucht. Die Stadt versinkt im absoluten Chaos, der Strom funktioniert nicht mehr, überall läuft Wasser aus geplatzten Rohren und der Verkehr bricht völlig in sich zusammen. Doch nicht nur der Verkehr bricht zusammen, sondern auch die Wohn- und Bürogebäude in der Stadt: Jedes zweite Haus ist dem Erdboden gleich, wie auch das der Familie Banner. Clint Banner, der Protagonist der Handlung, konnte sich gerade so aus seinem Büro, dass 40 Kilometer von seinem zusammengefallenen Wohnhaus entfernt ist, retten. Doch was ist mit seiner Frau Sheila und seiner Teenager-Tochter Barbara passiert? Sheila ist zur Zeit des Bebens von einer ihrer morgendlichen Jogging-Touren in das Haus der Banners zurückgekehrt und Barbara hatte eine Fahrstunde. Der Familienvater Clint sorgt sich um seine Lieben und versucht sich mit der Hilfe von Em und Mary, die er auf seinem Weg quer durch die zerstörte Stadt kennengelernt hat, zu seinem völlig zerstörten Haus durchzuschlagen. Unterdessen bemüht sich Sheila, die unter den Trümmern des Hauses nur knapp dem Tot entgangen ist, sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Ob ihr der Nachbar Stanley Banks, ein perverser Psychopath, dessen einzige Lebensaufgabe vor dem Erdbeben darin bestand Sheila in ihrem Alltag heimlich nach zustellen, bei ihrer Befreiungsversuchen wirklich helfen kann?
Horror-Fans, die beispielsweise Laymons
"Der Pfahl" gelesen haben, konnten bereits die andere, gesellschaftskritische Seite des Autors kennengelernen. In seinen früheren Werken wie
"Die Insel" geht es hauptsächlich um das Blutvergießen und die detaillierte Beschreibung dessen, was Menschen anderen Menschen grausames antun können - und das auf die perfidesten Arten und Weisen. Bei "Das Inferno" liegt aber ein anderer Hintergrund vor. Allen Menschen in Los Angeles widerfährt ein und dasselbe Schicksal: Ein Erdbeben zerstört unwiderruflich ihr Leben und macht alles kaputt, was mühsam aufgebaut wurde. Dies weckt Endzeitgedanken und macht Panik. Alle bestehenden Regeln und gesellschaftlichen Normen werden über Bord geworfen, die Stadt versinkt in einem großen Chaos als die Bewohner ihr eigentliches Ich vergessen und zunehmend egoistisch handeln.
Etwas überspitzt wirken allerdings die Beschreibungen der Bewohner Los Angeles, die nach dem Beben in den chaotischen Zuständen relativ bald mit abartigen Handlungen beginnen. Das sich ein derart skrupelloses Verhalten der Bürger so entwickelt, kommt für den postapokalyptischen Horrorroman gerade recht, wirft aber die Frage auf, ob sich die Menschen wirklich so verhalten würden.
Es ist außerdem unheimlich und unbeschreiblich, wie Laymon es schafft die Gedanken und die Psyche eines Psychopathen wie dem Nachbar der Familie, Stanley, so direkt zu beschreiben. So eine detaillierte Charakterzeichnung erwartet man eher von einem professionellen Profiler als von einem Horrorautor! Gerade der Charakter von Stanley macht das unheimliche an der Story aus.
Leider treibt es Laymon in diesem Werk wieder etwas zu dolle mit der Beschreibung des weiblichen Geschlechts. In nahezu jedem Kapitel entwickeln sich die sexuellen Fantasien der männlichen Darsteller in eine eindeutige Richtung, die Laymon natürlich immer wieder in die Geschichte einbringt. Bemerkenswert ist, dass die weiblichen Protagonisten diese Gedanken eher weniger hegen oder Laymon diese nicht erfasst.
Die Charakterzeichnung von Sheila ist leider etwas widersprüchlich geworden. Warum bemerkt eine gestandene Frau nicht viel eher, dass sie von ihrem Nachbarn ausspioniert wird? Und warum bemerkt sie seine eindeutigen Blicke zunächst nicht, als er versucht, sie zu befreien? Sheila wirkt einfach etwas zu naiv.
Laymon greift in "Das Inferno" wieder einmal ein Thema auf, das viele gesellschaftskritische Anreize bietet: Schade, dass er diese Möglichkeit kaum nutzt, sondern in guter alter Laymon-Manier mit den abartigsten Beschreibungen des menschlichen Handels und deren Psyche überzeichnet. Wenn der Leser sich darauf einlässt und auch nicht viel mehr erwartet, dann gilt es, 640 Seiten puren Horror zu entdecken.
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlags-Website: Das Inferno