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Nachdem das neungeteilte Land Orison von den Dämonen Iranthindur und Gäus befreit ist, sind über zwanzig Jahre vergangen. Damals entkamen die beiden Dämonen aus dem Dämonenschlund in den südlichen Brüchigen Bergen und übernahmen die Körper zweier hochrangiger Menschen - den der Baroness und des Königs. Ein Menschen zermalmender Krieg entbrannte, von dem sich Orison nur langsam erholte. Dass die Menschen ihr Land eigentlich nach dem Dämonenkönig Orison benannt haben, ist ihnen nicht bewusst, denken sie doch bis heute, Orison wäre ein mächtiger Magier der Menschen, der die Dämonen in den Schlund verbannt hat, um sie vor diesen Monstren zu beschützen. Jedoch hatte Orison ganz anderes im Sinn - die für die Dämonen so nötige Lebensenergie war verbraucht und er zog sich mit ihnen zusammen in den Dämonenschlund zurück, um "Luft zu holen", Ruhe einkehren zu lassen - bis dann die Zeit gekommen wäre, gemeinsam - mit allen - dem Schlund wieder zu entsteigen.
Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen, und insgesamt 122130 Dämonen können endlich dem immerwährenden, körperlosen Trudeln im Schlund entkommen und wieder über ihr Orison ausschwärmen. Die 249, die gleich in der Nähe des Schlundes verenden, da sie den Regen nicht vertragen, verringern die große Anzahl kaum. Einer verzehrenden Welle gleich brechen die Dämonen von Süden her über Orison herein. Wenn nur zwei von ihnen schon solch einen furchtbaren Krieg verursachen konnten, was geschieht dann erst, wenn es über Hundertausend sind? Das Ende der Menschen scheint in Sicht ...
Dass
Tobias O. Meißner seine Leser ein zweites Mal nach Orison bringen würde, konnten diese bereits während der Lektüre von
"Die Dämonen" erahnen und hoffen, war doch damals schon offensichtlich, dass die Zeit für die Dämonen bald gekommen wäre und sie endlich frei kämen.
Mit dem zweiten Dämonen-Band hat der Autor dies nun grausame Wahrheit werden lassen. Jedoch ist es wirklich so grausam, wie es auf den ersten Eindruck klingt? Ja, es kommt zu unglaublich monströsen, blutigen, menschenzerfetzenden Schlachten. Ja, die Dämonen laben sich gerne an Menschenfleisch. Ja, die Orisoner scheinen der Ausrottung entgegen zu sehen. Aber dieser Roman wäre kein echter Meißner, wenn alles so einfach, so schwarzweißmalerisch, so oberflächlich und einfach nur brutal wäre. Zunächst rennen die in ihren äußeren Erscheinungen vom Autor sehr phantasievoll gestalteten Dämonen einfach nur los und "fressen" sich durchs Land - schließlich waren sie Tausende von Jahren im Schlund eingesperrt und "genießen" jetzt auf dämonische Weise ihre so lange ersehnte Freiheit. Nach und nach deutet sich aber immer mehr an, dass die Dämonen mit der Zeit tatsächlich ebenso "enden" könnten wie die Menschen. All die Dinge, die sie an den Menschen nicht verstehen, würden sie vermutlich einholen - sollten die Menschen bald ausgerottet sein -, und sie die alleinigen Bewohner des Landes bleiben. So müssten sie vermutlich Getreide anbauen und Tiere züchten, um sich ernähren zu können. Sehr treffend zeigt dies ein Gedanke Culcahs, einer der dämonischen Heerführer:
"Wenn man den Dämonen lange genug ihre Freiheit ließe, würden sie wahrscheinlich ebenfalls bald damit beginnen, Bilder von sich an Wände zu hängen, zerbrechliches Geschirr zu horten und Bücher mit sinnlosen Gefühlen vollzukrakeln.".
So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Menschen immer dämonischer und Dämonen immer menschlicher werden - kann denn eine solche klare Charakterisierung überhaupt realistisch sein? Der Leser ist gefordert und der niemals langweilig werdenden Handlung ausgeliefert. Die Kunst, Poesie und Brutalität miteinander zu verbinden und dabei auch noch hintergründige und humorvolle Literatur zu verfassen, ist
Tobias O. Meißner zu eigen und in all seinen Werken deutlich zu erkennen.
Für den Leser nicht nachvollziehbar ist, dass der Text nicht die Seiten ausnutzt. Drumherum ist relativ viel Platz, so gedruckt hätte der Text auch in ein kleineres Taschenbuchformat gepasst. Das verwendete Cover passt gut zum Inhalt, kann aber schnell einen falschen Eindruck vermitteln. Zusammengenommen mit der in der Umschlagklappe abgedruckten Kritikeraussage, es handele sich um ein von Videospielen und Blockbustern inspiriertes Actionspektakel, wird der Roman in eine Richtung geschoben, in die er nicht passt. Wer den Autor kennt, wird trotzdem nicht enttäuscht und kann sich auf ein aufwühlendes Buch freuen. Wer ihn noch nicht kennt, sollte ihn spätestens jetzt kennenlernen, gehört er doch zur Spitze der deutschen phantastischen Autoren und seine Bücher können im Allgemeinen viel mehr bieten als die meisten anderen auf dem Markt erhältlichen Fantasy-Romane.
Wer gerne bei der Lektüre überrascht und in seinen Gefühlen durchgerüttelt wird, findet in "Die Dämonen. Freiheit oder Finsternis" genau das Gewünschte. Den Vorgängerband zu kennen ist nicht unbedingt Bedingung, das Hintergrundwissen ist jedoch von Vorteil, um einige Wendungen nachvollziehen zu können.