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"Die Dämmerung", der dritte Teil von Tad Williams' "
Shadowmarch"-Tetralogie, setzt genau dort an, wo der Leser am Ende von Teil 2 "
Das Spiel" zurückgelassen wurde.
Inzwischen sind die Protagonisten über die gesamte Welt verstreut: Hauptmann Ferras Vansen ist nach dem knappen Sieg über den Halbgott Kituyik und dem Tod von Gyir Sturmlicht in die Dunkelheit gefallen und erstaunlicherweise in den Tiefen der Funderlingstadt in Südmark wieder aufgetaucht, ohne zu wissen, wie er dorthin gelangt ist. Zusammen mit dem Hofarzt Chaven, der ebenfalls in Ungnade gefallen ist, und mit Chert Blauquarz und weiteren tapferen Funderlingen macht er sich an die Verteidigung der unterirdischen Stadt, denn es scheint klar, dass über kurz oder lang die Qar einen Weg suchen werden, um unter der Erde in die seit langem belagerte Südmarksburg einzudringen.
Der Königssohn Barrick Eddon hingegen befindet sich nach wie vor hinter der Schattenlinie, fest entschlossen, den geheimnisvollen Spiegel zum blinden König der Qar zu bringen. An seiner Seite ist der Rabe Skurn, der sich, auch wenn er ganz und gar abscheuliche Angewohnheiten besitzt, als wertvoller Weggefährte erweist. In seinen Träumen begegnet Barrick einem seltsamen Mädchen, zu dem er eine starke Verbundenheit fühlt – es ist niemand anderes als Quinnitan, die sich nach ihrer misslungenen Flucht immer noch in der Hand von Daikanos Vo befindet. Vo will das Mädchen so schnell wie möglich dem Autarchen von Xis aushändigen, doch der hat mit seinem Hofstaat und seinem Heer längst Segel gesetzt und befindet sich auf dem Weg nach Eion; anscheinend hegt er einen teuflischen und größenwahnsinnigen Plan.
Während sich Barrick hinter der Schattengrenze durch das unheimliche und lebensgefährliche Reich der Zwielichtler schlägt, ist seine Zwillingsschwester Briony an den Hof von Syan gelangt – doch auch dort ist sie nicht in Sicherheit. Schon bald werden mehrere Mordanschläge auf sie verübt und sie gerät in eine mörderische Intrige. Dennoch gibt sie den Plan nicht auf, sich an Hendon Tolly für seinen Verrat zu rächen und den Thron zurückzugewinnen …
Wie eingangs bereits erwähnt, ist aus der ursprünglich geplanten Trilogie nun eine Tetralogie geworden; der vierte und letzte Teil erscheint bereits im November 2010 unter dem Titel "Shadowheart". Ähnlich wie bei der
Saga der Großen Schwerter hat Tad Williams, so berichtet er im Vorwort, während des Schreibens bemerkt, dass die Geschichte mit drei Bänden noch lange nicht fertig erzählt ist, so dass es nun kurzerhand einen vierten Teil geben wird. Ein Glück für alle Fans der großartigen Shadowmarch-Reihe, die sich jetzt auf den abschließenden vierten Band freuen können. Ein wenig Kritik gibt es dennoch: Obwohl auch "Die Dämmerung" sehr spannend, kreativ und schlüssig geschrieben ist und obwohl Williams alle Fäden fest in der Hand hält, ist Teil 3 nicht so gut wie die beiden Vorgänger.
Irgendwie liest sich dieser dritte Teil wie ein Mittelteil einer Trilogie, der eben unter dem Fluch leidet, das Mittelstück zu sein, welches "nur" Teil 1 und 2 verbindet, aber im Prinzip auch stark gekürzt werden könnte. Zwar geht die Handlung vorwärts, aber ungleich langsamer als in den beiden ersten Bänden. Brionys Zwischenspiel am von Intrigen geprägten Hof von Syan etwa liest sich zweifelllos spannend, zumal ihr offensichtlich jemand nach dem Leben trachtet, doch im Endeffekt bringt dieser lange Aufenthalt die Figur buchstäblich kein einziges Stück voran.
Auch mit Quinnitan geht es nun im Schneckentempo vorwärts, denn sie befindet sich in der Hand von Daikanos Vo, der wiederum mit einem Schiff auf der Spur des Autarchen von Xis ist – die Erzählung schreitet hier so häppchenweise vorwärts, als wäre man selbst an Bord des Schiffes, das nur quälend langsam das Meer überquert.
Zweifellos hat "Shadowmarch" immer noch sehr viel mit der Saga der Großen Schwerter gemeinsam. Das ist einerseits erfreulich, weil die Schwerter-Saga so unglaublich gut ist, andererseits aber auch enttäuschend, weil vieles so bekannt wirkt und Tad Williams das Rad hier eben nicht neu erfunden hat. Die Qar sind den Nornen doch sehr ähnlich (und nerven häufig mit ihrer Rätselhaftigkeit), das Reich Eion erinnert an Erkynland, die Südmarksburg an den Hochhorst.
Ein wenig leidet die Geschichte außerdem darunter, dass sie so viele etwa gleichstarke Figuren hat. Zwar braucht es natürlich nicht zwingend eine Hauptfigur wie Simon, aber hier hat man das Gefühl, dass alle irgendwie gleichwertig sind: Ferras Vansen, Barrick und Briony, Quinnitan, Chert – sie alle tragen viel zur Handlung bei, diese springt dabei aber beständig hin und her, so dass man sich fast danach sehnt, dass Tad Williams sich ein paar Kapitel länger auf eine einzige Person konzentrieren und die Geschichte ein wenig mehr vorantreiben würde. Auch sind die Guten zu glatt geraten, so dass man bald schon mit den Bösen wie etwa Sulepsis, dem grandios unterhaltsamen und bitterbösen Autarchen von Xis, sympathisiert, der in diesem Band eine atemberaubende, teuflisch grausame Szene erhalten hat.
"Die Dämmerung" ist ein guter Teil innerhalb der Shadowmarch-Reihe, der aber zu gestreckt, zu ausgewalzt wirkt, um vollends zu begeistern. Für einen 700-Seiten-Wälzer passiert hier nicht wirklich viel. Die vielen gleichwertigen Charaktere lassen die Geschichte ziemlich zerfasert wirken, was die Spannung beträchtlich nach unten drückt. Es bleibt nur zu hoffen, dass Tad Williams in Band 4 zu alter Genialität zurückfindet und ein großartiges Finale abliefert.
Eine Leseprobe aus "Die Dämmerung" gibt es auf der Verlags-Website.