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Mit seinen zugleich skurril-humorvollen als auch gesellschaftskritischen Romanen über die von ihm erfundene Scheibenwelt begeistert der Autor Terry Pratchett bereits seit Jahren Millionen Leser. Doch die Erfolgsgeschichte der Scheibenwelt hat auch nach über dreißig Büchern noch keine Ende in Sicht - erst 2003 war Pratchett nach der "Harry Potter"-Autorin Joanne K. Rowling der zweiterfolgreichste britische Schriftsteller. 2001 führte Terry Pratchett mit "The Amazing Maurice and his Educated Rodents" erstmals ein neues Subgenre für seine "Scheibenwelt"-Reihe ein: Das "Märchen von der Scheibenwelt". Im November 2005 erschien nun die Taschenbuchausgabe der deutschen Übersetzung, die den schlichten Titel "Maurice, der Kater" trägt.
Ratten!
Wenn sie sich erst einmal in einer Stadt eingenistet haben und damit beginnen, die Lebensmittelvorräte zu verderben, werden die kleinen Nager schnell zu einer wahren Plage. Da hilft dann nur noch eines: Ein flötenspielender Rattenfänger muss engagiert werden! Doch die sind meist nicht gerade billig, sondern verlangen horrende Summen für ihre Arbeit. Nicht so Keith, ein dumm aussehender Junge, der in Begleitung eines Katers von einer rattengeplagten Stadt zur nächsten zieht und der im Gegensatz zu anderen Flötenspielern für die Vertreibung der Ratten lediglich einen lächerlichen Betrag von dreißig Goldstücken verlangt. - Ein Einkommen, das anschließend fair mit den vertriebenen Ratten geteilt wird. Denn seit der Rattenclan um Gekochter Schinken von dem magischen Unrat gefressen hat, den die Zauberer der Unsichtbaren Universität in Ankh-Morpork unachtsam über die Mauer geworfen haben, sind die Ratten des Clans mit beunruhigender Intelligenz gesegnet. Gemeinsam mit dem ebenfalls plötzlich intelligent gewordenen Kater Maurice, der später auch den dumm aussehenden Jungen als Flötenspieler angeheuert hat, haben die Ratten einen Plan entwickelt, um rasch an Geld zu kommen, mit welchem sie sich irgendwann Boote würden leisten können. Mit diesen könnten die Ratten dann auf eine einsame Insel segeln, auf welcher sie ihren Traum eines eigenen Königreichs würden verwirklichen können. Nachdem sie einige Zeit von einer Stadt zur nächsten gezogen sind und deren Einwohner in Panik versetzt haben, beschließen die Ratten nun, nach einem letzten Coup endlich einen Versuch starten zu lassen, ihren Traum in die Tat umzusetzen. Doch diesmal ist alles anders: Die Kanalisation von Bad Blintz wirkt wie ausgestorben. Eigentlich sollte es unter jeder Stadt normale Ratten geben, doch an Stelle ihrer unintelligenten Verwandten treffen die Veränderten - wie sich die intelligenten Ratten gerne nennen - hier nur auf vereinzelte tote Exemplare sowie eine Vielzahl an einfallsreichen Fallen und Giftködern. Im Gegensatz dazu entdeckt Keith, dass die Stadt hohe Belohnungen auf tote Ratten ausgesetzt hat, da diese angeblich alle Lebensmittel stehlen würden. Maurice, Keith und die Ratten merken sofort, dass hier etwas mit falschen Dingen zugeht, und tatsächlich kommen der Junge und der Kater mit Hilfe der in ihren Geschichten lebenden Bürgermeisterstochter Malizia schnell zwei gewieften Rattenfängern auf die Schliche. Nun gilt es nicht nur, den Betrügern das Handwerk zu legen, sondern auch herauszufinden, was mit all den Ratten geschehen ist. - Und dann gibt es da noch den Mythos über den mächtigen und zugleich schrecklichen Rattenkönig ...
Während "Maurice, der Kater" in Großbritannien als Kinder- und Jugendbuch vermarktet wurde und 2001 auch mit der renommierten "Carnegie Medal" als bestes Jugendbuch des Jahres ausgezeichnet wurde, verzichtet der deutsche Verlag glücklicherweise größtenteils auf eine dementsprechende Vermarktung. Denn obwohl der Untertitel des Romans den Schriftzug "Ein Märchen von der Scheibenwelt" verkündet, handelt es sich bei Terry Pratchetts erster Geschichte dieses Subzyklus der "Scheibenwelt"-Reihe keineswegs um leichte Kost. Zugegeben stellt sich die Erzählung um Maurice und die Ratten weniger vielschichtig als andere Werke Pratchetts dar und verpackt philosophische Gedanken wie die Frage, was nach dem Tod passiert, in kindgerechte Hüllen, indem sich die intelligent gewordenen Nager mit derartigen Fragen zu beschäftigen beginnen, doch ansonsten ist und bleibt auch "Maurice, der Kater" ein für Terry Pratchett typischer Roman, der sich nach einem verwirrenden Einstieg durch tiefgehenden und gesellschaftskritischen Humor auszeichnet, bei welchem man sich ernsthaft fragen muss, ob ihn jüngere Leser überhaupt verstehen könnten.
Für den älteren Leser jedoch präsentiert sich Terry Pratchetts erstes "Märchen von der Scheibenwelt" mit seinen 287 Seiten als sehr kurzweilige Lektüre, die sich nicht nur sehr flüssig lesen lässt, sondern auch durch sehr humorvolle Situations- wie Wortkomik überzeugen kann. Während man sich als Leser einerseits über die Namen der Ratten, die sich nach ansprechend klingenden Wörtern auf Konserven oder Verpackungen benennen und somit Gekochter Schinken, Sardinen, Sonnenbraun, In Salzlake, Pfirsiche oder Zutritt verboten heißen, herrlich amüsieren kann, wankt der Autor hierbei auch unsicher auf dem Grat, der die Grenze zwischen intelligentem Humor und Nonsens darstellt. Auch finden sich in "Maurice, der Kater" einige Stellen, die sich zwar flüssig lesen lassen, sich aber nicht sonderlich spannend präsentieren oder denen der von Pratchett gewohnte Tiefgang fehlt. Tatsächlich ist die Geschichte zwar sehr humorvoll geschrieben, der spitzzüngige Wortwitz Terry Pratchetts bricht jedoch erst gegen Ende des Buches völlig durch, wenn die von der Rattenplage betroffenen Menschen ein wenig mehr in den Vordergrund rücken.
Optisch weiß das Taschenbuch seinen Leser jedoch vollkommen zu überzeugen. Das wunderschöne Coverbild von David Wyatt auf blaugeflecktem Hintergrund sticht unter anderen Büchern sofort hervor und stellt einen hervorragenden Blickfang dar. Auch der Buchrücken, der in der Manier englischsprachiger Taschenbücher mit einer kleinen Illustration sowie großen Lettern bedruckt wurde, die seine volle Breite ausfüllen, hebt sich gegen andere Bücher heraus. Die vereinzelten Zeichnungen im Innenteil des Romans, die die Schriftsprache der Ratten verdeutlichen sollen, sowie die Kästchen, in welchen sich zu Beginn jedes Kapitels - ja, diese Geschichte Pratchetts hat tatsächlich Kapitel! - ein kurzer Ausschnitt aus "Herrn Schlappohrs Abenteuer" findet, einem Buch, dessen Geschichte die Ratten als Leitmotiv nutzen, gefallen ebenfalls von Beginn an und tragen zur gestalterischen Perfektion des Taschenbuches bei.
Fazit:
Mit "Maurice, der Kater" bekommt der Leser einen Roman vorgelegt, der zwar nicht so vielschichtig ist wie andere Bücher der bizarren Scheibenwelt und der den irreführenden Untertitel "Ein Märchen von der Scheibenwelt" trägt, der allerdings auf keinen Fall als Jugend- oder gar Kinderbuch betrachtet werden sollte. Während sich die Geschichte flüssig und meist auch spannend lesen lässt, bleibt der Leser nach der Lektüre des Buches dennoch mit einem etwas zwiespältigen Gefühl zurück.
Hinweis: Mittlerweile hat Terry Pratchett zwei weitere "Märchen von der Scheibenwelt" veröffentlicht. Hierbei handelt es sich um das Buch "Kleine freie Männer" sowie den im Februar 2006 erstmals auf Deutsch erscheinenden Roman "Ein Hut voller Sterne".