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1444: Thamar war nie wie die anderen Mädchen, und dass sie sich jetzt verbotenerweise mit ihrem Bruder in der Scheune im Stabkampf übt, ist nur ein weiterer Beweis dafür. Doch ihr Frevel kommt sie teurer zu stehen in Form einer Tracht Prügel von ihrem Vater. Thamars Familie lebt in einem Land, das von den Osmanen unterworfen wurde und um sie klein zu halten, werden ihnen ihre Söhne genommen, um im muslimischen Glauben erzogen und zu ergebenen Kriegern des Reiches gemacht zu werden. Statt den männlichen Erben fortzuschicken, wird nun Thamar als Junge verkleidet den Osmanen mitgegeben.
Thamar hat nichts zu verlieren und so schließt sie mit dem neuen Gott einen Pakt: Sie schwört ihm Treue, damit er ihr ein neues Leben schenkt. Allah hat scheinbar ein Einsehen mit ihr, doch das Leben, das sie erwartet, übertrifft alles, was sich das junge Mädchen vorstellen konnte.
Zur gleichen Zeit macht auch Venezianer Ciriaco mit dem Schicksal Bekanntschaft. Als zweitgeborener Sohn stand es ihm immer frei zu tun, was er wollte. Doch da sein älterer Bruder nun ermordet worden ist, muss er seinen Platz in der stolzen Patrizierfamilie einnehmen. Und gleich sein erster Auftrag führt ihn in das Reich der Osmanen, denn unruhige Zeiten stehen bevor und die Familie möchte ihre Handelsinteressen geschützt wissen. Was als harmlose Handelsreise beginnt, wird Ciriaco prägen und sein Leben verändern …
Mit "Der zerrissene Schleier" versetzt Autor Jens J. Kramer seine Leser zurück in die Vergangenheit. Es ist eine Zeit, in der zwei Weltanschauungen um die Vorherrschaft kämpfen. Doch dass es auch anders geht, zeigen seine zwei Hauptfiguren, Thamar, erzogen in der Osmanenwelt mit muslimischem Glauben, und Ciriaco, ein venezianischer Sohn einer Patrizierfamilie. So unterschiedlich - doch jedes Mal, wenn sich ihre Wege kreuzen, kommen sie sich näher und jede Begegnung erschüttert die beiden bis ins Mark.
Jens J. Kramer hat zwei sehr unterschiedliche Charaktere geschaffen, doch beide legen während des Buches einen langen Weg zurück und man begleitet sie beim Erwachsenwerden, während sie ihren Platz in der Welt suchen. Aber trotz der Abenteuer, die Jens J. Kramer seine Figuren erleben lässt, trotz aller Hochs und Tiefs, durch die man die Charaktere begleitet, wird man leider nie den Eindruck los, dass sie nur als schmückendes Beiwerk in dieses Buch verwoben wurden. Die Historie dieser Zeit scheint immer den Vorrang zu haben und degradiert so die Geschichte der Romanfiguren zu einer Nebensächlichkeit. Durch diese Art der Erzählung kommt auch die Handlung um ihre Figuren nie wirklich in Schwung, sie wird immer wieder von der Realität dieser Zeit ausgebremst. Daher weiß man selten, ob man es wirklich mit einem historischen Roman oder eigentlich mit einem geschichtlichen Bericht zu tun hat, den man durch eine Rahmenhandlung interessanter machen wollte. Sicherlich sind die historischen Fakten und Gegebenheiten, die man in diesem Buch mitnehmen kann, höchst interessant, aber durch diese unharmonische Kombination leidet die Gesamtheit des Romans.
"Der zerrissene Schleier" ist damit ein Werk, das hin- und hergerissen ist zwischen historischem Roman und historischer Berichterstattung. Da Jens J. Kramer dieser Balanceakt nicht ganz geglückt ist, bleibt das Buch weit hinter den Erwartungen zurück.
Eine Leseprobe aus "Der zerrissene Schleier" gibt es auf der Website des Verlags.