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Wenn Westeuropäer an Russland denken, dann geistern zuerst allerhand Klischees durch die Köpfe: Ströme von Wodka, gefährliche Metropolen, pelzbemützte, finster dreinblickende Einwohner, stark geschminkte Frauen, trostlose Städte, brutale Mafiastrukturen allerorts und klirrend kalte Winter. Sicherlich mag das eine oder andere Klischee zutreffen, denn tatsächlich sind sehr viele Russen trinkfest, sehr herzlich und im Umgang nicht immer leicht; anderes wiederum entspricht nicht der Wahrheit oder wird von den "Westlern" einfach falsch gedeutet. Wer sich als Deutscher auf die Reise gen Osten begibt, tut also gut daran, sich vorher umfassend über Land und Leute, über Sitten und Gebräuche zu informieren, denn sonst droht schnell das eine oder andere Fettnäpfchen. Mit dem "Fettnäpfchenführer Russland" räumt Veronika Wengert mit so manchen der gängigen Klischees auf und gibt allen, die vorhaben, eine Zeitlang in Russland zu verbringen, ein paar gute Tipps an die Hand.
Für die informative Reise nach Russland hat die Autorin den fiktiven deutschen Geschäftsmann Paul Müller losgeschickt. Er wird als Repräsentant eines Gaskonzerns für zwei Jahre nach Russland entsandt, um dort Kontakte zu knüpfen und Geschäftspartner zu betreuen. In den folgenden kurzen Kapiteln lernt Herr Müller Russland und die Russen immer näher kennen – und plantscht dabei unbekümmert von einem Fettnäpfchen ins nächste. Dabei wäre doch alles so einfach, wenn Herr Müller sich nicht benehmen würde wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen! Doch natürlich benimmt sich der Deutsche in Russland in jeder der kurzen Anekdoten auf die eine oder andere Weise daneben, damit die Autorin danach erläutern kann, was in dieser Szene schief gelaufen ist und wie man es besser machen kann.
Dabei werden alle Bereiche des täglichen Lebens abgedeckt. Als Leser hangelt sich man sich dabei Anekdote für Anekdote an Herrn Müllers Reise entlang. Das beginnt bereits im Flugzeug, geht weiter am Flughafen, wo Herr Müller von seiner russischen Assistentin abgeholt wird, und setzt sich weiter fort mit den Themen Wohnungssuche, erste Treffen mit den Geschäftspartnern, Einkaufen, Einladungen, Essen, Sauna, öffentliche Verkehrsmittel, Aberglaube und Verhalten im Straßenverkehr. Auch die russische Seele, die russische Arbeitsmoral, das russische Improvisationstalent und vieles mehr erläutert die Autorin anhand der kleinen Erzählungen. Man erfährt, in welchen Supermärkten man am besten einkaufen kann (und wo es sündhaft teuer ist), was der "Hering unterm Pelzmantel" zu bedeuten hat, warum die russischen Frauen auch bei strengen Minusgraden gern kurze Röcke tragen und warum man im Restaurant unter Umständen nicht bedient wird, wenn man alleine kommt.
Die Anekdoten lesen sich kurz und knackig und sind recht witzig, aber auch ziemlich plakativ-oberflächlich. Herr Müller benimmt sich, um es deutlich zu sagen, meistens wie ein naiver Volltrottel und nicht wie ein ins Ausland entsandter Geschäftsmann. Er regt sich über alles auf, was nicht wie zu Hause ist, kippt bei Einladungen den Wodka gleich gläserweise in sich hinein, stößt die Gastgeber vor den Kopf und ist ziemlich schwer von Begriff. Einerseits muss das ja irgendwie sein, damit anschließend das richtige Verhalten erläutert werden kann, andererseits wirkt das Buch dadurch ein bisschen wie ein äußerst bemüht-witziges Lehrbuch für ganz Unbedarfte. Sein weltfremdes Verhalten mag man Herrn Müller nicht so wirklich abkaufen, daher hält sich das Verständnis für den Reisenden in Grenzen.
Unbestritten erfährt man beim Lesen aber eine ganze Menge über die Russen und den russischen Alltag. Wer eine Reise oder einen Geschäftsaufenthalt in Russland plant, der ist mit diesem Buch also trotz allem gut beraten, weil es auf kurzweilige Art typische Landessitten kurz erläutert und erklärt, wie man sich auf keinen Fall verhalten sollte. Ein bisschen ärgerlich ist hin und wieder das verschlafene Lektorat, weil sich doch einige Fehler eingeschlichen haben und "Minen verzogen werden" oder ein "kleiner Wehmutstropfen" bleibt.
Der "Fettnäpfchenführer Russland" ist insgesamt ein netter kleiner Führer über Land und Leute, der sich gut als augenzwinkerndes Geschenk für zukünftige Russland-Reisende eignet.
Einige Leseproben gibt es auf der Verlags-Website.