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New Jerusalem im Jahr 1888: Will Henry ist zwar erst zwölf Jahre alt, doch gesehen und erlebt hat er bereits genug schreckliche und bizarre Dinge, dass diese für ein ganzes Leben ausreichen. Trotz seines jungen Alters ist er der Assistent des bekannten Monstrumologen Dr. Warthrop. Der Doktor ist nicht nur eine Koryphäe auf seinem Gebiet – die Erforschung von Monstern, teilweise auch die Jagd nach ihnen -, sondern zudem noch äußerst kauzig und wird von den Einwohnern der Stadt sehr misstrauisch beäugt. Will Henry hat jedoch niemand anderen mehr, denn seine Eltern starben vor gut einem Jahr - ausgerechnet in den Diensten des Doktors. Nun hat der Junge den Platz seines Vaters eingenommen und assistiert Dr. Warthrop bei seinen teils grausigen und verstörenden Geschäften. Das Grauen erreicht eine völlig neue Dimension, als eines Nachts ein Besucher an Dr. Warthrops Tür klopft: Es ist ein Grabräuber, der bei seinem schändlichen Tun einen grauenhaften Fund gemacht und diesen zum Haus des Doktors gebracht hat. In die Leiche eines jungen Mädchens, das der Leichenfledderer bestehlen wollte, hat sich ein kopfloses, totes Monster verbissen – so scheint es Will Henry jedenfalls.
In Wahrheit handelt es sich um einen so genannten Anthropophagen, einen Menschenfresser, dessen Anatomie sich von der des Menschen unterscheidet. Dr. Warthrop ist alarmiert, denn der Lebensraum der Anthropophagen ist normalerweise Afrika, nicht Neuengland. Wie haben die Monster es in die Neue Welt geschafft – und droht nun Gefahr für ganz New Jerusalem, gar für die gesamte Menschheit? Gemeinsam mit Will Henry begibt sich der Doktor auf die Spur der menschenfressenden Wesen. Es wird eine Reise zu Tod, Gewalt und Horror …
"Der Monstrumologe" präsentiert sich mit einem comichaften Cover, das die Geschichte aus der Feder von Rick Yancey wie ein Kinderbuch erscheinen lässt. Für Kinder heißt es aber: Finger weg! Der erste Eindruck ist irreführend, denn "Der Monstrumologe" ist eines auf keinen Fall: ein Buch für Kinder. Die Erzählung beginnt bereits ziemlich verstörend mit der ausführlichen Beschreibung einer Nekropsie, die der Doktor an dem toten Monster und seinem Opfer vornimmt; der Autor spart an dieser Stelle nicht mit drastischen Details und der Leser schwankt, genau wie Will Henry, aus dessen Sicht die Story erzählt wird, zwischen Ekel und Faszination. Die schaurige Zerstückelung nimmt einen großen Teil der ersten CD ein und hier scheiden sich die Geister, beziehungsweise: Hier entscheidet sich wohl, ob man der Geschichte etwas abgewinnen kann oder nicht. Der Einstieg ist durchaus gewöhnungsbedürftig – wer sich aber hineingehört hat in die Welt des Waisenjungen Will Henry und die des morbiden Dr. Warthrop, der kann sich nicht mehr losreißen und befindet sich bald im Strudel der Ereignisse.
"Der Monstrumologe" ist clever und mit vielen Wendungen erzählt, sprachlich ausnehmend gut gelungen – sehr treffend gibt der Erzähler Stimmung und Sprache des 19. Jahrhunderts wieder - und hochspannend. Die Jagd auf die Anthropophagen wird mit mehreren, gleichfalls verstörenden Episoden ausgeschmückt: So machen sich Will Henry und der Doktor auf den Weg in ein verlassen gelegenes Irrenhaus, in dem sie so viel Unmenschlichkeit und Leid vorfinden, dass der Hörer ein paarmal heftig schlucken muss. Neben der eigentlichen Handlung – das ausfindig machen und bekämpfen der Menschenfresser, die sich in New Jerusalem breitzumachen drohen – hat Rick Yancey sehr geschickt Tiefgang eingeflochten. Dabei ist ihm die Charakterisierung der beiden Hauptfiguren ausgezeichnet gelungen: Will Henry, der Waisenjunge, schwankt stets zwischen Bewunderung und Ablehnung dem Doktor gegenüber, der zwar sein Lehrer und Mentor ist, aber ganz und gar keine Vaterfigur für den Zwölfjährigen, zumal der Junge ihn auch indirekt für den Tod der geliebten Eltern verantwortlich macht. Tatsächlich geraten die beiden sehr oft aneinander und Dr. Warthrop benimmt sich mehrfach äußerst gefühlskalt; gleichzeitig kämpft jedoch auch der Erwachsene gegen Selbsthass und Schuldgefühle an, während er nach außen hin die Fassade des nüchternen Wissenschaftlers aufrechterhält.
Gelesen wird die spannende und sehr unheimliche Erzählung auf sechs CDs von Christoph Wortberg. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase – es scheint, als müsste sich auch der Sprecher erst mal warmlaufen – präsentiert sich Wortberg als ausgezeichneter Vorleser, der die Charaktere mit dezenten stimmlichen Nuancen versieht, so dass einem bald der ungeduldige Ton des Doktors und die leisere, zögerliche Art des Jungen in Fleisch und Blut übergehen und man sie vor dem inneren Auge vor sich sieht.
Fazit: spannend und originell – aber auch brutal und mit gehörigem Ekelfaktor. Für Fans morbider und bisweilen actionreicher Schauergeschichten ist "Der Monstrumologe" ein gefundenes Fressen! Bloß Kindern sollte man dieses Hörbuch nicht in die Hände geben.
Eine Hörprobe gibt es bei Bastei Lübbe: Der Monstrumologe